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»Nein, bist du nicht.«

Juts stand da wie angewurzelt. Sogar Buster verstummte.

Nickel senkte die Stimme. »Rillma Ryan ist meine Mutter.«

Zitternd flüsterte Juts: »Wer hat dir das gesagt?«

»Peepbean Huffstetler.«

Hierauf blieben sie lange still. Juts legte die Finger an die Schläfen. »Rillma Ryan hat dich auf die Welt gebracht. Sie war in der Klemme, und du bist dabei rausgekommen. Ich wollte ein Baby, da hab ich dich genommen. Warum ich diese Plage woll­te, weiß ich nicht. Ich hätte mir den Kopf untersuchen lassen sollen.« Diese beiläufige Gemeinheit schlüpfte ihr einfach so aus dem geschminkten Mund. Sie war so wütend und aufge­bracht, daß sie überhaupt nicht bedachte, wie sich das auf Nik­kel auswirkte.

»Wenn du nicht meine Mutter bist, kannst du mir gar nichts vorschreiben.« Nickel stemmte die Hände in die Hüften, und Tränen rollten über ihr glattes Gesicht.

»Hör zu, du Satansbraten. Du wärst tot, wenn ich dich nicht aus dem Waisenhaus geholt hätte.« Sie unterließ es wohlweis­lich, zu erwähnen, daß Wheezie und Chessy sie in der Eiseskäl­te aus Pittsburgh abgeholt hatten. »Ich habe dich gefüttert, ge­kleidet und dafür gesorgt, daß du rechtzeitig in die Kirche kamst. Solange du unter meinem Dach wohnst, wirst du tun, was ich sage.«

Nickel kehrte ihr den Rücken und ging nach oben.

Juts ging in die Küche und schenkte sich einen Kaffee ein, aber ihre Hände zitterten so sehr, daß sie die Tasse nicht an den Mund führen konnte. Wütend goß sie den Kaffee in den Aus­guß, dann knallte sie die Tasse an die Wand.

78

Das leise Klopfen an der Haustür wäre unbemerkt geblieben, wenn Ramelle nicht zufällig durch die große Diele gegangen wäre.

»Nicky.« Sie öffnete die Tür. Die Kleine hatte alles angezo­gen, was ihr nur eingefallen war, und trug ihr Federmäppchen bei sich. »Komm rein, mein Schatz.«

»Mrs. Chalfonte, ist G-Mom hier?«

»Ja. Jetzt ziehen wir dir erst mal die Sachen aus, dann gehen wir zu ihr. Meine Güte, hast du viel an. Ich weiß, es ist bitter­kalt draußen, aber nun ja.« Ramelle lächelte und sagte weiter nichts dazu. »Komm.«

Sie nahm Nicky an die Hand und ging mit ihr in die Küche.

Cora war beim Plätzchenbacken. »Hallo. Was machst du denn hier?«

Nicky trat zwischen die beiden Frauen, mit dem Rücken zu ihrer Großmutter, und sah Ramelle an. »Mrs. Chalfonte, ich will bei Ihnen arbeiten, genau wie G-Mom. Ich bin stark. Ich bin wirklich stark, und ich lerne schon schreiben. Ich kann fegen, und ich kann.«

Ramelles Lachen war glockenhell. »Nickel, du bist das süße­ste Ding auf der Welt.«

Nickel lächelte. »Ich fang gleich an. Ich hab alles mitgebracht, was ich brauche.«

Cora lachte. »Wo ist deine Mutter?«

»In Portland, Oregon.«

Schlagartig verging das Lachen. Cora wischte sich die Hände an ihrer Schürze ab. Sie nahm ein paar Plätzchen vom Blech. »Setzen wir uns hier rüber.«

Die drei setzten sich in die Nische, Ramelle nahm Milch mit.

»Willst du uns nicht zuerst sagen, warum du so viele Sachen angezogen hast?«, fragte Ramelle sanft.

»Ich geh nicht wieder zu Momma. Ich kann bei G-Mom schla­fen und den ganzen Tag hier arbeiten. Ich arbeite gerne.«

»Du bist eine gute Arbeiterin«, lobte Ramelle sie.

Cora aß ein Erdnußplätzchen. »Die sind lecker, wenn ich das so sagen darf.« Sie legte ihren Arm um Nickel. »Wie war das mit Portland, Oregon?«

»Peepbean hat gesagt, meine Mutter ist Rillma Ryan, und Momma hat es auch gesagt. Ich mag Momma nicht mehr.«

»Weil sie nicht deine richtige Mutter ist?« Ramelle bemühte sich, ihren Fragen nicht das Gewicht zu verleihen, das sie ei­gentlich hatten. »Ich meine, deine leibliche Mutter. Eine richti­ge Mutter ist die, die dich großzieht.«

»Momma war gemein zu mir, und ich kann sie nicht leiden.«

»Was hat sie getan?« Cora trommelte mit den Fingerspitzen auf die Tischplatte, dann hob sie die Hand. »Wir sagen es nicht weiter. Hand aufs Herz.«

Ramelle legte ebenfalls die Hand auf ihr Herz.

»Sie hat gesagt, es gibt keinen Weihnachtsmann und keinen Osterhasen, und sie hat gesagt, ich bin eine Klemme.«

»Eine Klemme?« Cora fragte sich, was das zu bedeuten hatte.

Nickel nickte. »Ich bin eine Klemme, und ich hab ihr Kopf­schmerzen gemacht. Ich muß nicht auf sie hören.«

»Ah - hm, darüber machen wir uns später Gedanken. Jetzt iß erst mal G-Moms Plätzchen. Ich muß mir die Hände waschen, bin gleich wieder da.« Ramelle ging hinaus, um Juts anzurufen.

»Sie ist was?«, stöhnte es am anderen Ende der Leitung. Juts wußte nicht, daß Nickel aus der Hintertür geschlichen war. »Ich bin gleich da.«

»Julia, das ist vielleicht keine gute Idee. Willst du mir nicht erzählen, was passiert ist, besonders mit der Klemme? Nickel sagt, du hättest ihr gesagt, sie sei eine Klemme.«

»Oh.« Am anderen Ende der Leitung war ein scharfes Ein­atmen zu hören. »Meine Nerven liegen blank und da.«

Als Ramelle Juts' Version der Geschichte gehört hatte, kam sie zurück. Sie setzte sich Cora und Nickel gegenüber.

»Lecker, die Plätzchen, nicht?«

»Ja, Ma'am.«

»Nicky, ich habe deine Mutter angerufen und ihr gesagt, daß du hier bist. Hast du ihr gesagt, daß du fortgehst?«

»Ich sag ihr gar nichts.« »Sie sagt, du kannst eine Weile hier zu Besuch bleiben, dann kommt sie dich holen.«

»Ich will nicht nach Hause.«

Cora wandte geschickt ein: »Du kannst Yoyo und Buster nicht im Stich lassen.«

»Können sie nicht bei mir wohnen?«

»Ich fürchte, nein, Liebes.« Cora drückte Nicky an sich.

»Und deine Mutter entschuldigt sich. Sie hat nicht gemeint, daß du eine Klemme bist, sie hat gemeint, Rillma hätte in der Klemme gesteckt. Das sagt man so. Ich glaube sie hat die Ner­ven verloren, und jetzt tut es ihr Leid.«

»Hast du auch die Nerven verloren?«, fragte Cora.

»Ja.« Nicky schlug die Augen nieder.

»Wenigstens hast du welche. Man muß nur wissen, wie man damit umgeht.«

»Ich will nicht auf sie hören.«

»Sie wollte auch nicht auf mich hören«, sagte Cora. »Aber so ist es eben mit Müttern und Töchtern. Sie ist deine Mutter. Sie ist nicht vollkommen, aber sie ist deine Mutter. Ich werde je­denfalls mit ihr sprechen, und dann bringen wir das ins Reine.«

»Wer ist mein Vater?«

Eine drückende Stille folgte dieser unvermeidlichen Frage.

Ramelle, unsicher, ob sie das Richtige tat, hielt es für besser, die Wahrheit zu sagen. Das Kind war genug belogen worden. »Dein Vater war Francis, der Neffe von Celeste Chalfonte. Rill­ma hat den Leuten erzählt, dein Vater sei ein Mann namens Bullette, aber das hat sie nur aus Rücksicht getan, weil Francis schon verheiratet war.«

»Mag er mich nicht?«

»Er ist am Ende des Krieges an Überarbeitung und Überla­stung gestorben. Er würde dich bestimmt lieben.« Ramelle bete­te um Unterweisung, weil niemand, nicht einmal Cora, die gan­ze Geschichte kannte. »Er und deine Mutter haben im Krieg zusammen gearbeitet und sich ineinander verliebt. Was eine wunderbare Geschichte mit glücklichem Ausgang hätte werden sollen, konnte nicht glücklich enden, weil Francis schon verhei­ratet war. Das einzig Glückliche, was dabei herauskam, warst du.« »Oh.«

»Nur Celeste, Gott sei ihrer Seele gnädig, und ich wußten, wer dein wirklicher Vater war. Er hat Rillma das Geld gegeben, damit sie nach Portland ziehen konnte. Celeste hatte Rillma die Stelle bei Francis besorgt, und sie hat sich immer dafür verant­wortlich gefühlt, obwohl sie es nicht war. Aber wir freuen uns, daß du da bist. Und niemand braucht die ganze Geschichte zu wissen.«