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Der arme Bursche war ausgemergelt von den Schrecknissen seiner Erfahrung. Er versuchte, mir davon zu erzählen, aber es war recht unzusammenhängend. »Diese Ansprüche«, murmelte er immer und immer wieder. »Unersättlich! Unersättlich!«

Ich war froh, daß ich hellsichtig genug gewesen war, etwas zu vermeiden, was Männer in ihren besten Jahren nur mit Mühe überlebt hatten.

In dieser Zeit sah ich Ishtar kaum, wenn du verstehst. Sie war sehr beschäftigt - soweit ich es mitbekam, verbrauchte sie den Vorrat heiratsfähiger Männer in beängstigendem Tempo. Früher oder später würde sie ihren Einflußbereich erweitern müssen. Es geschah früher.

Eines Morgens begegnete sie mir, als sie gerade auf dem Weg zum Flughafen war. Sie stand besser im Saft als je zuvor, pneumatischer, noch aufsehenerregender in allen möglichen Ausmaßen. Nichts von dem, was sie durchgemacht hatte, schien Einfluß auf sie genommen zu haben, außer in positivem Sinne.

Sie zog eine kleine Flasche aus ihrer Handtasche. »Rum«, erklärte sie. »Das trinken sie unten in der Karibik, es ist ein sehr mildes und sehr angenehmes Getränk.«

»Fliegst du denn in die Karibik, meine Liebe?«

»Oh ja, und auch an andere Orte. Die Männer daheim scheinen von ärmlicher Ausdauer und schwachem Geist zu sein. Ich bin sehr enttäuscht von ihnen, obwohl es abenteuerliche Momente gab. Ich bin dir sehr dankbar, George, daß du das möglich gemacht hast. Alles scheint begonnen zu haben, als du mich zum ersten Mal mit diesem Pfefferminz-Shake bekanntmachtest. Es ist eine Schande, daß wir beide nicht auch .«

»Unsinn, mein liebes Kind. Ich diene der Menschheit, wie du weißt. An mich selbst denke ich dabei nie.«

Sie hauchte mir einen Kuß auf die Wange, der brannte wie Schwefelsäure, und war fort. Mit einiger Erleichterung strich ich mir über die Braue, schmeichelte mir jedoch auch damit, daß meine Beschwörung Azazels wenigstens einmal glücklich ausgegangen war, denn Ishtar, die als Erbin unabhängig und wohlhabend war, konnte nun ohne Einschränkung oder Schaden ihrer Neigung zur naiven Verehrung alkoholischer und männlicher Freuden nachkommen.

Zumindest dachte ich das.

Erst als bereits über ein Jahr verstrichen war, hörte ich wieder von ihr. Sie war zurück in der Stadt und rief mich an. Es dauerte eine Weile, bis ich begriff, wer sie war. Sie war hysterisch.

»Mein Leben ist vorbei«, schrie sie mich an. »Nicht einmal meine Mutter liebt mich mehr. Ich verstehe nicht, wie das passieren konnte, aber ich bin sicher, daß du schuld daran bist. Hättest du mir nicht diesen Pfefferminz-Shake aufgedrängt, wäre nichts dergleichen je passiert, das weiß ich genau.«

»Aber was ist denn geschehen, meine Liebe?« wollte ich zitternd wissen. Eine Ishtar, die mir grollte, war keine Ishtar, der man sich noch gefahrlos nähern konnte.

»Komm her. Dann zeige ich es dir.«

Meine Neugier wird eines Tages noch mein Untergang sein. Bei diesem Anlaß war sie es beinahe. Denn ich konnte nicht widerstehen, zu ihrer Villa am Stadtrand hinauszugehen. In weiser Voraussicht ließ ich die Vordertür hinter mir offen. Als sie mit einem Schlachtermesser in der Hand auf mich zukam, drehte ich mich um und floh mit einem Tempo, auf das ich in jungen Jahren stolz gewesen wäre. Glücklicherweise war sie angesichts ihres Zustandes nicht in der Lage, mir zu folgen.

Kurz darauf reiste sie wieder ab, und soweit ich weiß, ist sie seitdem nicht zurückgekommen. Ich lebe in der Furcht, daß das eines Tages geschehen könnte. Die Ishtar Mistiks dieser Welt vergessen nicht.

George schien der Ansicht, das Ende seiner Erzählung erreicht zu haben.

»Aber was war geschehen?« wollte ich wissen.

»Verstehst du es denn nicht? Die Funktionen ihres Körpers waren so eingestellt worden, daß er den Alkohol höchst effektiv in einfache Kohlenstoffverbindungen umwandelte, die Bausteine für Fett, Kohlehydrate und Proteine waren. Alkohol war ihr eine nahrhafte Speise geworden. Und sie soff wie ein mannsgroßer Schwamm -unglaublich. Alles davon rutschte die Stoffwechselkette hinunter, bis es zu den Grundbausteinen wurde, und dann wieder hinauf, bis es Fett war. In einem Wort, sie war korpulent geworden. Oder in zwei Worten: ungeheuerlich fett. All ihre prächtige Schönheit hatte sich ausgedehnt und war zu Lagen über Lagen Speck explodiert.«

George schüttelte in einer Mischung aus Schrecken und Bedauern den Kopf. »Das Übel, das Alkohol anrichten kann, läßt sich nur schwer ermessen«, sagte er.

Zeit zum Schreiben

»Ich kannte mal jemanden, der dir ein wenig ähnlich war«, sagte George.

Wir hatten in dem kleinen Restaurant, in dem wir zu Mittag aßen, einen Platz am Fenster erhalten, und George blickte nachdenklich hinaus.

»Das wundert mich«, sagte ich. »Ich habe mich immer für einmalig gehalten.«

»Das bist du auch«, erwiderte George. »Der Mann, von dem ich spreche, war dir nur ein wenig ähnlich. Die Fähigkeit, in einem fort zu kritzeln und dabei dein Gehirn vollkommen abzuschalten, macht dir so leicht keiner nach.«

»Eigentlich«, sagte ich, »benutze ich einen Computer.«

»Wie jeder wahre Schriftsteller erkennen würde«, sagte George herablassend, »habe ich das Wort >kritzeln< im metaphorischen Sinne gebraucht.« Dann hielt er über seiner Schokoladencreme inne und seufzte theatralisch.

Ich wußte, was das zu bedeuten hatte. »Jetzt wirst du mir gleich wieder eine deiner Spinnereien über Azazel auftischen, nicht wahr, George?«

Er warf mir einen spöttischen Blick zu. »Du spinnst selbst schon so lange und lahm vor dich hin, daß du die Wahrheit nicht erkennen würdest, selbst wenn sie sich direkt vor deiner Nase befände. Aber lassen wir das. Die Geschichte ist ohnehin zu traurig, um sie dir zu erzählen.«

»Weshalb du es trotzdem tun wirst, nicht wahr?«

George seufzte noch einmal.

Diese Bushaltestelle dort drüben [sagte George] hat mich an Mordecai Sims erinnert. Er verdiente sich seinen bescheidenen Lebensunterhalt damit, endlose Bände von allem möglichen Schund zu produzieren. Natürlich nicht ganz soviel wie du und bei weitem nicht so abgeschmackt -Weshalb er dir auch nur ein wenig ähnlich ist. Aus Freundschaft zu ihm habe ich hin und wieder etwas von seinen Sachen gelesen und fand sie gar nicht so übel. Ohne dich beleidigen zu wollen, aber sein Niveau hast du nie erreicht - zumindest was man so hört, denn bisher bin ich noch nicht so tief gesunken, selbst eines deiner Bücher zu lesen.

Mordecai unterschied sich auch noch in anderer Hinsicht von dir: Er war furchtbar ungeduldig. Wirf einen Blick in den Spiegel dort drüben - vorausgesetzt, du hast nichts dagegen, an dein Äußeres erinnert zu werden - und schau, wie zwanglos du hier sitzt, einen Arm über die Stuhllehne gelegt und den ganzen Körper lässig hingefläzt. Wenn man dich so ansieht, würde man niemals glauben, daß es dich in irgendeiner Weise kümmert, ob du dein tägliches Pensum an willkürlich beschriebenem Papier schaffst oder nicht.

Mordecai war da ganz anders. Er war sich seiner Abgabetermine stets bewußt - und drohte sie ständig zu überschreiten.

Damals habe ich jeden Dienstag mit ihm zu Mittag gegessen, und er ist mir mit seinem Gerede auf die Nerven gegangen. »Ich muß diesen Text spätestens morgen früh auf die Post bringen«, sagte er immer, »und einen anderen muß ich vorher noch etwas überarbeiten, und ich habe einfach keine Zeit dazu. Wo zum Teufel bleibt die Rechnung? Warum kommt der Kellner nicht? Was machen die da eigentlich in der Küche? Veranstalten die ein Wettschwimmen in der Soße?«

Was die Rechnung betraf, war er stets besonders ungeduldig, und ich fürchtete immer, er würde einfach davonstürzen und es mir überlassen, mich auf irgendeine Weise vorm Bezahlen zu drücken. Ich möchte betonen, daß dies nie geschehen ist, aber die Angst davor verdarb mir oft die Lust am Essen.