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»Aber ich wette, Sie würden keine Sekunde zögern, es zu tun, wenn ich Sie dazu zwinge«, sagte er.

Statt zu antworten, beugte sich der Bursche zu ihm herab und zog ihn ohne sichtliche Anstrengung in die Höhe. Bremer verzog das Gesicht, als sein geprelltes Knie mit einem stechenden Schmerz auf die Belastung reagierte, verbiß sich aber jeden Laut. Aber der andere hatte es wohl trotzdem bemerkt. Das erste Mal hatte er ihn mit aller Gewalt gegen den Wagen geschmettert, jetzt stellte er ihn beinahe sacht dagegen; und er überzeugte sich auch aufmerksam davon, daß Bremer tatsächlich aus eigener Kraft stehen konnte. Erst danach trat er zwei Schritte zurück und bückte sich nach Bremers Waffe.

Währenddessen hatten zwei weitere Männer den BMW verlassen. Beide ähnelten in Statur und Kleidung dem Burschen, der ihn niedergeschlagen hatte, und vor allem: Alle drei gehörten dem gleichen Typ an. Sehr groß, sehr kräftig und mit ziemlicher Sicherheit ebenso gut ausgebildet wie intelligent. Und wahrscheinlich vollkommen skrupellos. Bremer hatte Männer wie diese zwar schon gesehen, aber noch niemals mit ihnen zu tun gehabt. Bisher kannte er sie nur aus - zumeist amerikanischen - Kriminalfilmen. Wie es aussah, gab es sie auch hier, in Berlin.

»Wer zum Teufel seid ihr?« fragte er mühsam. Ihm war noch immer übel.

»Wahrscheinlich ist es besser, wenn Sie das nicht wissen, Herr Bremer«, sagte einer der beiden. Es mußte der Fahrer des Wagens sein, denn Bremer identifizierte den anderen ohne Probleme als den, der auf der Rückbank gesessen hatte - er humpelte stark.

»Sie... kennen meinen Namen?« fragte Bremer überrascht.

Der junge Bursche in dem dunkelblauen Maßanzug lächelte kühl. »Ich weiß sogar noch viel mehr«, sagte er. »Sie würden sich wundern, wenn Sie wüßten, wie viel, Bremer. Ich weiß zum Beispiel, daß Sie dabei sind, sich in etwas einzumischen, das Sie überhaupt nichts angeht, Bremer.«

»Und Sie glauben. Sie könnten beurteilen, was mich etwas angeht und was nicht?« fragte Bremer.

Der andere nickte; dann gab er seinem Begleiter einen Wink, woraufhin dieser Bremers Waffe entlud und sie ihrem rechtmäßigen Besitzer zurückreichte. Bremer war so verblüfft, daß er ganz instinktiv danach griff, sie aber nicht einsteckte, sondern nur einen Moment hilflos in den Händen drehte.

»Ich frage noch einmaclass="underline" Wer seid ihr?« fragte Bremer. Die Mischung aus Verunsicherung und Furcht, die ihn bisher erfüllt hatte, machte allmählich einem Gefühl ganz normaler, aber dafür um so heftigerer Wut Platz. Wieso dachte eigentlich seit zwei Tagen jeder, daß er ihn nach Belieben herumschubsen dürfte?

»Und ich sage Ihnen noch einmal, daß es besser ist, wenn Sie das nicht wissen«, antwortete der andere. »Besser für Sie, Bremer. Und so nebenbei - ich glaube auch nicht, daß Sie es wirklich wissen wollen.«

»So?« sagte Bremer wütend. »Wenn ihr wirklich die seid, für die ich euch halte, dann solltet ihr eigentlich wissen, daß man so nicht mit einem Polizeibeamten umspringen kann. Es gibt Leute, die das gar nicht mögen.«

»Tja - das scheint ein Beweis dafür zu sein, daß wir vielleicht doch nicht die sind, für die Sie uns halten«, antwortete der andere lächelnd. »Aber keine Angst - Ihnen geschieht nichts.«

»Solange ich vernünftig bin, nehme ich an«, sagte Bremer höhnisch.

Der andere deutete erst auf sich, dann auf seine beiden Begleiter. »Sehen wir aus, als ob wir Ihnen überhaupt die Gelegenheit geben würden, unvernünftig zu sein?« fragte er. »Nur keine Angst. Wir stehen auf Ihrer Seite, auch wenn Sie das vielleicht anders sehen. Wir haben nicht vor, Ihnen irgend etwas anzutun. In ein paar Minuten sind Sie uns los, und ich gebe Ihnen mein Wort, daß Sie uns auch nie wiedersehen werden.«

»Es hat mit dem Jungen zu tun, nicht?« fragte Bremer. »Mit Sillmann. Und dem Mädchen.«

»Auch das gehört zu den Dingen, die Sie besser nicht wissen sollten«, antwortete der andere. Er griff in die Tasche, zog ein kleines Funkgerät heraus und hob es an die Lippen, wandte sich dann aber noch einmal an Bremer, ehe er die Sprechtaste drückte.

»Wenn Sie so furchtbar neugierig sind, Bremer, warum stellen Sie sich dann nicht selbst ein paar Fragen? Zum Beispiel die, warum Ihr neuer Gönner sich solche Mühe gegeben hat, Ihr Vertrauen zu erringen und ausgerechnet Sie für ihn arbeiten zu lassen.«

Er setzte das Funkgerät erneut an, drückte eine kleine Tasche an seiner Seite und sagte: »Gruppe eins an zwei. Habt ihr sie?«

Er bekam keine Antwort. Aus dem Gerät drang nicht einmal statisches Rauschen, als er die Taste wieder losließ. Er wartete einige Sekunden, dann drückte er den Knopf erneut und wiederholte in hörbar ungeduldigerem Ton: »Gruppe eins an Gruppe zwei - meldet euch, verdammt noch mal. Was ist bei euch los?«

Auch diesmal keine Antwort. Das Funkgerät blieb tot.

»Probleme?« fragte Bremer.

Der andere starrte ihn einen Sekundenbruchteil lang wütend an, aber er machte sich nicht die Mühe, ihm zu antworten. Schnell, aber ohne Hast steckte er das Walkie-talkie wieder ein und wandte sich zum Wagen um. »Da stimmt was nicht«, sagte er. »Los! Haymar - Sie bleiben hier und passen auf unseren übereifrigen Wachtmeister auf.« Er umkreiste rasch den BMW, setzte sich hinter das Steuer und ließ den Motor an, während sein Kollege in den Fond des Wagens sprang. Der Audi zitterte so heftig, als er rücksichtslos zurückstieß, um die beiden ineinandergekeilten Fahrzeuge zu trennen, daß Bremer einen hastigen Schritt zur Seite machte. Es gelang dem Fahrer, auch wenn der BMW einen Scheinwerfer und einen Teil der Stoßstange einbüßte, ehe er endlich mit kreischenden Reifen losschoß.

Bremer blickte ihm kopfschüttelnd nach, bis er hinter der Straßenkreuzung verschwunden war. »So bekommt Ihr Kollege garantiert ein Strafmandat«, wandte er sich an Haymar - den Mann mit dem verletzten Bein -, der zurückgeblieben war. »Der Wagen ist nicht verkehrssicher.«

Der andere tat ihm nicht den Gefallen, zu antworten. Er sah nicht einmal in die Richtung, in die der BMW verschwunden war, sondern behielt Bremer aufmerksam im Auge. Bremer seinerseits sah ihn an, wobei er gleichzeitig auch die Straße hinter ihm im Blickfeld hatte. Nur noch ein paar Meter entfernt rollte ein Wagen heran. Die Scheinwerfer waren erloschen, und der Fahrer hatte entweder den Motor ausgeschaltet, oder der Wagen lief so gut wie lautlos. Die mattsilberne Farbe war jedoch selbst im schwachen Licht des Mondes und der wenigen Straßenlaternen auf der anderen Seite deutlich zu erkennen. Bremer versuchte, sich seine Überraschung nicht anmerken zu lassen, und fragte: »Was macht das Bein? Tut's weh?«

»Es geht«, antwortete Haymar. Seine Augen wurden schmal; offensichtlich hatte Bremer sich doch nicht so gut in der Gewalt gehabt wie er gehofft hatte - oder er hatte etwas gehört. Er sah Bremer noch eine halbe Sekunde lang durchdringend an, dann setzte er dazu an, sich herumzudrehen.

»Schade«, sagte Bremer. »Ich hatte gehofft, es wäre gebrochen.«

Seine Rechnung ging auf. Für einen ganz kurzen Moment verzerrte sich das Gesicht des anderen vor Wut, und für einen noch kürzeren Moment war er unaufmerksam, und Bremer nutzte diese Chance. Mit aller Kraft stieß er sich vom Wagen ab und sprang ihn an.

Noch während er es tat, begriff er, daß er mit seiner Einschätzung ziemlich genau ins Schwarze getroffen haben mußte. Der Mann versuchte nicht, nach einer Waffe zu greifen - dazu war er einfach zu nahe -, aber er ging mit einer fließenden und unglaublich schnellen Bewegung in die Grundstellung irgendeiner Kampftechnik - Karate oder Jiu Jitsu oder was immer sie auch gelernt haben mochten -, und Bremer wäre wahrscheinlich nicht einmal dazu gekommen, auch nur einen einzigen Schlag anzubringen. Allerdings versuchte er es auch nicht. Statt dessen trat er Haymar mit aller Gewalt vor das verletzte Bein.

Der Agent schrie auf - es war eher ein Kreischen als wirklich ein Schrei -, kippte zur Seite und griff mit der linken Hand nach seinem Unterschenkel. Die andere fuhr unter seine Jacke und kam mit einer Waffe wieder zum Vorschein, noch ehe er seinen Sturz ganz zu Ende gebracht hatte, doch diesmal war Bremer vorbereitet, sowohl auf seine Schnelligkeit als auch darauf, daß der andere keine Skrupel haben würde, seine Waffe einzusetzen: Seine Schuhspitze traf Haymars Hand und prellte ihm die Waffe aus den Fingern, und fast im gleichen Sekundenbruchteil bückte er sich und schmetterte ihm mit aller Gewalt die Faust vor die Schläfe.