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»Es sei denn, was?« fragte ich.

Vissarion schien sich zu sammeln. »Ich muß ganz von vorn anfangen. Der Klub der Fallenden Profitrate wurde vor zweiundsechzig Jahren gegründet. Seinen Namen verdankt er dem Gesetz der fallenden Profitrate - ein Gesetz, von dem jeder Wirtschaftswissenschaftler, egal wie schlecht seine Ausbildung sein mag, schon einmal gehört haben muß. Der erste Präsident des Klubs - ein beliebter Mann, der im November 1929 vorausgesagt hatte, daß dem Aktienmarkt ein ernster Einbruch drohte - wurde Jahr um Jahr wiedergewählt. Zweiunddreißig Jahre lang war er Präsident des Klubs, bis er im würdigen Alter von sechsundneunzig Jahren starb.«

»Wie lobenswert«, sagte ich. »Die meisten Menschen geben viel zu früh auf. Dabei gehört nur Mut und Entschlossenheit dazu, bis sechsundneunzig oder noch länger durchzuhalten.«

»Unser zweiter Vorsitzender war beinahe genauso erfolgreich - er hatte den Posten sechzehn Jahre lang inne. Er war der einzige, der nicht zum Obersten Wirtschaftswissenschaftler ernannt wurde. Er hatte die Stellung verdient und wurde einen Tag vor der Wahl von Thomas E. Dewey ins Amt berufen, aber es hat wohl nicht sein sollen ... Unser dritter Vorsitzender starb, nachdem er den Posten acht Jahre lang innehatte, und der vierte starb nach vier Jahren. Unser fünfter und letzter Vorsitzender, der gerade gestorben ist, war zwei Jahre lang im Amt gewesen. Kommt dir daran irgend etwas merkwürdig vor, George?«

»Merkwürdig? Sind sie alle eines natürlichen Todes gestorben?«

»Sicher.«

»Nun, das ist in Anbetracht ihres Amtes tatsächlich merkwürdig.«

»Unsinn«, sagte Vissarion scharf. »Schau dir doch einmal die Zeitspannen an, die jeder dieser Vorsitzende im Amt gewesen ist: zweiunddreißig Jahre, sechzehn, acht, vier und zwei.«

Ich dachte einen Augenblick nach. »Die Anzahl der Jahre scheint sich zu verringern.«

»Sie verringert sich nicht einfach nur. Jede ist genau die Hälfte der vorhergehenden. - Glaub mir, ich habe das von einem Physiker überprüfen lassen.«

»Weißt du, ich denke, du hast recht. Ist das schon jemand anderem aufgefallen?«

»Sicher«, sagte Vissarion. »Ich habe diese Zahlen den anderen Klubmitgliedern vorgelegt, und sie waren der Meinung, daß sie keine statistische Relevanz besitzen. Es sei denn, der Präsident gibt eine öffentliche Erklärung heraus, die das Gegenteil besagt. Aber begreifst du nicht, was das alles bedeutet? Wenn ich die Stelle des Vorsitzenden annehme, werde ich in einem Jahr sterben. Das steht fest. Und wenn ich tot bin, wird mich der Präsident nur schwer in das Amt des Obersten Wirtschaftswissenschaftlers berufen können.«

Ich sagte: »Ja, Vissarion, da steckst du in einer Zwickmühle. Ich habe schon einige Regierungsbeamte kennengelernt, hinter deren Stirn kein Lebenszeichen mehr auszumachen war, aber noch keinen, der überhaupt kein Lebenszeichen mehr gezeigt hätte. Laß mich einen Tag darüber nachdenken, mein Freund.«

Wir verabredeten uns für den nächsten Tag zur selben Zeit am selben Ort. Schließlich war das Restaurant ausgezeichnet, und im Gegensatz zu dir, mein alter Freund, mißgönnte mir Vissarion meinen Brotkanten nicht.

Also gut, er mißgönnte mir auch keine Garnelen.

Ganz offensichtlich war das ein Fall für Azazel, und ich sah allen Grund dazu, meinen zwei Zentimeter großen Dämon mit seinen überirdischen Kräften zu Rate zu ziehen.

Schließlich war Vissarion nicht nur ein netter Mensch mit einem guten Gastronomiegeschmack, sondern ich war außerdem davon überzeugt, daß er unserem Land einen großen Dienst erweisen würde, indem er die Ideen des Präsidenten gegenüber den Einwänden von Menschen mit überlegener Urteilskraft verteidigte. Die hatte schließlich niemand gewählt, nicht wahr?

Azazel war nicht sonderlich erbaut darüber, daß ich ihn gerufen hatte. Als er mich erblickte, ließ er alles fallen, was er gerade in Händen hielt. Es war zu klein, als daß ich genau hätte erkennen können, worum es sich dabei handelte, aber es schienen seltsam geformte kleine Pappquadrate zu sein.

»Da hast du's!« schrie er. Sein winziges Gesicht verzog sich und wurde vor Wut tiefgelb. Sein kleiner Schwanz peitschte wild, und die Hörnchen auf seiner Stirn zitterten.

»Du abscheulicher, unfähiger Trottel!« kreischte er. »Ist dir klar, daß ich gerade einen Zotchil hatte? Und nicht nur einen Zotchil, nein, auch noch einen mit dem höchsten Kumin und ein paar Rallen dazu! Die anderen haben mich hochgereizt, und ich hätte einfach nicht verlieren können. Ich hätte jeden Halb-Bletschken auf dem Tisch abgeräumt.«

Ich entgegnete in ernstem Tonfalclass="underline" »Ich weiß nicht, wovon du sprichst, aber es klingt, als hättest du gerade Karten gespielt. Nennst du das etwa ein würdevolles und zivilisiertes Verhalten? Was würde deine Mutter sagen, wenn sie wüßte, daß du deine Zeit damit verbringst, mit ein paar Rumtreibern Karten zu spielen?«

Azazel schien überrascht zu sein. Dann brummte er: »Du hast recht. Meine Mütter wären untröstlich. Alle drei. Besonders meine arme mittlere Mutter, die so viel für mich getan hat.« Er brach in ein spitzes Heulen aus, das mir in den Ohren weh tat.

»Na, na«, sagte ich beruhigend. Am liebsten hätte ich mir die Finger in die Ohren gesteckt, aber damit hätte ich ihn sicher beleidigt. »Du kannst alles wiedergutmachen, indem du einem ehrenwerten Wesen dieser Welt deine Hilfe zuteil werden läßt.«

Ich erzählte ihm die Geschichte von Vissarion Johnson.

»Hmm«, brummte Azazel.

»Was soll das bedeuten?« fragte ich besorgt.

»Das bedeutet: >hmm<«, gab Azazel zurück. »Was sollte es wohl sonst bedeuten?«

»Ja, aber glaubst du, alles ist nur Zufall und Vissarion muß sich keine Gedanken machen?«

»Möglicherweise - nur daß es eben kein Zufall sein kann und sich Vissarion durchaus Gedanken machen sollte. Es muß ein Naturgesetz dahinterstecken.«

»Was für ein Naturgesetz sollte das denn sein?«

»Glaubst du etwa, ihr kennt alle Naturgesetze?«

»Nun, sicher nicht!«

»Natürlich nicht. Unser größter Dichter, Tschiefpriehst, hat darüber einmal einen wunderschönen Zweizeiler geschrieben, den ich mit meinen hervorragenden dichterischen Fähigkeiten in eure barbarische Sprache übersetzen wilclass="underline"

Alle Natur ist Kunst, die ihr nicht versteht,

Aller Zufall Wege, die ihr noch nicht geht.«

Ich fragte argwöhnisch: »Was soll das bedeuten?«

»Das bedeutet, daß ein Naturgesetz dahintersteckt - wir müssen nur herausfinden, welches und wie wir es nutzen können, um die Ereignisse in unserem Sinne zu beeinflussen. Das bedeutet es. Denkst du etwa, daß einer der größten Dichter meines Volkes lügen würde?«

»Und, kannst du mir nun helfen?«

»Möglicherweise. Es gibt eine ganze Menge Naturgesetze, weißt du.«

»Tatsächlich?«

»Oh, ja. Ich kenne da ein recht hübsches Naturgesetz -eine verdammt schöne Gleichung, wenn man sie mit einem Weinbaum-Tensor in Verbindung setzt -, das die Temperatur einer Suppe bestimmt, in Abhängigkeit von der Geschwindigkeit, mit der man sie aufessen muß. Diese merkwürdige Verringerung der Amtszeit eines Vorsitzenden könnte möglicherweise derselben Gesetzmäßigkeit unterliegen. Wenn dem so ist, könnte ich das Wesen deines Freundes so verändern, daß er gegen jeden schädlichen irdischen Einfluß immun ist. Natürlich wäre er weiterhin dem Prozeß des körperlichen Verfalls unterworfen. Die Maßnahmen, die mir vorschweben, würden ihn nicht unsterblich machen, aber er würde nicht an einer Krankheit oder durch einen Unfall sterben. Ich denke, das würde ihm entgegenkommen.«

»Mit Sicherheit. Aber bis wann ließe sich das bewerkstelligen?«

»Ich bin mir nicht ganz sicher. Im Augenblick bin ich sehr beschäftigt - eine junge Frau meiner Spezies hat sich ziemlich in mich vernarrt, die Ärmste.« Er gähnte, und seine kleine gespaltene Zunge rollte sich ein und streckte sich dann wieder. »Ich leide ein wenig unter Schlafmangel, aber in zwei oder drei Tagen sollte es erledigt sein.«