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»Ich werde ihm erklären, daß ich ein Trinkgeld für den Schuhputzer brauchte und der Regierungsscheck über einhundert Millionen Dollar zufällig in der Portokasse lag«, sagte der Unternehmer.

Welchen Fall Vandevater auch übernahm, stets kam der Verdächtige wieder auf freien Fuß. Er hatte so etwas wie ein >entlastendes Händchen< - ein Ausdruck, den einer meiner literarischen Freunde einmal für ihn geprägt hat. (Natürlich kannst du dich daran nicht erinnern - ich spreche auch nicht von dir. Würde ich dich etwa als >literarisch< bezeichnen?)

Die Monate gingen dahin, und die Anzahl der Fälle, die vor Gericht kamen, verringerte sich immer mehr. Unzählige reumütige Einbrecher, Straßenräuber und Schwerverbrecher kehrten mit makellos reiner Weste zu ihren Freunden und Verwandten zurück.

New Yorks Elite hatte natürlich bald herausgefunden, was sich da abspielte und was die Ursache des Ganzen war. Vandevater arbeitete bereits seit zweieinhalb Jahren bei der Polizei, als ihm auffiel, daß man ihm nicht mehr mit der üblichen Kameradschaft begegnete und seine Vorgesetzten ihn mit einem nachdenklichen Blick begrüßten. Eine Beförderung war nicht in Sicht, obwohl Vandevater -wann immer es ihm passend erschien - seinen Onkel, den Bürgermeister erwähnte.

Er wandte sich an mich, wie es junge Männer in Not häufig tun, um in der Weisheit eines Mannes von Welt Zuflucht zu suchen. (Ich weiß nicht, was du damit meinst, mein Freund, ob ich dir einen solchen Mann empfehlen könnte. Bitte unterbrich mich nicht mit deinen unpassenden Einwürfen.)

»Onkel George«, sagte er, »ich glaube, ich stecke in Schwierigkeiten.« (Er nannte mich immer Onkel George, weil ihn die Würde und Eleganz meines wohlfrisierten weißen Haars so sehr beeindruckten. Kein Vergleich zu deinen ungepflegten Koteletten.)

»Onkel George«, sagte er, »ich verstehe nicht, warum ich noch nicht befördert wurde. Ich gelte immer noch als Berufsanfänger auf der untersten Stute. Mein Büro liegt in der Mitte des Flurs, und mein Toilettenschlüssel paßt nicht. Mich selbst würde das natürlich nicht weiter stören, aber meine liebste Minerva ist in ihrer Unschuld auf die Idee gekommen, daß ich möglicherweise ein Versager bin, und dieser Gedanke bricht ihr das Herz. >Ich will keinen Versager heiraten<, sagt sie und zieht einen Schmollmund. >Man wird mich auslachen.««

»Hast du irgendeine Erklärung für diese Schwierigkeiten, mein Junge?« fragte ich.

»Nein, ich habe nicht die geringste Ahnung. Zugegeben, ich habe bisher noch nicht einen Fall gelöst, aber ich glaube nicht, daß es daran liegt. Schließlich kann man nicht alle Fälle lösen, nicht wahr?«

»Lösen die anderen Kriminalbeamten denn wenigstens den einen oder anderen Fall?« fragte ich.

»Hin und wieder schon. Aber die Art und Weise, wie sie dabei vorgehen, erschüttert mich zutiefst. Sie sind immer so furchtbar mißtrauisch und skeptisch, starren einen Verdächtigen so herablassend an und sagen dann: >Ach, ja?< oder >Das sagen Sie!<. Das ist einfach erniedrigend. Als Amerikaner tut man so etwas nicht.«

»Könnte es sein, daß der Verdächtige lügt und sie einen Grund haben, ihm mit Skepsis zu begegnen?«

Vandevater grübelte einen Augenblick nach. »Das ist durchaus möglich. Was für eine entsetzliche Vorstellung!«

»Nun gut«, sagte ich, »laß mich ein wenig darüber nachdenken.«

Noch am selben Abend rief ich Azazel herbei, den zwei Zentimeter großen Dämon, der mir hin und wieder mit seinen rätselhaften Kräften zur Seite steht. Ich weiß nicht, ob ich dir schon von ihm erzählt habe, aber - Ach, habe ich das tatsächlich?

Nun, er erschien in dem kleinen Elfenbeinkreis auf meinem Schreibtisch, vor dem ich meine besonderen Räucherstäbchen verbrenne und die uralten Beschwörungsformeln anstimme - aber die Einzelheiten sind geheim.

Er war in eine lange, wallende Robe gekleidet. Zumindest schien sie im Vergleich zu den zwei Zentimetern, die er von der Schwanzspitze bis zu den Hörnern maß, lang und wallend. Er hatte einen Arm erhoben und sprach mit seiner piepsigen Stimme irgendwelche Worte, während sein Schwanz hin und her zuckte.

Offensichtlich war er gerade mit etwas beschäftigt. Irgendwie scheint er immer mit irgend etwas Unwichtigem beschäftigt zu sein. Ich erwische ihn nie schlafend oder in entspannter Stimmung. Stets hat er gerade etwas zu tun und ist dann wütend, weil ich ihn dabei unterbrochen habe.

Diesmal ließ er jedoch den Arm sinken, als er mich bemerkte, und lächelte mich an. Zumindest glaube ich, daß er lächelte, denn seine Gesichtszüge sind schwer zu erkennen, und als ich einmal eine Lupe benutzen wollte, um ihn besser sehen zu können, war er zutiefst beleidigt.

Er sagte: »Was soll's - ein wenig Abwechslung wird mir guttun. Meine Rede beherrsche ich sehr gut, und der Erfolg ist mir sicher.«

»Wovon sprichst du, oh Mächtiger? Obwohl natürlich alle deine Taten von Erfolg gekrönt sind.« (Er scheint eine gewisse Vorliebe für solche Schmeicheleien zu hegen. In dieser Hinsicht ist er dir ziemlich ähnlich.)

»Ich bewerbe mich um ein öffentliches Amt«, sagte er zufrieden. »Ich möchte zum Grod-Fänger gewählt werden.«

»Darf ich in aller Bescheidenheit fragen, ob du mich Unwissenden darüber in Kenntnis setzen könntest, was ein Grod ist?«

»Nun, ein Grod ist ein kleines Haustier, das sich bei meinem Volk großer Beliebtheit erfreut. Manche dieser Tiere haben jedoch keine Lizenz, und die Aufgabe eines Grod-Fängers ist es, diese einzufangen. Grods sind winzige Wesen, die sich durch teuflische Gerissenheit und enorme Dickköpfigkeit auszeichnen. Ein Grod-Fänger muß also über große Macht und Intelligenz verfügen. Es gibt viele, die mit einem höhnischen Lachen behaupten: »Azazel wird nie im Leben zum Grod-Fänger gewählte Aber ich werde es ihnen schon zeigen. Also, was kann ich für dich tun?«

Ich erklärte ihm die Situation, und Azazel schien überrascht zu sein. »Willst du damit sagen, daß ihr auf dieser armseligen Welt nicht feststellen könnt, ob das, was jemand behauptet, der objektiven Wahrheit entspricht?«

»Wir verfügen über ein Gerät, das sich >Lügendetektor< nennt«, erwiderte ich. »Es mißt den Blutdruck, die elektrische Leitfähigkeit der Haut und dergleichen mehr.

Damit kann man feststellen, ob jemand lügt. Allerdings spricht das Gerät auch an, wenn jemand sehr nervös oder angespannt ist.«

»Natürlich. Aber verfügt nicht jede Spezies, die genug Intelligenz besitzt, um die Wahrheit zu verzerren, über eine ganz bestimmte Drüsenfunktion? Oder ist euch dieses Prinzip etwa unbekannt?«

Ich ging über seine Frage hinweg. »Gibt es irgendeine Möglichkeit, einen vollkommen unerfahrenen Kriminalbeamten mit der Fähigkeit auszustatten, diese Drüsenfunktion wahrzunehmen?«

»Ohne eine eurer primitiven Maschinen? Allein mit den Fähigkeiten seines Geistes?«

»Ja.«

»Dir ist klar, daß es sich hier um das Gehirn eines Vertreters deiner Spezies handelt? Es ist zwar groß, aber unendlich primitiv.«

»Vollkommen klar.«

»Nun gut, ich will es versuchen. Du mußt mich zu ihm bringen oder ihn hierher holen - oder mir auf irgendeine andere Weise die Möglichkeit geben, ihn zu untersuchen.«

»Sicher.«

Und so geschah es.

Etwa eine Woche später besuchte mich Vandevater, einen besorgten Ausdruck in seinem wohlgeformten Gesicht.

»Onkel George«, sagte er, »etwas Ungewöhnliches ist passiert. Ich habe einen jungen Mann vernommen, der ein Spirituosengeschäft überfallen hatte. Er erzählte mir in recht anrührenden Einzelheiten, wie er zufällig an dem Laden vorbeigekommen sei - in Gedanken bei seiner armen Mutter, die an Kopfschmerzen litt, nachdem sie eine halbe Flasche Gin getrunken hatte. Er habe den Laden betreten, um sich zu erkundigen, ob es ratsam sei, Gin zu trinken, wenn man zuvor eine vergleichbare Menge Rum konsumiert hatte. Da hätte ihm der Besitzer vollkommen unerwartet eine Pistole und den Inhalt seiner Registrierkasse in die Hand gedrückt. Der verwirrte und erstaunte junge Mann hätte beides angenommen, und just in diesem Augenblick sei ein Polizist in den Laden gekommen. Er sagte, er hätte geglaubt, das Geld sei als Entschädigung für die Schmerzen gedacht, die seine arme Mutter erlitten hatte. Als er mir all das erzählte, hatte ich plötzlich das merkwürdige Gefühl, daß er ... äh ... schwindelte.«