Zugegebenermaßen war seine Begeisterung sofort verflogen. »Ich hatte gedacht«, sagte er in seiner piepsigen Stimme mit dem merkwürdigen Akzent, »daß du um etwas Vernünftiges bitten würdest - etwa, daß ich allein mit der Kraft meines Geistes dieses häßliche Bild dort an der Wand geraderücke.« Das Bild bewegte sich, noch während er sprach, und neigte sich nun in die andere Richtung.
»Ja, aber warum sollte ich dich darum bitten, meine Bilder geradezurücken?« sagte ich. »Es kostet mich viel Mühe, sie in genau dem richtigen schiefen Winkel aufzuhängen. Es liegt mir dagegen viel daran, daß du Sophokles Moskowitz mit einer Reiselust erfüllst, die ihn ständig auf Wanderschaft gehen läßt, falls nötig sogar ohne seine Frau.« Den letzten Satz fügte ich hinzu, weil mir eingefallen war, daß es durchaus von Vorteil sein könnte, wenn Sophokles seine Frau hin und wieder allein in der Stadt zurückließe.
Azazel sagte: »Das ist nicht leicht. Eine tief verwurzelte Abneigung gegen das Reisen kann möglicherweise auf bestimmte Kindheitserinnerungen zurückgehen, die das Gehirn deformiert haben. Es würde die fortgeschrittenste Geistestechnik erfordern, um das zu beheben. Ich sage nicht, daß es unmöglich ist, denn der primitive menschliche Geist ist nicht so leicht zu beschädigen. Du müßtest mir allerdings die betreffende Person einmal zeigen, damit ich ihren Geist eingehend untersuchen kann.«
Nichts leichter als das. Ich bat Fifi, mich als einen alten Freund aus Collegezeiten zum Abendessen einzuladen.
(Sie hatte vor einigen Jahren ein wenig Zeit auf dem Campus eines Colleges verbracht, obwohl ich glaube, daß sie nie eine Vorlesung besucht hat. Außeruniversitäre Aktivitäten sagten ihr mehr zu.)
Ich nahm Azazel in meiner Jackentasche mit und vernahm hin und wieder, wie er leise quieksend komplizierte mathematische Formeln vor sich hin murmelte. Ich nahm an, daß er Sophokles Moskowitz Geist analysierte, und das war eine beeindruckende Leistung, denn ich mußte mich nur kurz mit ihm unterhalten, um festzustellen, daß es da nicht viel Raum für eine Analyse gab.
Als wir wieder zu Hause angekommen waren, fragte ich Azazeclass="underline" »Und?«
Er wedelte mit seinem schuppigen kleinen Arm und sagte: »Kein Problem. Du hast nicht zufällig ein mehrphasiges, mentodynamisches Synaptometer zur Hand?«
»Leider nein«, erwiderte ich. »Ich habe es gestern einem Freund geliehen, der sich gerade auf dem Weg nach Australien befindet.«
»Wie dumm von dir«, schimpfte Azazel. »Das heißt, daß ich meine Berechnungen im Kopf anstellen muß.«
Auch nachdem er die Aufgabe (wie er behauptete) erfolgreich gelöst hatte, verbesserte sich seine Laune nicht.
»Es war nahezu unmöglich«, sagte er. »Nur jemand von meinen überragenden Fertigkeiten hätte das vollbringen können. Ich mußte seinen Geist mit riesigen Nägeln in der derzeitigen veränderten Form festklopfen.«
Ich nahm an, daß er das im metaphorischen Sinne meinte, und sagte ihm das auch.
Darauf erwiderte Azazeclass="underline" »Nun, man könnte es durchaus auch als riesige Nägel beschreiben. Niemand wird mehr in der Lage sein, ihn von seinem Vorhaben abzubringen. Er wird mit einer solchen Entschlossenheit reisen wollen, daß er notfalls Himmel und Hölle in Bewegung setzen würde, um sein Ziel zu erreichen. Ich werde es ihnen schon zeigen, diesen -«
Es folgte eine lange Kette von schrillen Silben in seiner Muttersprache. Natürlich verstand ich nicht, was er sagte, aber daß hinterher die Eiswürfel in meinem Kühlschrank im Nachbarzimmer geschmolzen waren, läßt darauf schließen, daß es alles andere als schmeichelhaft war. Es handelte sich dabei wohl um eine Tirade auf jene Wesen in seiner Heimatwelt, die ihm einen Mangel an Geschicklichkeit vorgeworfen hatten.
Etwa drei Tage später rief mich Fifi an. Am Telefon war sie bei weitem nicht so umwerfend, wie wenn man ihr direkt gegenübersaß - aus offensichtlichen Gründen, die dir mit deiner angeborenen Unfähigkeit, die schönen Dinge des Lebens wahrzunehmen, vermutlich entgehen würden. Weißt du, eine leichte Härte in ihrer Stimme fällt einem eher auf, wenn man nicht durch weichere Formen an anderer Stelle abgelenkt wird.
»George«, sagte sie kichernd, »du mußt zaubern können. Ich weiß nicht, was du bei diesem Essen gemacht hast, aber es hat funktioniert. Sophokles fährt mit mir nach Paris. Er ist von selbst daraufgekommen und ist ganz aufgeregt. Ist das nicht toll?«
»Aber ja«, sagte ich mit verständlichem Enthusiasmus. »Das ist einfach phantastisch! Dann können wir jetzt das kleine Versprechen einlösen, das du mir gegeben hast. Laß uns noch einmal nach Asbury Park fahren und phantastisch einen draufmachen.«
Selbst dir dürfte schon aufgefallen sein, daß Frauen eine Abmachung keineswegs für bindend erachten. In dieser Hinsicht unterscheiden sie sich vollkommen von Männern. Sie verstehen nicht, wie wichtig es ist, ein einmal gegebenes Wort zu halten. Sie besitzen einfach kein Ehrgefühl.
Sie sagte: »Wir fahren schon morgen, George, ich habe also im Moment keine Zeit. Ich rufe dich an, wenn ich zurückkomme.«
Ohne ein weiteres Wort legte sie auf. Diese Frau hatte vierundzwanzig Stunden zu ihrer Verfügung, und ich hätte kaum die Hälfte davon in Anspruch genommen - aber sie fuhr einfach los.
Ich hörte tatsächlich von ihr, als sie zurückkehrte, doch das war sechs Monate später.
Sie riet mich erneut an, und im ersten Augenblick erkannte ich ihre Stimme nicht wieder. Sie klang irgendwie mitgenommen und erschöpft.
»Mit wem spreche ich bitte?« fragte ich in meinem üblichen würdevollen Tonfall.
Sie sagte matt: »Hier ist Fifi Laverne Moskowitz.«
»Bumm-Bumm«, rief ich. »Du bist wieder da! Wie wundervoll! Komm gleich zu mir rüber und laß uns -«
Sie sagte: »George, vergiß es! Wenn du derjenige bist, der ihn verhext hat, dann bist du ein jämmerlicher Idiot, und ich würde nicht mit dir nach Asbury Park fahren, selbst wenn du dich auf den Kopf stellen würdest.«
Ich war überrascht. »Ist Sophokles nicht mit dir nach Paris gefahren?«
»Doch. Jetzt trag mich, ob ich meine Einkaufstour machen konnte.«
Ich tat ihr den Gefallen. »Und, konntest du deine Einkaufstour machen?«
»Na, von wegen! Ich konnte nicht einmal damit anfangen. Sophokles hat einfach nicht angehalten!« Ihre Stimme verlor ihre Müdigkeit, und mit dem Aufwallen ihrer Gefühle steigerte sie sich zu einem Kreischen.
»Als wir Paris erreicht hatten, ist er einfach weitergefahren. Er hat mir ein paar Sehenswürdigkeiten gezeigt, während wir mit Höchstgeschwindigkeit daran vorbeirasten. >Dort ist der Eiffelturms sagte er und wies auf irgendein dummes Gebäude, an dem noch gebaut wurde. >Das dort ist Nötre Dame«, sagte er. Er wußte nicht einmal, wovon er sprach. Zwei Footballspieler haben mich einmal ins Nötre Dame hineingeschmuggelt, und das liegt nicht in Paris. Es liegt in South Bend, Indiana. Aber wen kümmert das? Wir fuhren weiter nach Frankfurt und Bern und Florenz, das diese dummen Ausländer Firenze nennen. Gibt es einen Ort namens Trist?«
»Du meinst sicher Triest«, erwiderte ich.
»Dann sind wir auch dort gewesen. Und wir haben nie in Hotels übernachtet, sondern in alten Bauernhöfen. Sophokles meint, daß das die richtige Art zu reisen sei.
Man sieht dann mehr von Land und Leuten, sagt er. Wer will Land und Leute sehen? Was wir nie zu Gesicht bekommen haben, war eine Dusche. Oder eine Toilette. Nach einer Weile fängt man an, unangenehm zu riechen. Und ich hatte ständig irgendwelches Zeug in den Haaren. Ich habe gerade fünfmal geduscht, und fühle mich immer noch schmutzig.«
»Komm doch zu mir rüber und dusche noch fünfmal«, bat ich sie so ruhig wie möglich, »und dann fahren wir nach Asbury Park.«
Sie schien mich nicht gehört zu haben. Erstaunlich, wie taub Frauen einfacher Vernunft gegenüber sein können. Sie sagte: »Nächste Woche fährt er wieder los. Er sagt, er will den Pazifik überqueren und Hongkong besuchen. Er fährt mit einem Ölfrachter. Das ist die Art, wie man den Ozean erleben sollte, säst er. Und ich sage zu ihm: >Hör zu, du hirnverbrannter Spinner, du bekommst mich nicht auf ein langsames Boot nach China, damit du mich ganz für dich alleine hast.<«