Azazel ist ein Dämon, der magische Fähigkeiten besitzt. Ein kleiner Dämon. Tatsächlich ist er nur zwei Zentimeter groß. Das ist allerdings von Vorteil, da es ihn begierig macht, jemandem wie mir, den er als niederes Wesen zu bezeichnen beliebt, seinen Wert und seine Fähigkeiten zu demonstrieren.
Wie stets reagierte er auf meine Anrufung, wobei du nicht zu erwarten brauchst, daß ich dir Details des Rituals verrate, mit dem ich seine Anwesenheit herbeiführe. Dein kümmerlicher Verstand (keine Beleidigung) wäre ohnehin überfordert damit, ihn zu kontrollieren.
Er erschien in schlechter Laune. Offensichtlich hatte er etwas in der Art einer Sportveranstaltung beobachtet, auf deren Ausgang er annähernd hunderttausend Zakinis gesetzt hatte, und er wirkte recht ungehalten, weil er das Finale nun nicht miterleben konnte. Ich betonte, daß Geld Schmutz und er ins Universum gesetzt worden sei, um bedürftigen Intelligenzen zu helfen und nicht, um wertlose Zakinis anzuhäufen, die er, vorausgesetzt, er gewänne sie -was höchst zweifelhaft erschien -, bei der nächsten Wette gleich wieder verlieren würde.
Diese rationalen und unangreifbaren Argumente trugen zunächst nicht dazu bei, das unglückliche Geschöpf zu beruhigen, dessen herausragender Wesenszug eine abstoßende Neigung zur Selbstsucht ist, daher bot ich ihm einen Vierteldollar an. Aluminium ist das in seiner Dimension gängige Währungsmedium, und wenngleich es nicht in meiner Absicht lag, ihn zu ermutigen, für seine geringfügige Unterstützung materielle Entlohnungen zu erwarten, schätzte ich, daß der Vierteldollar für ihn weit über hunderttausend Zakinis wert sein mußte, weswegen er anschließend ganz zahm eingestand, daß meine Belange dann doch wichtiger seien als die seinen. Wie ich immer sage, setzt sich die Macht der Vernunft letztlich eben immer durch.
Ich umriß Ishtars Problem, und Azazel sagte: »Ausnahmsweise mal ein zumutbares Problem, das du da für mich hast.«
»Natürlich«, entgegnete ich. Wie du weißt, bin ich kein unmäßiger Mensch. Ich wünsche mir lediglich auf meine eigene Weise Bestätigung.
»Ja«, fuhr Azazel fort. »Deine erbärmliche Spezies kann Alkohol nicht wirksam umwandeln, weswegen sich zugeführte Produkte im Blutkreislauf ansammeln und all die diversen unerwünschten Symptome hervorrufen, die gemeinhin mit Intoxikation assoziiert werden - einem Wort, das, wie mir meine Studien eurer Wörterbücher verraten, treffend aus dem Griechischen abgeleitet wurde und so viel bedeutet wie >Gift im Innern«.«
Ich grinste höhnisch. Wie du weißt, mischen die modernen Griechen ihren Wein mit Harz, während die alten Griechen ihren mit Wasser verdünnten. Kein Wunder, daß sie von >Gift im Innern« sprachen, wenn sie ihren Wein selbst vergifteten, bevor sie ihn überhaupt tranken.
»Es wird notwendig sein«, fuhr Azazel fort, »ihre Enzyme entsprechend einzustellen, so daß sie den Alkohol rasch und unfehlbar abbauen und bis zur Stufe einfacher Kohlenstoffverbindungen umwandeln kann, welche die Bausteine für Fett, Kohlehydrate und Proteine sind, so daß sich keinerlei Anzeichen einer Intoxikation einstellen werden. So wird Alkohol zu nahrhafter Speise für sie werden.«
»Aber wir brauchen eine gewisse Intoxikation, Azazel; gerade genug, um eine gesunde Gleichgültigkeit gegenüber den närrischen Grundsätzen herbeizuführen, die sie auf dem Schoß ihrer Mutter gelernt hat.«
Er schien mich sofort zu verstehen. »Ach ja. Ich kenne Mütter. Ich weiß noch, wie meine dritte Mutter zu mir sagte: >Azazel, klatsche niemals vor einer jungen Malobe mit deinen Blinzelmembranen«, dabei kannst du doch nur so .«
Ich unterbrach ihn von neuem. »Kannst du nicht eine klitzekleine Anhäufung des Zugeführten zulassen, um ein winziges bißchen Heiterkeit zu bewirken?«
»Kein Problem«, antwortete Azazel und streichelte in einem unschönen Anflug von Gier den Vierteldollar, den ich ihm gegeben hatte, und der, auf die Kante gestellt, höher war als er selbst.
Erst eine Woche später konnte ich Ishtar auf die Probe stellen. Es begab sich in einer Hotelbar im Stadtzentrum, wo sie mit ihrer strahlenden Erscheinung mehrere Stammgäste zum Aufsetzen von Sonnenbrillen und starren Blicken animierte.
Sie kicherte. »Was tun wir hier? Du weißt doch, daß ich nichts trinken kann.«
»Dies hier ist kein Drink, liebes Mädchen, kein Drink jedenfalls. Es Ist ein Pfefferminz-Shake. Du wirst ihn mögen.« Ich hatte bereits alles vorbereitet und einen Grasshopper für sie bestellt.
Sie nippte geziert daran und sagte: »Oh, der ist gut.« Dann lehnte sie sich zurück und kippte sich das Glas hemmungslos die Kehle hinunter. Sie leckte sich mit der Spitze ihrer bezaubernden Zunge über die ebenfalls bezaubernden Lippen und fragte: »Kann ich noch einen haben?«
»Aber natürlich«, sagte ich freundlich. »Das heißt, du könntest noch einen bekommen, hätte ich nicht dummerweise meinen Geldbeutel daheim liegengelassen .«
»Oh, ich werde zahlen. Ich habe massig Geld.«
Ich sage immer: Eine wunderbare Frau ist am großartigsten, wenn sie sich bückt, um ihr Portemonnaie aus der Tasche zwischen ihre Füßen zu holen.
Unter den gegebenen Umständen tranken wir haltlos. Sie zumindest. Sie nahm einen weiteren Grasshopper, danach einen Wodka, einen doppelten Whiskey mit Soda sowie einige weitere Getränke. Als alles ausgetrunken war, zeigte sie keinerlei Anzeichen eines Rausches, wenngleich ihr liebreizendes Lächeln berauschender war als alles, was sie gebechert hatte. Sie sagte: »Ich fühle mich so gut und warm und so bereit, wenn du verstehst, was ich meine?«
Ich glaubte, daß ich das sehr wohl tat, dennoch vermied ich voreilige Rückschlüsse. »Ich glaube nicht, daß deiner Mutter das behagen würde.« (Test, Test.)
»Was weiß meine Mutter denn davon?« erwiderte sie. »Nichts.« Sie blickte mich abwägend an, dann lehnte sie sich nach vorne und hob meine Hand an ihre vollkommenen Lippen. »Wohin können wir gehen?« hauchte sie.
Nun, mein Freund, ich denke, du kennst meine Einstellung zu solchen Dingen. Ich widerspreche üblicherweise keiner Dame, die mich mit sehnsuchtsvoller Höflichkeit um eine simple Gefälligkeit bittet. Ich bin als Gentleman erzogen worden. In diesem Fall jedoch kamen mir diverse Bedenken.
Zunächst einmal habe ich, auch wenn dir dies wahrscheinlich kaum auffallen würde, meine besten Tage ein kleines bißchen - eine Winzigkeit - hinter mir gelassen, und eine so junge und starke Frau wie Ishtar zufriedenzustellen, würde fraglos eine ganze Weile brauchen, wenn du verstehst, was ich meine. Außerdem könnten die Konsequenzen unbequem ausfallen, wenn sie sich im Nachhinein an das Geschehene erinnern und es bereuen oder gar denken sollte, ich hätte sie ausgenutzt. Sie war ein impulsives Wesen und mochte mir eine Handvoll Knochen brechen, bevor ich auch nur die Zeit hätte, alles zu erklären.
Folglich schlug ich vor, zu meiner Wohnung zu laufen, und wählte den langen Weg. Die frische Abendluft kühlte die milde Wärme in ihrem Kopf ab, und ich war in Sicherheit.
Andere waren das nicht. Mehr als einmal kam ein junger Mann zu mir, um mir von Ishtar zu erzählen, da, wie du weißt, etwas an der gütigen Würde meines Betragens Vertrauensseligkeit weckt. Leider geschah dies nie in einer Bar, denn es schien, als mieden die in Rede stehenden Männer Bars, zumindest für eine gewisse Zeit. Für gewöhnlich hatten sie nämlich versucht, es Ishtar Drink für Drink gleichzutun - mit unglücklichen Folgen.
»Ich bin mir absolut sicher«, sagte einer von ihnen, »daß sie einen verborgenen Schlauch hatte, der von ihrem Mundwinkel bis hinunter zu einem Faß unter dem Tisch führte, aber ich konnte ihn nicht entdecken. Doch wenn du glaubst, das sei schon außergewöhnlich gewesen, hättest du erst mal später dabei sein müssen.«