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»Das habe ich nicht gedacht.«

Der Bodenwagen hielt an einem Tor in einer Steinmauer. Vier Wachen inspizierten sie gründlich, prüften Illyans Passierschein und winkten sie dann durch. All diese Wachen, hier und am Palais Vorkosigan — wogegen hielten sie Wache? Gegen andere Barrayaraner, vermutlich, in der in viele Gruppen aufgesplitterten politischen Landschaft. Eine typisch barrayaranische Redewendung, die der alte Graf benutzt hatte und die sie amüsierte, ging ihr jetzt beunruhigend durch den Kopf. Mit all dem Mist hier muß es doch irgendwo ein Pony geben. Pferde waren praktisch unbekannt auf Kolonie Beta, außer einigen wenigen Tieren in Zoos. Mit all den Wachen hier … Aber wenn ich niemandes Feind bin, wie kann dann irgend jemand mein Feind sein?

Illyan, der auf seinem Sitz herumgerutscht war, meldete sich jetzt zu Wort.

»Sir, ich möchte anregen«, sagte er vorsichtig zu Vorkosigan, »ja sogar darum bitten, daß Sie es sich noch einmal überlegen und hier in der kaiserlichen Residenz Quartier beziehen. Sicherheitsprobleme — meine Probleme« — er lächelte schwach, was nicht gut für sein Image war, denn bei seinen stumpfen Zügen sah er dabei wie ein junger Hund aus — »kann man hier viel leichter in den Griff bekommen.«

»An welche Suite haben Sie dabei gedacht?«, fragte Vorkosigan.

»Nun ja, wenn … Gregor die Nachfolge antritt, dann werden er und seine Mutter in die Kaisersuite umziehen. Dann werden Kareens Räume leerstehen.«

»Prinz Sergs Räume, meinen Sie.« Vorkosigan blickte grimmig drein. »Ich … ich denke, ich würde es vorziehen, meine offizielle Residenz im Palais Vorkosigan zu haben. Mein Vater verbringt in letzter Zeit mehr und mehr Zeit auf dem Land in Vorkosigan Surleau, ich glaube, er hat überhaupt nichts dagegen, dorthin umzuziehen.«

»Ich kann diese Idee nicht unterstützen, Sir. Ausschließlich vom Standpunkt der Sicherheit. Das Palais liegt in der Altstadt. Die Straßen dort sind Labyrinthe. Die ganze Gegend ist von mindestens drei alten Tunnelsystemen durchzogen, von alten Abwasser- und Transportkanälen, und es gibt dort zu viele neue hohe Gebäude, von denen man einen beherrschenden Ausblick hat. Es werden mindestens sechs Vollzeitpatrouillen für den alleroberflächlichsten Schutz notwendig sein.«

»Haben Sie die Leute?«

»Hm, ja.«

»Also dann Palais Vorkosigan.« Illyan schaute enttäuscht drein, Vorkosigan wollte ihn trösten: »Das mag schlecht sein vom Standpunkt der Sicherheit, aber dafür gibt es einen guten Eindruck in der Öffentlichkeit. Es verleiht der neuen Regentschaft einen ausgezeichneten Stil von soldatischer Bescheidenheit. Und dürfte helfen, paranoide Ängste vor einem Palastputsch zu verringern.«

Und jetzt kamen sie an dem Palast an, von dem die Rede war. Der Gebäudekomplex der kaiserlichen Residenz ließ Palais Vorkosigan klein aussehen. Breit hingelagerte Flügel erhoben sich zwei bis vier Stockwerke hoch und wurden da und dort von Türmen akzentuiert. Anbauten aus verschiedenen Epochen verliefen kreuz und quer und schufen sowohl weite wie heimelige Höfe, einige davon waren richtig proportioniert, andere sahen eher zufällig aus. Die Ostfassade war im einheitlichsten Stil gehalten, überladen mit Steinmetzarbeiten. Die Nordseite war aufgelockerter und gliederte sich kunstvoll gestaltete architektonische Gärten ein. Der Westteil war das älteste, der Südteil das jüngste Bauwerk.

Der Bodenwagen fuhr an eine zweistöckige Vorhalle heran, und Illyan führte sie vorbei an noch mehr Wachen und über weite Steintreppen in eine ausgedehnte Zimmerflucht im ersten Stock. Sie stiegen langsam hinauf, da sie ihre Schritte Leutnant Koudelkas unbeholfenem Gang anpaßten. Koudelka blickte auf mit einem befangenen, entschuldigenden Stirnrunzeln, dann senkte er wieder seinen Kopf in Konzentration — oder in Scham? Hat denn dieser Platz hier keinen Lift? fragte sich Cordelia irritiert. Auf der anderen Seite dieses Steinlabyrinths, in einem Raum mit einem Ausblick auf die nördlichen Gärten, lag ein weißhaariger alter Mann ausgelaugt und sterbend auf dem riesigen Bett seiner Vorfahren …

In dem geräumigen oberen Korridor, der mit weichen Teppichen ausgelegt war und geschmückt mit Gemälden und mit Wandtischen, auf denen Unmengen Nippsachen standen — wohl Kunstwerke, vermutete Cordelia —, trafen sie auf Oberst Negri, der leise mit einer Frau sprach, die mit verschränkten Armen dastand. Cordelia hatte den berühmten — oder berüchtigten — Chef der kaiserlichen Sicherheitspolizei von Barrayar tags zuvor zum erstenmal getroffen, nach Vorkosigans historischem Berufungsgespräch mit dem bald hinscheidenden Ezar Vorbarra. Negri war ein zäher, rundschädeliger Mann mit hartem Gesichtsausdruck, der seinem Kaiser fast vierzig Jahre mit Leib und Leben gedient hatte, eine finstere Legende mit schwer zu lesenden Augen.

Jetzt verneigte er sich über ihrer Hand und nannte sie ›Mylady‹, als meinte er es, oder zumindest nicht mit mehr Ironie als bei ihm üblich. Die alerte blonde Frau — ein Mädchen? — trug gewöhnliche zivile Kleidung.

Sie war groß und muskulös, und sie erwiderte Cordelias Blick mit noch größerem Interesse.

Vorkosigan und Negri tauschten kurze Grüße aus in dem telegraphischen Stil zweier Männer, die schon so lange miteinander verkehrt hatten, daß alle konventionellen Höflichkeiten in eine Art von knappem Code komprimiert waren. »Und das ist Fräulein Droushnakovi.« Mit einer Handbewegung stellte Negri die Frau vor, doch klang es eher, als habe er sie zu Cordelias Nutzen mit einem Namensetikett versehen.

»Und was ist eine Droushnakovi?«, fragte Cordelia leichthin und etwas entmutigt. Alle Leute hier schienen immer eher informiert zu werden als sie, obwohl Negri es auch unterlassen hatte, Leutnant Koudelka vorzustellen.

Koudelka und Droushnakovi blickten sich verstohlen an.

»Ich bin eine Dienerin der Inneren Kammer, Mylady.« Droushnakovi verneigte sich vor Cordelia und deutete einen Knicks an.

»Und wem dienen Sie, außer der Kammer?«

»Prinzessin Kareen, Mylady. Das ist nur mein offizieller Titel. Ich stehe auf Oberst Negris Personaletat als Leibwache Erster Klasse.« Es war schwer zu sagen, welcher Titel ihr mehr Stolz und Vergnügen bereitete, aber Cordelia vermutete, es war der zweite.

»Ich bin sicher, Sie müssen gut sein, wenn Sie von ihm so eingestuft wurden.«

Dies gewann ihr ein Lächeln ab und: »Danke, Mylady. Ich bemühe mich.«

Sie alle folgten Negri durch eine nahe gelegene Tür in einen langen, gelben, sonnigen Raum mit vielen Fenstern nach Süden zu. Cordelia fragte sich, ob die bunt gemischte Einrichtung aus unbezahlbaren antiken Stücken oder nur aus schäbigen Möbeln zweiter Wahl bestand. Sie konnte es nicht erkennen. Eine Frau saß wartend auf einem kleinen gelben Sofa am anderen Ende des Raumes und blickte ihnen ernst entgegen, während sie zusammen auf sie zugingen.

Prinzessin-Witwe Kareen war eine schmächtige, angespannt aussehende Frau von dreißig, ihr schönes dunkles Haar war kunstvoll frisiert, ihr graues Kleid jedoch von einfachem Schnitt. Einfach, aber vollkommen.

Ein dunkelhaariger Junge von etwa vier Jahren lag bäuchlings ausgestreckt auf dem Boden und hielt gemurmelte Zwiesprache mit seinem Spielzeugstegosaurus in der Größe einer Katze. Sie hieß ihn aufstehen, den Spielroboter ausschalten und sich neben sie setzen, dabei hielten seine Hände das lederne ausgestopfte Tier in seinem Schoß fest umklammert. Cordelia war erleichtert zu sehen, daß der kleine Prinz seinem Alter entsprechend vernünftige, bequeme Spielkleidung trug.

Mit formellen Worten stellte Negri Cordelia der Prinzessin und Prinz Gregor vor. Cordelia war nicht sicher, ob sie sich verbeugen, einen Hofknicks machen oder salutieren sollte, und schließlich verneigte sie sich flüchtig wie zuvor Droushnakovi. Gregor blickte sie ernst und zweifelnd an, und sie lächelte ihm auf — wie sie hoffte — beruhigende Weise zu.