Выбрать главу

»Nun, wir tun das auch. Allerdings gewöhnlich vor der Empfängnis.«

»Auch bei der Geburt. Und danach, im Hinterland.«

»Oh.«

»Was die zu Krüppeln gemachten Erwachsenen anbelangt …«

»Guter Gott, ihr praktiziert mit denen doch nicht etwa Euthanasie, oder?«

»Dein Fähnrich Dubauer würde hier nicht mehr leben.«

Dubauer hatte Disruptor-Feuer auf den Kopf bekommen und überlebt. Irgendwie.

»Was Verletzungen wie die Koudelkas oder noch schlimmere angeht … das soziale Stigma ist da sehr groß. Beobachte ihn einmal in einer größeren Gruppe, die nicht seine engen Freunde sind. Es ist kein Zufall, daß die Selbstmordrate unter den aus medizinischen Gründen entlassenen Soldaten hoch ist.«

»Das ist ja schrecklich.«

»Ich habe das einmal als selbstverständlich hingenommen. Jetzt … nicht mehr. Aber viele Leute tun es noch.«

»Und was ist mit Problemen wie dem von Bothari?«

»Das kommt darauf an. Er war ein brauchbarer Spinner. Die unbrauchbaren …« Er brach ab und starrte auf seine Stiefel.

Cordelia fröstelte. »Ich denke immer, daß ich anfange, mich an diese Welt hier anzupassen. Dann gehe ich um eine andere Ecke und stoße dann blindlings auf Sachen wie diese.«

»Es ist erst achtzig Jahre her, seit Barrayar wieder Kontakt mit der umfassenderen galaktischen Zivilisation aufgenommen hat. In der Zeit der Isolation haben wir nicht nur Technologie verloren. Die haben wir schnell wieder drauf gehabt, wie einen geborgten Mantel. Aber darunter … sind wir an manchen Stellen noch ziemlich nackt. In vierundvierzig Jahren habe ich erst begonnen zu sehen, wie nackt.«

Bald darauf kamen Graf Vortala und seine ›Abweichler‹, und Vorkosigan verschwand mit ihnen in der Bibliothek. Der alte Graf Piotr Vorkosigan, Arals Vater, traf später an diesem Abend aus seinem Landbezirk ein, er war gekommen, um bei der Vollversammlung des Rates abzustimmen.

»Nun, da ist ja eine Stimme, derer er sich morgen sicher sein kann«, scherzte Cordelia mit ihrem Schwiegervater, als sie ihm im Foyer aus der Jacke half.

»Ha, er hat Glück, daß er sie bekommt. Er hat in den letzten paar Jahren einige verflucht radikale Ideen aufgeschnappt. Wenn er nicht mein Sohn wäre, dann könnte er auf meine Stimme lange warten.« Aber auf Piotrs runzeligem Gesicht war Stolz zu lesen.

Cordelia zwinkerte bei dieser Beschreibung von Aral Vorkosigans politischen Ansichten. »Ich gestehe, ich habe ihn nie für einen Revolutionär gehalten. Radikal muß ein viel dehnbarerer Begriff sein, als ich dachte.«

»Ach, er schätzt sich selber auch nicht so ein. Er meint, er kann die Hälfte des Weges gehen und dann haltmachen. Aber ich glaube, er wird sich auf dem Rücken eines Tigers reitend wiederfinden, wenn er diesen Weg ein paar Jahre gegangen sein wird.« Der Graf schüttelte grimmig den Kopf. »Aber komm, mein Mädchen, und setz dich und sag mir, daß es dir gut geht. Du siehst gut aus  ist alles in Ordnung?«

Der alte Graf war leidenschaftlich interessiert an der Entwicklung seines zukünftigen Enkels. Cordelia spürte, daß ihre Schwangerschaft ihren Status bei ihm enorm angehoben hatte, von einer geduldeten Kaprice Arals zu etwas, das schon gefährlich ans Halbgöttliche grenzte. Er nahm sie geradezu unter Beschuß mit seinem Beifall. Es war nahezu unwiderstehlich, und sie lachte nie über ihn, obwohl sie sich keinen Illusionen hingab.

Cordelia hatte erfahren, daß Aral mit seiner Voraussage über die Reaktion seines Vaters auf ihre Schwangerschaft, die er an jenem Tag gemacht hatte, als sie mit der bestätigenden Botschaft nach Hause gekommen war, voll ins Schwarze getroffen hatte. Sie war an jenem Sommertag auf das Gut in Vorkosigan Surleau zurückgekehrt, um Aral drunten bei der Bootsanlegestelle zu suchen. Er machte sich an seinem Segelboot zu schaffen und hatte seine Segel ausgelegt, die in der Sonne trockneten, während er mit nassen Schuhen um sie herumplatschte.

Er schaute auf und begegnete ihrem Lächeln, und dabei konnte er die Ungeduld in seinen Augen nicht verbergen. »Nun?« Dabei hüpfte er ein wenig auf seinen Absätzen hin und her.

»Nun.« Sie versuchte einen traurigen und enttäuschten Ausdruck anzunehmen, aber ein Grinsen entschlüpfte ihr und breitete sich über ihr ganzes Gesicht aus. »Dein Doktor sagt, es ist ein Junge.«

»Ah.« Ein langer und vielsagender Seufzer entwich ihm, und er packte sie und wirbelte sie herum.

»Aral! Paß auf! Laß mich nicht fallen!« Er war nicht größer als sie, nur … hm … kräftiger.

»Niemals!« Er ließ sie an sich heruntergleiten und sie gaben sich einen langen Kuß, der in Gelächter endete.

»Mein Vater wird begeistert sein.«

»Du siehst ja selbst schon ziemlich begeistert aus.«

»Ja, aber du hast noch nichts dergleichen gesehen, solange du nicht einen altmodischen barrayaranischen pater familias gesehen hast in Verzückung über einen neuen Sproß an seinem Stammbaum. Seit Jahren war der arme alte Herr davon überzeugt, seine Linie würde mit mir enden.«

»Wird er mit verzeihen, daß ich aus dem gewöhnlichen Volk und von einer anderen Welt stamme?«

»Ich möchte dir nicht zu nahe treten, aber diesmal glaube ich nicht, daß es ihm was ausgemacht hat, welche Spezies von Frau ich heimgeschleift habe, solange sie nur fruchtbar ist. Du glaubst, ich übertreibe?«, fügte er hinzu, als sie hell auflachte. »Du wirst es schon sehen.«

»Ist es zu früh, schon an einen Namen zu denken?«, fragte sie etwas nachdenklich.

»Da gibt es nichts zu denken. Erstgeborener Sohn. Das ist hier eine strenge Sitte: Er bekommt seine Namen nach seinen beiden Großvätern.

Nach dem väterlichen den ersten, nach dem mütterlichen den zweiten.«

»Ach, deshalb ist eure Geschichte so verwirrend zu lesen. Ich mußte immer Jahreszahlen neben diese immer gleichen Namen stellen, damit ich den Überblick behielt. Piotr Miles. Hm. Nun, ich glaube, ich kann mich daran gewöhnen. Ich hatte an etwas … anderes gedacht.«

»Das nächste Mal, vielleicht.«

»Ganz schön ehrgeizig.«

Dem folgte eine kurze Rangelei, denn Cordelia hatte zuvor schon die nützliche Entdeckung gemacht, daß er in bestimmten Stimmungen kitzliger war als sie. Sie errang sich eine gehörige Portion Rache, und schließlich lagen sie lachend im Gras in der Sonne.

»Das ist sehr würdelos«, beschwerte sich Aral, als sie ihn aufstehen ließ.

»Hast du Angst, ich schockiere Negris Menschenfischer dort draußen auf dem See?«

»Den kann nichts mehr schockieren, das garantiere ich dir.«

Cordelia winkte zu dem fernen Luftkissenboot hinüber, aber dessen Insasse ignorierte standhaft ihre Geste. Zuerst war sie ärgerlich gewesen, als sie erfuhr, daß Aral unter ständiger Beobachtung des kaiserlichen Sicherheitsdienstes stand, später hatte sie sich damit abgefunden. Sie vermutete, daß dies der Preis für seine Verwicklung in die geheime und tödliche Politik des Krieges um Escobar, und die Strafe für einige seiner weniger willkommenen unverblümten Meinungsäußerungen.

»Ich kann verstehen, warum du es dir zum Hobby gemacht hast, mit ihnen Katz und Maus zu spielen. Vielleicht sollten wir freundlicher werden und sie zum Essen oder so einladen. Ich meine, daß sie mich jetzt schon so gut kennen müssen, da möchte ich sie auch gern mal kennenlernen.« Hatte Negris Mann die familiäre Unterhaltung aufgezeichnet, die sie gerade geführt hatten? Gab es Abhörgeräte in ihrem Schlafzimmer? In ihrem Bad?

Aral grinste, aber er antwortete: »Sie dürften es nicht annehmen. Sie essen oder trinken nur das, was sie selber mitbringen.«

»Du lieber Himmel, wie paranoid. Ist das wirklich nötig?«

»Manchmal. Ihr Geschäft ist gefährlich. Ich beneide Sie nicht.«

»Ich denke, da draußen herumzusitzen und dich zu beobachten dürfte einen netten kleinen Urlaub ausmachen. Der wird doch eine tolle Sonnenbräune heimbringen.«