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»Nein«, sagte Kareen, »das war er nicht. Ich dachte, er war Vorrutyers Kreatur.«

»Er entschied … er entschied sich, anders zu sein. Ich glaube, das war die heldenhafteste Tat, die ich je gesehen habe. Mitten aus jenem Sumpf von Bosheit und Verrücktheit, zu greifen nach …« Cordelia brach ab, es war ihr zu peinlich zu sagen: zu greifen nach Erlösung. Nach einer Pause fragte sie: »Geben Sie Admiral Vorrutyer die Schuld dafür, daß Prinz Serg … hm … verdorben wurde?« Solange sie die Atmosphäre reinigten …

Niemand erwähnt Prinz Serg. Er dachte, eine blutige Abkürzung zur Kaiserherrschaft zu nehmen, und jetzt ist er einfach … verschwunden.

»Ges Vorrutyer …« — Kareens Hand zuckte — »fand in Serg einen gleichgesinnten Freund. Einen schöpferischen Gefolgsmann in seinen schändlichen Vergnügungen. Vielleicht war nicht … alles Vorrutyers Schuld. Ich weiß es nicht.«

Cordelia spürte, daß dies eine ehrliche Antwort war. Kareen fügte leise hinzu: »Ezar hat mich vor Serg beschützt, nachdem ich schwanger geworden war. Ich hatte meinen Mann sogar mehr als ein Jahr lang nicht gesehen, als er in Escobar getötet wurde.«

Vielleicht werde ich auch Prinz Serg nicht wieder erwähnen. »Ezar war ein machtvoller Beschützer. Ich hoffe, daß Aral es ebenso gut macht«, bot Cordelia an. Sollte sie von Kaiser Ezar schon in der Vergangenheitsform sprechen? Jeder andere schien das zu tun.

Kareen kehrte wieder in die Gegenwart zurück und schüttelte sich wach.

»Tee, Lady Vorkosigan?« Sie lächelte und berührte ein Komm-Link, ein winziges Funksprechgerät, das in einer juwelenbesetzten Nadel auf ihrer Schulter verborgen war, und gab Befehle an das Haushaltspersonal.

Offensichtlich war der private Teil des Gesprächs vorüber. Captain Naismith mußte nun herausfinden, wie Lady Vorkosigan zusammen mit einer Prinzessin Tee trinken sollte.

Gregor und die Leibwächterin kamen etwa zur gleichen Zeit zurück, als die Cremetorten serviert wurden, und Gregor machte sich erfolgreich daran, den Damen ein zweites Stück abzuschmeicheln. Beim dritten Stück jedoch sagte Kareen unnachgiebig nein. Prinz Sergs Sohn schien ein völlig normaler Junge zu sein, wenn auch etwas scheu in Gegenwart von Fremden. Cordelia beobachtete ihn und Kareen mit tiefer persönlicher Anteilnahme.

Mutterschaft, jede Frau erlebte sie. Wie schwer konnte das sein?

»Wie gefällt Ihnen Ihr neues Zuhause bisher, Lady Vorkosigan?«, fragte die Prinzessin, um höfliche Konversation bemüht. Jetzt ging es nur um Plauderei am Teetisch, nicht um nackte Wahrheiten. Nicht vor den Kindern.

Cordelia überlegte. »Der Wohnsitz auf dem Land, im Süden in Vorkosigan Surleau, ist einfach schön. Dieser wundervolle See — er ist größer als jedes offene Gewässer auf ganz Kolonie Beta, aber für Aral ist das einfach selbstverständlich. Ihr Planet ist unvergleichlich schön.« Ihr Planet. Nicht mein Planet? Bei einem Test freier Assoziationen löste das Wort ›Zuhause‹ in Cordelias Bewußtsein immer noch die Vorstellung ›Kolonie Beta‹ aus. Aber sie könnte für immer an diesem See in Vorkosigans Armen ruhen.

»Die Hauptstadt hier — nun, sie ist sicherlich vielfältiger als alles, was wir zu Hau… — auf Kolonie Beta haben. Obwohl«, sie lachte befangen, »hier scheinen so viele Soldaten zu sein. Das letztemal, wo ich von so vielen grünen Uniformen umgeben war, da befand ich mich in einem Kriegsgefangenenlager.«

»Sehen Sie in uns immer noch den Feind?«, fragte die Prinzessin neugierig.

»Oh — ich hatte schon aufgehört, in Ihnen allen den Feind zu sehen, bevor der Krieg zu Ende war. Nur verschiedenartige Opfer, auf verschiedene Weise blind.«

»Sie haben einen durchdringenden Blick, Lady Vorkosigan.« Die Prinzessin nippte an ihrem Tee und lächelte in ihre Tasse. Cordelia blinzelte.

»Palais Vorkosigan tendiert zu einer Kasernenatmosphäre, wenn Graf Piotr dort residiert«, merkte Cordelia an. »All seine Männer in Livree. Ich glaube, ich habe auch schon ein paar Dienstmädchen gesehen, die um die Ecken huschten, aber ich habe noch keines treffen können. Eine barrayaranische Kaserne, das ist es. Mein Dienst in Beta war eine ganz andere Sache.«

»Gemischt«, sagte Droushnakovi. Blitzte in ihren Augen Neid? »Frauen und Männer in gemeinsamem Dienst.«

»Die Zuteilung der Aufgaben erfolgt nach einem Eignungstest«, stimmte Cordelia zu. »Ganz konsequent. Natürlich werden die körperlich anstrengenderen Arbeiten den Männern zugeschoben, aber es scheint mit ihnen nicht dieses seltsame, zwanghafte Statusdenken verknüpft zu sein,«

»Respekt«, seufzte Droushnakovi.

»Ja, wenn Menschen ihr Leben für ihre Gemeinschaft aufs Spiel setzen, dann sollten sie sicherlich deren Respekt genießen«, sagte Cordelia gleichmütig. »Ich vermisse meine … meine Offizierskolleginnen, glaube ich. Die intelligenten Frauen, die Technikerinnen, wie auch meinen Freundeskreis zu Hause.« Da war wieder dieses heikle Wort, ›zu Hause‹.

»Es muß doch auch hier irgendwo gescheite Frauen geben, bei all den gescheiten Männern. Wo verstecken sie sich nur?« Cordelia verstummte, als ihr plötzlich bewußt wurde, daß Kareen diese Bemerkung irrtümlicherweise als eine Verunglimpfung ihrer selbst auffassen könnte.

Wenn sie jetzt anfügte Anwesende ausgenommen, dann würde sie jedoch ganz sicher ins Fettnäpfchen treten.

Doch wenn Kareen es so auffaßte, so behielt sie dies für sich, und Cordelia wurde vor weiteren möglichen gesellschaftlichen Peinlichkeiten durch die Rückkehr von Aral und Illyan bewahrt. Man verabschiedete sich allseits höflich, und sie kehrten nach Palais Vorkosigan zurück.

Am selben Abend tauchte Kommandant Illyan überraschend in Palais Vorkosigan mit Droushnakovi im Schlepptau auf. Sie schleifte einen großen Koffer mit sich und blickte sich mit vor Neugierde funkelnden Augen um.

»Oberst Negri beauftragt Fräulein Droushnakovi mit der persönlichen Sicherheit der Gemahlin des Regenten«, erklärte Illyan knapp. Aral nickte zustimmend.

Später überreichte Droushnakovi Cordelia eine versiegelte Botschaft auf dickem, cremefarbenem Papier.

Cordelia hob die Augenbrauen und öffnete das Schreiben. Die Handschrift war klein und regelmäßig, die Unterschrift leserlich und ohne Schnörkel.

Mit meinen besten Wünschen, stand da. Sie wird bestens zu Ihnen passen.

Kareen.

KAPITEL 2

Als Cordelia am nächsten Morgen erwachte, war Vorkosigan schon weggegangen, und sie selbst fand sich konfrontiert mit dem ersten Tag auf Barrayar ohne seinen Beistand. Sie entschloß sich, den Tag dem Kauf zu widmen, der ihr in den Sinn gekommen war, als sie am Abend zuvor beobachtet hatte, wie Koudelka sich mit der Wendeltreppe abmühte. Sie vermutete, daß Droushnakovi die ideale einheimische Führerin für das war, was sie vorhatte.

Sie kleidete sich an und machte sich auf die Suche nach ihrer Leibwächterin. Es war nicht schwer, sie zu finden: Droushnakovi saß im Flur, direkt vor der Tür des Schlafzimmers, sie sprang auf und nahm Haltung an, als Cordelia erschien. Das Mädchen sollte wirklich eine Uniform tragen, überlegte Cordelia. Das Kleid, das sie trug, ließ sie mit ihren gut ein Meter achtzig und ihrer ausgezeichneten Muskulatur schwerfällig erscheinen. Cordelia fragte sich, ob sie als Gemahlin des Regenten das Recht auf eine eigene Livree hätte, und während des Frühstücks war sie in Gedanken damit beschäftigt, eine Livree zu entwerfen, die des Mädchens walkürenhaftes gutes Aussehen hervorheben würde.