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Mark ließ endlich die Hand seines Vaters los und sah ihm wieder ins Gesicht. Der entsetzte Ausdruck war aus seinen Zügen verschwunden, aber sein Blick flackerte wie eine Kerzenflamme.

»Komme ich... irgendwie ungelegen?« fragte Beate.

Marks Vater blinzelte ein paarmal. Er kämpfte um seine Fassung, und für einige Augenblicke schien es gar nicht sicher, daß er diesen Kampf auch wirklich gewinnen würde. »Wer...« murmelte er. »Aber das... das kann doch überhaupt nicht...«

»Das ist Beate«, sagte Mark. »Ich habe ihr von dir erzählt. Wir haben uns heute morgen in der Klinik kennengelernt.«

»Beate?« Irgend etwas schien fast hörbar hinter seiner Stirn einzurasten. Die Angst in seinem Blick erlosch und machte etwas anderem, Lauerndem Platz. Etwas, das Mark nicht einordnen konnte, aber das ihn fast noch mehr alarmierte als die lodernde Furcht zuvor. »Das ist Ihr Name?«

»Heute morgen war er es jedenfalls noch«, antwortete Beate mit einem kleinen nervösen Lächeln. Ihre Augen lächelten nicht, sondern suchten Marks Blick. Er beantwortete die unausgesprochene Frage darin mit einem ebenso stummen Achselzucken.

»Und Sie haben sich im St.-Eleonor-Stift kennengelernt?« vergewisserte sich Marks Vater.

»Ja, das habe ich dir doch erzählt«, antwortete Mark an Beates Stelle. »Was soll das?«

Sein Vater schwieg einige Augenblicke. Bevor er weitersprach atmete er hörbar ein, und er legte eine ganz bestimmte Betonung in seine Stimme. Er antwortete Mark, aber sein Blick blieb fest auf Beate gerichtet. »Weil ich diese junge Dame kenne, Mark«, sagte er. »Nicht persönlich - aber ich habe von ihr gehört.«

»Von mir?« fragte Beate überrascht. »Wieso?«

»Unglücklicherweise gehöre ich zu den Menschen, die niemals etwas vergessen«, antwortete Marks Vater. »Manchmal ist das ziemlich lästig, aber wie es scheint, ist es wohl in diesem Fall eher von Vorteil. Ich habe vor ein paar Monaten unabsichtlich einen Teil eines Gespräches mitgehört, das Professor Artner mit einer der Oberschwestern geführt hat. Es ging mich nichts an, und es interessierte mich auch nicht - wie gesagt, ein Zufall. Aber ich denke, ein glücklicher Zufall.«

»Für wen?« fragte Mark. »Was zum Teufel soll das Ganze überhaupt?«

Er schrie fast, aber sein Vater blieb unbeeindruckt. »Für dich«, sagte er. »Es ging um deine kleine Freundin da. Um Schwester Beate - das sind Sie doch, oder? Ich meine, es gibt keine zweite Schwester Beate im St.-Eleonor-Stift?«

»Nein«, antwortete Beate, »aber ich verstehe trotzdem nicht, was -«

»Es ging um Ihre Entlassung«, unterbrach sie Marks Vater. »Die Oberschwester war dafür, Sie zu entlassen, aber Artner wollte Ihnen noch eine Chance geben.«

»Meine... Entlassung?« wiederholte Beate fassungslos.

»Ich, ich verstehe nicht...«

»Sie verstehen sehr gut, junge Dame«, antwortete Marks Vater. Er deutete auf Mark. »Er ist nicht der erste, nicht wahr? Sind Sie schon mit ihm ins Bett gegangen, oder hatten Sie sich das für heute abend aufgehoben?«

»Vater!« sagte Mark scharf.

»Schockiert dich das?« fragte sein Vater. Er deutete auf Beate. »Dann frag sie doch, warum sie bereits drei Verwarnungen bekommen hat. Sie macht sich an die Angehörigen von Patienten heran. Reiche Angehörige reicher Patienten, versteht sich. Sie ist nicht an dir interessiert, Mark, nicht im geringsten. Sie ist einzig und allein scharf auf dein Geld.«

»Aber das ... das ist nicht wahr«, protestierte Beate. »Ich habe niemals -«

»Verlassen Sie auf der Stelle mein Haus«, fiel ihr Marks Vater ins Wort. »Es war ein netter Versuch, aber er hat nicht funktioniert.«

Mark war wie vor den Kopf geschlagen. Alles war so schnell gegangen und die Stimmung so jäh und so absolut umgeschlagen, daß er gar nicht richtig begriff, was geschah, jedenfalls nicht sofort.

»Worauf warten Sie?« fragte Marks Vater.

»Aber das ist alles nicht wahr!« verteidigte sich Beate. Ihre Augen füllten sich mit Tränen, als sie Mark ansah. »Bitte, Mark, glaub mir. Ich habe nie irgendwelche Verwarnungen bekommen, und man wollte mich auch noch nie entlassen. Dein Vater muß sich irren!«

»Ich irre mich nie«, sagte Marks Vater ruhig.

»Diesmal vielleicht schon«, sagte Mark. »Du hast selbst gesagt, das Gespräch hat dich nicht interessiert. Vielleicht hast du nicht richtig hingehört.«

»Ein Irrtum, so?« Sein Vater verzog abfällig die Lippen. »Na, dann rufen wir doch einfach in der Klinik an und fragen nach.« Er machte eine abgehackte Geste auf das Telefon, auf dem noch immer das rote Lämpchen blinkte. »Rufen wir Professor Artner an und klären die Sache auf. Haben Sie seine Durchwahl im Kopf?«

»Professor Artner?« Beate machte eine unsichere Geste. »Das... das geht nicht. Professor Artner ist tot. Er ist... gestorben. In der vergangenen Nacht.«

Tot! dachte Mark erschrocken. Artner tot? Aber das konnte nicht sein! Nicht auch noch er!

»Wie praktisch«, höhnte sein Vater. »Nicht, daß es mich überrascht - oder irgend etwas ändert. Sie haben es versucht, und es hat nicht funktioniert. Und jetzt gehen Sie bitte, bevor ich die Polizei rufe und Sie hinauswerfen lasse.«

»Einen Moment«, sagte Mark, »so schnell -«

»So schnell«, unterbrach ihn sein Vater, »geht es. Ich weiß, es tut weh. Aber das hat die Wahrheit nun leider manchmal an sich.«

Marks Hände begannen plötzlich zu zittern. Sein Herz schlug schneller, und für einen kurzen Moment konnte er sich kaum noch beherrschen, seinen Vater einfach anzuschreien. Irgendwie brachte er die Kraft auf, seinen Zorn noch einmal zu unterdrücken. Mit einer mühsam beherrschten Bewegung drehte er sich zu Beate herum und sah sie an. »Bitte warte unten«, sagte er. »Geh nicht weg, ich komme gleich nach.« Er kam sich bei diesen Worten wie ein Verräter vor. Er hätte sie verteidigen, sich offen auf ihre Seite stellen und seinem Vater ins Gesicht schreien müssen, was er von seinen absurden Anschuldigungen hielt, aber er hatte einfach nicht die Kraft dazu. Der Angriff war zu plötzlich gekommen und zu heimtückisch.

Beate stand noch einen Moment zitternd und mit Tränen in den Augen da und sah abwechselnd ihn und seinen Vater an, aber dann drehte sie sich herum und lief aus dem Zimmer. Mark wartete, bis ihre Schritte die Treppe hinuntergepoltert waren und er das Geräusch der Haustür hörte. Er wußte, daß es unmöglich war, aber für einen Moment bildete er sich ein, ihre Schritte auch danach noch zu hören - ein rasches Rennen und Stolpern den Weg hinunter bis zum Tor und weiter hinaus auf die Straße. Am ganzen Leib zitternd drehte er sich wieder zu seinem Vater herum und starrte ihn an.

»Warum hast du das getan?« fragte er. Er flüsterte - er hatte nur die Wahl, zu flüstern oder zu schreien, und er wußte, wenn er seinem Zorn einmal freien Lauf ließe, würde er ihn nicht mehr beherrschen können. »Das ist völlig absurd!«

»Entschuldige«, sagte sein Vater. »Ich weiß, wie du dich jetzt fühlen mußt. Vielleicht war ich ein bißchen ungeschickt. Aber das ändert nichts daran, daß es die Wahrheit ist. Dieses Mädchen -«

»Dieses Mädchen«, fiel ihm Mark schneidend ins Wort, »ist gerade siebzehn Jahre alt. Sie ist weder eine Mitgiftjägerin noch eine neue Mata Hari, sondern nichts als ein Mädchen, das ich vor ein paar Stunden kennengelernt habe.«

»Sie ist nichts für dich«, sagte sein Vater hart. »Glaub mir, ich weiß das besser als du.«