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So hatte Juts Zeit für noch einen Eierflip.

Als sie im Schlitten saßen, stellte Juts fest, daß mehr Schnee gefallen war, als sie erwartet hatte. Nickel, die lieber auf Lillian Russell saß als im Schlitten, fand, daß es wunderschön aussah. Als sie den Schnee fortblinzelte, kitzelte es an den Augenlidern.

»Juts, wie viele Eierflips hast du getrunken?«

»Nicht genug.«

»Vielleicht sollte ich fahren.«

»Ich hab alles im Griff.« Julia ließ sich ungern die Zügel aus der Hand nehmen.

»Ich hab auch einen Eierflip getrunken«, rief Nickel.

»Ach?« Louise hob ungläubig die Augenbrauen.

»Momma hat mir einen gegeben.«

»Julia, wie konntest du?«

»Ein halber Eierflip macht mein Kind nicht zur Quartalssäufe­rin. Mach dir nicht ins Hemd, Louise. Du ziehst immer voreili­ge Schlüsse.«

»Einem Kind Alkohol einzuflößen ist nicht zum Lachen.«

»Ich hab nicht gelacht«, sagte Nickel prompt.

»Du bist anfällig für diese Dinge«, warnte Louise. »An mei­nem Geburtstag hast du Bowle getrunken.« Sie wandte sich Juts zu. »Paß bloß auf dieses Kind auf.«

»Ich werde es einsperren.« Der Schlitten schwankte ein biß­chen.

»Mach dich nicht über mich lustig. Ein Tropfen genügt, wenn man dazu neigt. Ein einziger Tropfen. Weißt du noch, wie der alte Onkel Franz, nachdem er jahrelang keinen Alkohol ange­rührt hatte, auf deiner Hochzeit ein Glas Sekt getrunken hat? Darauf ist er eine Woche lang auf Sauftour gegangen.« Whee­zies Stimme hatte den wichtigen Tonfall angenommen.

Juts summte.

»Nicky, versprich deiner Tante Louise, daß du keinen Alkohol trinken wirst.«

»Ja, Tante Louise.«

»Und fang auch nicht mit dem Rauchen an. Wenn Gott ge­wollt hätte, daß wir rauchen, hätte er uns einen Schornstein in den Kopf gesetzt.«

»Ja, Tante Louise«, schwindelte Nickel, die es nicht erwarten konnte, bis sie groß genug war, um zu rauchen. Sie fand es tod­schick.

»Wo ist Maizie heute Abend?« Juts wollte keine Predigt über anständigen Lebenswandel, wo doch der Eierflip so gut schmeckte.

»Mit Vaughn unterwegs. Sie sind mit der Clique weggegan­gen. Vaughn hält enge Verbindung zu seinen Kameraden vom Militär.«

»Vielleicht heiratet sie Vaughn.«

»Vielleicht auch nicht.«

»Sie wären bestimmt glücklich.«

»Du meinst, wenn zwei Menschen sich anschmachten, ist ih­nen ein gemeinsames Leben in Glück und Wonne beschieden.«

»Du hättest auch einen Eierflip trinken sollen. Hebt die Stim­mung.«

»Meine Stimmung ist gut, wenn's bloß nicht so gesäßkalt wä­re.«

»Arschkalt.«

»Gesäß.«

Nickel kicherte.

»Arsch, Louise, Arsch. Bei>Gesäß< verliert es den Sinn.«

»Ich nehme so etwas nicht in den Mund.«

»Mit dem Alter verlierst du deinen Sinn für Humor, weißt du das, Wheezie? Du wirst 'ne alte Schachtel.«

»Du bist älter als ich.«

»Was?«

Louise schob die Hände in ihren Muff. »Neununddreißig.«

»Schön.« Juts hob die Zügel an und gab den Pferden einen sanften Schlag auf den Rücken. Sie fielen in Trab.

»Nicht so schnell.« »Ich fahr nicht schnell, aber es wird kälter, es schneit doller, und ich will nach Hause.«

»Fahr langsam.«

»Louise, mach die Augen zu, wenn du Angst hast.«

»Wenn ich eins nicht ausstehen kann, dann ist es Trunkenheit am Steuer.« Louise schlug sie mit ihrem Astrachanmuff.

Um ihr zu trotzen, trieb Juts die Pferde zu einem schnelleren Trab an, und sie taten ihr den Gefallen.

Lillian trabte ebenfalls. Da sie einen breiten Rücken hatte, reichten Nickys kurze Beine kaum bis an die Flanken der grau­en Stute. Nicky hopste auf und ab wie ein Kastenteufel.

Juts sang einen eigenen Text zu der Melodie von »Winter­wunderland«. »Fünfzig Jahr, hört ihr's knistern? Fünfzig Jahr, ich hör's flüstern. Ich weiß es und du, sie gleicht einer Kuh, Falten.«

»Hör auf.«

Die Braunen schlackerten mit den Ohren, schritten mit den prächtigen Vorderbeinen aus, zwei Traber im Gleichmaß.

Vorn drohte eine tückische Kurve, und danach ging es gerade­aus nach Runnymede.

»Momma, ich fall runter.«

»Du bist keine Reiterin, bevor du siebenmal runtergefallen bist.«

»Bin ich schon. Langsamer, Momma.« Nicky fand mit der flanellgefütterten Jeans keinen Halt.

»Ergreif nicht für sie Partei, Nicky. Ich kann's nicht leiden, wenn du dich mit Louise verbündest.«

Unterdessen lag Nicky vorn übergekippt und hielt sich an Lil­lians Mähne fest. Ihr Galopp war schwerfällig, aber es war ein Galopp.

»Mähne fassen«, befahl Juts.

»Tu ich ja!«

»Du bringst uns um«, kreischte Louise. »Wir gehen in die Feiertagsstatistik ein. Wir werden die letzten Menschen im Staat Maryland sein, die beim Schlittenfahren umkamen.«

»Angsthase.« Juts schwenkte schnell um die Kurve und geriet aufs Glatteis unter dem Schnee. Die Schlittenglocken bimmel­ten heftig.

»Ich sterbe!«, brüllte Louise.

»Nur die Guten sterben jung.« Juts lachte, als der Schlitten sich auf die Seite legte und Louise in eine Schneewehe an der Straßenböschung kippte. Juts richtete den Schlitten auf, indem sie ihr Gewicht auf die andere Seite verlagerte.

Die aufgeregte Lillian beschloß, die Abkürzung über das Feld der Barnharts nach Hause zu nehmen. Ein breiter Bach begrenz­te das Anwesen. Er glitzerte wie ein dunkler Spiegel. Lillian sprang über den Bach, doch Nickel plumpste herunter wie ein toter Nachtfalter von einer Verandalaterne. Und krachte durchs Eis.

Juts' Schultern schmerzten, als sie Minnie und Monza zum Stehen brachte, ungefähr hundert Meter von der Stelle, wo Louise herausgefallen war. Die Pferde hoben und senkten die Köpfe, der Schaum um ihre Mäuler vermischte sich mit Schnee­flocken.

Das kalte Wasser reichte Nickel nur bis zur Taille, aber sie war mit solcher Macht durchs Eis gekracht, daß sie von oben bis unten durchnäßt war. Ihre Stiefel zogen sie wie Gewichte herunter, als sie versuchte, aus dem Bach zu kriechen. Lillian galoppierte über die gefrorene Erde davon; ihre Hufschläge verklangen.

Nickel wand sich aus ihrem durchtränkten Mantel, bekam eine knorrige Baumwurzel zu fassen und zog sich heraus.

»Alles in Ordnung, Nick?«

»Momma, ich kann Lillian niemals einfangen. O. B. bringt mich um.«

»Komm.« Juts drängte sie zur Eile, weil Minnie und Monza ungeduldig aufstampften. Sie hatte alle Hände voll zu tun.

»Kümmert sich denn keiner um mich? Wenn ich mir nun die Hüften gebrochen habe? Was, wenn ich mir eine Gehirnerschüt­terung zugezogen habe?«

»Du klagst, Louise, das heißt, dir fehlt nichts.«

»Weißt du, Juts, nicht mal schwarze Magie kann einen Hasen verwandeln!«, stieß Louise in unverhüllter Wut hervor und überließ es ihrer Schwester und ihrer Nichte, den tieferen Sinn dieser Aussage zu ergründen. Sie klopfte sich den Schnee ab, und wohl wissend, daß Juts nicht warten würde, weil die Pferde unruhig wurden, spurtete sie zum Schlitten.

Die triefende Nickel hievte sich hinauf, und Juts ließ die Pfer­de gehen.

»Herzchen, zieh deine Sachen aus. Wheezie, hilf ihr.«

»Ich hab mir den Knöchel verstaucht.«

»Wirst du Nickel wohl helfen?«

Louise zog ihre teuren Handschuhe aus und schälte dem Kind die schon gefrierenden Schichten vom Körper. Nicky zitterte, ihre Haut war ganz rot.

»Hier.« Louise wickelte sie in eine Decke und legte ihr die Wärmflasche auf den Bauch.

Das Kind klapperte mit den Zähnen.

Sie fuhren schweigend ein paar hundert Meter, dann fing Louise an zu kichern. Juts stimmte ein. Auch Nickel, die am ganzen Leib zitterte, kicherte schließlich, aber es klang mehr wie ein Gurgeln.