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Und so konsultierte ich Azazel. Er war durchaus hilfsbereit; keinen Unsinn, von wegen, daß er meine Seele wollte. Ich weiß noch, ich fragte Azazel einmal, ob er meine Seele wollte, und er wußte nicht mal, was das ist. Er fragte mich, was das bedeutet, und es stellte sich heraus, daß ich es auch nicht wußte. Es ist so, er ist in seinem eigenen Universum so ein kleiner Kerl, daß er sich höchst erfolgreich fühlt, wenn er in unserem etwas bewegen kann. Er hilft gern.

Er sagte, drei Stunden könnte er schaffen, und Mortenson sagte, das wäre perfekt, als ich ihm die Neuigkeit überbrachte. Wir entschieden uns für einen Abend, an dem sie Bach oder Händel oder einen dieser alten Zupfgeigenhansel singen wollte und ein langes und eindrucksvolles Solo hatte.

Mortenson ging an diesem Abend in die Kirche, und ich natürlich ebenso. Ich fühlte mich für die kommenden Ereignisse verantwortlich und fand es besser, die Situation im Auge zu behalten.

»Ich habe ihre Probe besucht«, sagte Mortenson düster. »Sie sang wie immer; du weißt schon, als hätte sie einen Schwanz, auf den gerade jemand getreten ist.«

So hatte er ihre Stimme früher nie beschrieben. Sphärenmusik, sagte er bei mehreren Anlässen, und danach wurde er zunehmend überschwenglich. Natürlich hatte sie ihm zwischenzeitlich den Laufpaß gegeben, das trübt das Urteilsvermögen eines Mannes.

Ich betrachtete ihn strengen Blickes. »So spricht man nicht von einer Frau, der man ein großes Geschenk macht.«

»Das ist es ja. Ich möchte, daß ihre Stimme makellos ist. Einfach makellos. Und jetzt - da die Liebe mich nicht mehr blind macht - erkenne ich, daß sie weit davon entfernt ist. Glaubst du, dein Geist kommt damit klar?«

»Die Veränderung ist erst für 20:15 Uhr vorgesehen.« Ein Anflug von Argwohn überkam mich. »Du hast doch nicht gehofft, daß die Makellosigkeit bei der Probe aufgebraucht und das Publikum enttäuscht wird?«

»Da irrst du dich gewaltig«, sagte er.

Sie fingen ein bißchen früher an; als sie in ihrem weißen Kleid aufstand, um zu singen, zeigte meine alte Taschenuhr, die nie mehr als zwei Sekunden falsch geht, 20:14 Uhr. Sie war keine dieser spindeldürren Sopranistinnen; sie war stattlich gebaut, jede Menge Resonanzkörper, den man braucht, wenn man einen hohen Ton anpeilt und das Orchester übertönen muß. Jedesmal, wenn sie ein paar Liter Atemluft einsog, um die Töne zu erzeugen, wurde mir klar, was Mortenson in ihr sah, natürlich abzüglich einiger Schichten Textilien.

Sie begann in ihrer üblichen Preisklasse, und exakt um 20:15 Uhr war es, als wäre eine neue Stimme hinzugekommen. Ich sah sie ein wenig zusammenzucken, als könne sie nicht glauben, was sie gehört hatte, und eine Hand, die sie auf das Zwerchfell gelegt hatte, zitterte.

Ihre Stimme jubilierte. Es war, als wäre sie eine perfekt gestimmte Orgel geworden, jeder Ton war perfekt, ein in diesem Augenblick neu erfundener Ton, neben dem sich alle anderen Töne dieser Tonlage und Qualität wie unvollkommene Nachahmungsversuche ausnahmen.

Jeder Ton hatte genau das richtige Vibrato, wenn das der zutreffende Ausdruck ist, und schwoll mit ungeheurer Kraft und Beherrschung an und ab.

Und sie wurde mit jedem Ton besser. Der Organist sah nicht auf seine Noten, er sah sie an, und - beschwören kann ich es nicht - ich glaube, er hörte auf zu spielen. Falls er spielte, hätte ich ihn ohnehin nicht gehört. Man konnte gar nichts hören, während sie sang. Nichts anderes als sie jedenfalls.

Ihr überraschter Gesichtsausdruck war verschwunden und einer ekstatischen Miene gewichen. Sie hatte das Notenblatt weggelegt, das sie in der Hand gehalten hatte; sie brauchte es nicht. Ihre Stimme sang von ganz allein, sie mußte sie nicht kontrollieren oder lenken. Der Dirigent stand starr da, alle anderen im Chor schienen wie vom Donner gerührt.

Das Solo ging zu Ende, und der Chor fiel fast flüsternd ein, als schämten sich alle ihrer Stimmen und ließen sie nur widerwillig in derselben Kirche am selben Abend erklingen.

Der Rest des Programms gehörte ihr allein. Wenn sie sang, hörte man nur sie, auch wenn alle anderen Stimmen erklangen. Wenn sie nicht sang, war es, als würden wir im Dunkeln sitzen und könnten nicht ertragen, daß das Licht erloschen war.

Und als es vorbei war - na ja, man applaudiert in der Kirche nicht, aber da taten sie es. Alle in der Kirche standen auf, als wären sie von einem einzigen Marionettendraht hochgerissen worden, und hörten nicht mehr auf zu klatschen, und es war klar, daß sie die ganze Nacht klatschen würden, wenn sie nicht noch einmal sang.

Sie sang noch einmal; nur sie allein, während die Orgel zögernd im Hintergrund flüsterte; der Scheinwerfer strahlte nur sie an, vom Chor war niemand zu sehen.

Mühelos. Du hast keine Ahnung, wie mühelos es war. Ich versuchte, die Klänge nicht zu hören, um sie atmen zu sehen, um zu sehen, wie sie Luft holte, und fragte mich, wie lange ein Ton bei voller Lautstärke gehalten werden konnte, wenn nur zwei Lungenflügel die Luft gaben.

Doch es mußte enden, und es ging zu Ende. Selbst der Applaus ging zu Ende. Erst da merkte ich, daß Mortenson mit funkelnden Augen neben mir gesessen hatte und mit Leib und Seele in ihrem Gesang aufging. Erst da begriff ich allmählich, was geschehen war.

Ich bin alles in allem so geradlinig wie eine euklidische Gerade, Hinterlist ist mir fremd, daher kann man nicht erwarten, daß ich wußte, was er vorhatte. Du andererseits bist so verdreht, daß du eine Wendeltreppe hochlaufen kannst, ohne dich zu verbiegen, und siehst auf einen Blick, was er vorhatte.

Sie hatte makellos gesungen - aber sie würde nie wieder makellos singen.

Es war, als wäre sie von Geburt an blind gewesen und konnte nur drei Stunden lang sehen - alles sehen, was es zu sehen gibt, alle Farben und Formen und Wunder rings um uns herum, die wir gar nicht beachten, weil wir sie für selbstverständlich halten. Stell dir vor, du könntest das alles drei Stunden lang in seiner ganzen Pracht und Herrlichkeit sehen - und dann wieder blind sein!

Du könntest deine Blindheit ertragen, wenn du nichts anderes kennst. Aber etwas anderes kurz kennenlernen und dann wieder blind sein? Das könnte niemand ertragen.

Diese Frau hat natürlich nie wieder gesungen. Aber das ist nicht alles. Die wahre Tragödie erlebten wir, die Zuhörer des Publikums.

Wir hatten drei Stunden makellose Musik gehört, makellose Musik. Glaubst du, wir könnten je ertragen, etwas zu hören, das geringer ist?

Ich bin seither fast taub für Töne. Jüngst ging ich zu einem dieser Rock-Festivals, die heutzutage so populär sind, um mich selbst einem Test zu unterziehen. Du wirst mir nicht glauben, aber ich konnte keine einzige Melodie heraushören. Für mich war das alles Lärm.

Mein einziger Trost ist, daß Mortenson, der am aufmerksamsten und konzentriertesten zugehört hatte, schlimmer dran ist als alle anderen dieses Publikums. Er trägt ständig Ohrstöpsel. Er erträgt keinen Ton mehr, der lauter als ein Flüstern ist.

Geschieht ihm recht!

Das gebannte Lächeln

Jüngst sagte ich bei einem Bier (seinem Bier, ich trank ein Ginger-Ale) zu meinem Freund George: »Wie geht es deinem Wichtel neuerdings?«

George behauptet, daß er einen zwei Zentimeter großen dienstbaren Dämon besitzt. Ich bringe ihn nie dazu, daß er seine Lüge eingesteht. Wie auch sonst niemand.

Er sah mich böse an. »Oh ja, du bist der einzige, der von ihm weiß«, sagte er. »Ich hoffe, du hast sonst keinem davon erzählt!«