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Die Fortpflanzung schien hier viel begeisterter gefördert zu werden als auf Kolonie Beta.

An einem Nachmittag lag sie nach dem Mittagessen mit den Füßen nach oben auf einem Sofa in einem schattigen Innenhof zwischen dem Haus und seinem rückwärtigen Garten und dachte über die verschiedenartigen Fortpflanzungsbräuche von Barrayar und Kolonie Beta nach. Den Fötus im Uterusreplikator, der künstlichen Gebärmutter, wachsen zu lassen, war hier unbekannt. Auf Kolonie Beta waren Replikatoren die populärste Methode, gewählt im Verhältnis drei zu eins, aber eine große Minderheit hielt sich aufgrund behaupteter psychosozialer Vorteile an die altmodische natürliche Methode. Cordelia hatte nie Unterschiede zwischen ›Vitro‹- und ›Vivo‹-Babies feststellen können, jedenfalls nicht zu der Zeit, wenn sie mit zweiundzwanzig erwachsen wurden. Ihr Bruder war vivo gewesen, sie selbst vitro, die Gefährtin ihres Bruders hatte für beide ihre Kinder vivo gewählt und damit ganz schön geprahlt.

Cordelia hatte immer angenommen, sie würde, wenn die Reihe an sie käme, ihr eigenes Kind in einer Replikatorenbank am Beginn einer Erkundungsmission zeugen lassen, und dann wäre es bei ihrer Rückkehr bereit, von ihr in die Arme genommen zu werden. Falls sie zurückkehrte — das war immer der mögliche Haken daran, wenn sie das dunkle Unbekannte erkundete. Und sie hatte ebenfalls angenommen, daß sie einen interessierten Gefährten finden würde, mit dem sie sich zusammentun könnte und der willens und fähig wäre, die medizinischen, psychologischen und ökonomischen Tests abzulegen und den Kurs mitzumachen, der für eine Elternlizenz qualifizierte.

Aral war dabei, ein hervorragender Vater zu werden, dessen war sie sich sicher. Falls er je wieder auf den Boden herabkam, von seiner neuen hohen Stellung. Sicherlich mußte der erste Ansturm bald vorüber sein. Es war ein langer Fall von jener hohen Stelle, mit keinem Landeplatz in Sicht. Aral war ihr sicherer Hafen. Wenn er zuerst fiel … Sie zwang ihre Überlegungen entschlossen in positivere Bahnen.

Nun, die Familiengröße, das war die wirkliche, geheime, schlimme Faszination von Barrayar. Es gab hier keine gesetzlichen Beschränkungen, keine Zertifikate, die man sich verdienen mußte, keine knapp bemessenen Drittkinder-Abweichungen, tatsächlich gab es überhaupt keine Regeln.

Sie hatte auf der Straße eine Frau gesehen, die nicht drei, sondern vier Kinder hinter sich herschleppte, und niemand gaffte sie an. Cordelia hatte ihren eigenen Nachwuchs in ihrer Vorstellung von zwei auf drei vermehrt und sich herrlich sündig dabei gefühlt, bis sie eine Frau mit zehn Kindern traf. Vier vielleicht? Sechs? Vorkosigan konnte es sich leisten. Cordelia krümmte ihre Zehen und kuschelte sich in die Kissen, sie schwebte auf einer atavistischen Wolke genetischer Gier.

Barrayars Wirtschaft war jetzt weit offen, sagte Aral, trotz der Verluste des letzten Krieges. Diesmal hatte die Oberfläche des Planeten keine Schäden davongetragen. Die Trockenlegung des zweiten Kontinents eröffnete tagtäglich neue Horizonte, und sobald der neue Planet Sergyar für die Kolonisation freigegeben war, würde sich der Erfolg verdreifachen.

Überall herrschte Arbeitskräftemangel, die Löhne stiegen. Barrayar betrachtete sich selbst als entschieden unterbevölkert. Vorkosigan bezeichnete die wirtschaftliche Situation als sein Göttergeschenk, politisch gesehen. Cordelia war der gleichen Ansicht, aus persönlicheren, geheimeren Gründen: Rudel kleiner Vorkosigans …

Sie könnte eine Tochter haben. Nicht nur eine, sondern zwei — Schwestern! Cordelia hatte nie eine Schwester gehabt. Oberst Vorpatrils Frau hatte zwei, hatte sie gesagt.

Cordelia hatte Lady Vorpatril bei einer der seltenen politischgesellschaftlichen Einladungen in Palais Vorkosigan kennengelernt. Das Ereignis wurde reibungslos organisiert vom Personal des Palais Vorkosigan. Alles, was Cordelia zu tun hatte, war, angemessen gekleidet zu erscheinen (sie hatte sich mehr Kleider gekauft), viel zu lächeln und ihren Mund zu halten. Sie hörte fasziniert zu und versuchte, noch mehr darüber herauszubringen, wie die Dinge hier liefen.

Alys Vorpatril war ebenfalls schwanger. Lord Vorpatril hatte die beiden zusammengebracht und sich dann aus dem Staub gemacht. Natürlich hatten sie gefachsimpelt. Lady Vorpatril jammerte viel über ihre persönlichen Beschwerden. Cordelia kam zu dem Schluß, daß sie selbst Glück hatte, das Mittel gegen Übelkeit wirkte, mit der gleichen chemischen Formel wie zu Hause, und sie war nur auf natürliche Weise müde, nicht vom Gewicht des noch winzigen Babys, sondern von der überraschenden Belastung des Stoffwechsels. Pinkeln für zwei, nannte Cordelia dies bei sich. Nun, wie schwer konnte die Mutterschaft noch sein, nach der Mathematik der fünfdimensionalen Navigation?

Falls man natürlich Alys’ geflüsterte geburtsmedizinische Horrorgeschichten beiseite ließ. Blutungen, Anfälle, Nierenversagen, Geburtsverletzungen, Sauerstoffunterversorgung von kindlichen Gehirnen, Kinderköpfe, die größer waren als der Geburtskanal, und ein in Krämpfen zuckender Uterus, der Mutter und Kind zu Tode brachte … Medizinische Komplikationen waren nur ein Problem, wenn man von der Geburt allein und isoliert überrascht wurde, und mit diesen Scharen von Wachen um sie herum dürfte ihr das wohl nicht zustoßen. Bothari als Hebamme? Ein verwirrender Gedanke. Sie schauderte.

Sie rollte sich auf ihrem Gartensofa auf die andere Seite und runzelte die Stirn. Ach ja, Barrayars primitive Medizin. Es stimmte, Mütter hatten Hundertausende von Jahren hindurch Kinder zur Welt gebracht, im Zeitalter vor der Raumfahrt, mit weniger Hilfe als hier auf Barrayar verfügbar war. Aber trotzdem quälte sie noch der besorgte Gedanke: Vielleicht sollte ich für die Geburt nach Hause zurückkehren?

Nein. Sie war jetzt eine Barrayaranerin, durch Eid gebunden wie der Rest dieser Verrückten. Nach Hause war es eine Reise von zwei Monaten. Und außerdem, so weit sie wußte, gab es immer noch einen gültigen Haftbefehl für sie, in dem ihr Fahnenflucht, Verdacht der Spionage, Betrug, antisoziale Gewalttätigkeit vorgeworfen wurde — wahrscheinlich hätte sie nicht versuchen sollen, jene idiotischen Armeepsychiaterin in ihrem Aquarium zu ertränken, vermutete Cordelia und seufzte bei der Erinnerung an ihren quälenden und chaotischen Abschied von Kolonie Beta. Würde ihr guter Ruf je wieder hergestellt werden? Sicher nicht, solange Ezars Geheimnisse in nur vier Köpfen aufbewahrt wurden.

Nein. Kolonie Beta war für sie verschlossen, hatte sie vertrieben. Barrayar besaß kein Privileg auf politische Idiotie, soviel war sicher.

Ich komme mit Barrayar zurecht. Aral und ich. Darauf kannst du wetten.

Es war Zeit, ins Haus zu gehen. Die Sonne verursachte ihr leichte Kopfschmerzen.

KAPITEL 4

Ein Aspekt ihres neuen Lebens als Gemahlin des Regenten, mit dem Cordelia leichter zurechtkam, als sie erwartet hatte, war der Zustrom von persönlichen Wachen in ihr Heim. Ihre Erfahrungen im Betanischen Erkundungsdienst und Vorkosigans Erfahrungen im barrayaranischen Militär hatten ihnen beiden Praxis darin gegeben, eng aufeinander zu leben. Cordelia brauchte nicht lange, bis sie die Leute in den Uniformen kannte und sie in ihrer Art akzeptierte. Die Wachen waren eine lebhafte junge Gruppe, handverlesen für ihren Dienst und stolz darauf. Wenn allerdings auch Piotr mit all seinen Livrierten im Haus war, dann wurde Cordelias Gefühl, in einer Kaserne zu wohnen, akut.

Es war der Graf, der zuerst die Idee aufbrachte, zwischen Illyans Leuten und seinen Männern ein inoffizielles Turnier im Nahkampf abzuhalten.

Obwohl der Sicherheitskommandant etwas von freiem Training auf des Kaisers Kosten murmelte, wurde ein Kampfring im Hintergarten eingerichtet, und der Wettbewerb wurde schnell zu einer allwöchentlichen Tradition. Selbst Koudelka trat in den Ring, als Schiedsrichter und Experte, während Piotr und Cordelia für Beifall sorgten. Zu Cordelias Befriedigung schaute Vorkosigan zu, wann immer seine Zeit es erlaubte, sie fühlte, er brauchte die Pausen in der aufreibenden Routine der Regierungsgeschäfte, der er sich tagtäglich unterwarf.