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»Einen Schritt nach dem anderen«, erwiderte Vorkosigan grimmig, »so kann ich die ganze Welt umrunden. Schau mir nur zu.«

Am fünften Tag wurde Gregor zurück in die Hauptstadt gebracht.

Vorkosigan und Cordelia nahmen es beide zusammen auf sich, ihm von Kareens Tod zu erzählen, Er weinte verwirrt. Als er wieder ruhig war, wurde er in einem Bodenwagen mit einem durchsichtigen Schutzschirm zu einer Truppenbesichtigung gefahren, tatsächlich besichtigten die Truppen ihn, damit er lebendig gesehen wurde und so schließlich Vordarians Gerüchte über seinen Tod zerstreute. Cordelia fuhr mit ihm.

Seine stille Verstörtheit tat ihr im Herzen weh, aber es war ihrer Meinung nach besser so, als wenn man zuerst vor ihm paradiert und dann erst über Kareen erzählt hätte. Wenn sie es in diesem Falle hätte ertragen müssen, daß er während der ganzen Fahrt immer wieder gefragt hätte, wann er denn seine Mutter wieder sehen könnte, dann wäre sie am Ende selbst zusammengebrochen.

Kareens Bestattung war öffentlich, allerdings viel weniger zeremoniös, als sie unter weniger chaotischen Umständen stattgefunden hätte. Zum zweiten Mal in einem Jahr mußte Gregor ein Opferfeuer entzünden. Vorkosigan bat Cordelia, Gregors Hand mit der Fackel zu führen. Dieser Teil der Trauer-Zeremonie erschien ihr fast überflüssig nach dem, was sie der Residenz angetan hatte. Cordelia warf eine üppige Locke ihres eigenen Haars in das Feuer. Gregor klammerte sich eng an sie.

»Werden die mich auch umbringen?«, flüsterte er ihr zu. Er klang dabei nicht geängstigt, sondern nur auf morbide Weise neugierig. Vater, Großvater, Mutter — alle in einem Jahr gestorben: kein Wunder, daß er sich als Ziel fühlte, obwohl in seinem Alter sein Verständnis für den Tod noch konfus war.

»Nein«, sagte sie entschlossen. Ihr Arm faßte kräftiger um seine Schulter. »Ich werde sie nicht lassen.« Gott helfe ihr, diese unbegründete Zusicherung schien ihn wirklich zu trösten.

Ich werde für deinen Sohn sorgen, Kareen, dachte Cordelia, als die Flammen emporloderten. Dieser Schwur war teurer als alle Geschenke, die da verbrannt wurden, denn er band ihr Leben untrennbar an Barrayar. Aber die Hitze auf ihrem Gesicht milderte ein wenig den Schmerz in ihrem Kopf.

Cordelias Seele fühlte sich wie eine erschöpfte Schnecke, in einer Schale aus gläserner Benommenheit. Sie bewegte sich wie ein Automat durch den Rest der Zeremonie, obwohl es blitzartige Augenblicke der Klarheit gab, wenn ihre Umgebung überhaupt keinen Sinn machte. Die versammelten barrayaranischen Vor reagierten auf sie mit einer starren, tiefen Förmlichkeit. Sie halten mich sicher für verrückt und gefährlich, eine Wahnsinnige, die von allzu nachsichtigen Verwandten aus der Dachkammer gelassen wurde. Schließlich dämmerte es ihr, daß die übertriebenen Höflichkeiten der Vor Respekt bedeuteten.

Es machte sie wütend. Kareens ganze Tapferkeit des Erduldens hatte ihr nichts gebracht. Lady Vorpatrils tapfere und blutige Entbindung wurde für selbstverständlich genommen, aber wenn man irgendeinem Idioten den Kopf abschlägt, dann war man wirklich jemand — bei Gott!

Aral brauchte, als sie zu seinem Quartier zurückgekehrt waren, eine Stunde, um sie zu beruhigen, und dann hatte sie einen Weinkrampf. Er hielt es aus.

»Wirst du davon Gebrauch machen?«, fragte sie, als die pure Müdigkeit sie wieder zu einem Anschein von Gefaßtheit brachte. »Von diesem, diesem … meinem erstaunlichen neuen Status?« Wie sie das Wort verabscheute, das in ihrem Mund so sauer schmeckte.

»Ich werde alles gebrauchen«, versprach er ruhig, »wenn es mir helfen wird, in fünfzehn Jahren Gregor als geistig gesunden und fähigen Mann auf den Thron zu bringen, der eine stabile Regierung führt. Dich gebrauchen, mich gebrauchen, was immer notwendig ist. So viel zu zahlen und dann zu scheitern, das wäre unerträglich.«

Sie seufzte und legte ihre Hand in die seine. »Im Falle eines Unfalls spende auch meine übriggebliebenen Körperteile. Das ist die betanische Sitte. Vergeude nichts.«

Er schürzte hilflos seine Lippen. Gesicht an Gesicht lehnten sie einen Augenblick lang ihre Stirnen aneinander und umarmten sich. »Das will ich nicht.«

Ihr stummes Versprechen an Kareen wurde zur Politik, als sie und Aral vom Rat der Grafen offiziell zu Gregors Vormunden bestellt wurden. Das war juristisch irgendwie verschieden von Arals Vormundschaft des Reiches als Regent. Premierminister Vortala nahm sich die Zeit, ihr darüber einen Vortrag zu halten und ihr klarzumachen, daß ihre neuen Pflichten keinerlei politische Vollmachten einschlossen. Sie hatte wirtschaftliche Funktionen, einschließlich der Treuhänderschaft über gewisse Vorbarra-Besitztümer, die vom kaiserlichen Besitz getrennt waren und strikt zu Gregors Titel als Graf Vorbarra gehörten. Und durch Arals Auftrag erhielt sie die Aufsicht über den Haushalt des Kaisers. Und seine Erziehung.

»Aber, Aral«, sagte Cordelia verwirrt, »Vortala hat betont, daß ich keine Macht hätte.«

»Vortala … ist nicht allwissend. Sagen wir einfach, er hat ein bißchen Schwierigkeiten, gewisse Formen der Macht zu erkennen, die nicht gleichbedeutend mit Gewalt sind. Die Möglichkeit deiner Einflußnahme ist allerdings beschränkt, denn mit zwölf Jahren wird Gregor in eine Vorbereitungsschule auf die Akademie eintreten.«

»Aber können die denn erkennen …?«

»Ich kann es. Und du kannst es. Das ist genug.«

KAPITEL 20

Eine von Cordelias ersten Anordnungen war, Droushnakovi wieder mit dem Schutz von Gregors Person zu betrauen, seiner emotionalen Kontinuität zuliebe. Dies bedeutete nicht, daß sie auf die Gesellschaft des Mädchens verzichten mußte, auf diesen Beistand, an den sie sich zutiefst gewöhnt hatte, denn auf Illyans erneutes Drängen bezog Aral endlich Wohnräume in der kaiserlichen Residenz. Es erleichterte Cordelias Herz, als Drou und Kou einen Monat nach dem Winterfest heirateten.

Cordelia bot sich als Vermittlerin zwischen den beiden Familien an. Aus irgendeinem Grund lehnten Kou und Drou beide das Angebot hastig ab, allerdings mit überschwenglichem Dank. Angesichts der verwirrenden Fallstricke der gesellschaftlichen Sitten von Barrayar, überließ Cordelia diese Aufgabe ebenso glücklich der erfahrenen älteren Dame, die das Paar engagierte.

Cordelia sah Alys Vorpatril oft, denn sie besuchten sich gegenseitig zu Hause. Der kleine Lord Ivan war für Alys wenn auch nicht gerade ein Trost, so doch sicher eine Ablenkung in ihrer langsamen Genesung von ihrer physischen Zerreißprobe. Er wuchs schnell, trotz einer Neigung zu unnötigen Aufregungen, die Cordelia nach einiger Zeit als iatrogenen Charakterzug erkannte, ausgelöst von dem vielen Wirbel, den Alys um ihn machte. Ivan sollte drei oder vier Geschwister haben, die sich die Aufmerksamkeit seiner Mutter teilten, schloß Cordelia, als sie Alys beobachtete, wie sie Klein-Ivan an ihrer Schulter sein Bäuerchen machen ließ und gleichzeitig laut ihre Pläne verkündete, wie er aufgrund seiner Erziehung mit achtzehn Jahren die schwierigen Aufnahmeprüfungen der Kaiserlichen Militärakademie in Angriff nehmen würde.

Alys Vorpatril wurde von ihrer bitteren Trauer um Padma und ihren detailfreudigen Planungen von Ivans Leben abgelenkt, als sie einen Blick auf ein Bild des Brautkleides werfen durfte, für das Drou sich begeisterte.

»Nein, nein, nein!«, rief sie und schauderte zurück. »All das Spitzenzeug — Sie würden so pelzig wie ein großer weißer Bär aussehen. Seide, meine Liebe, lange Faltenwürfe aus Seide, das ist es, was Sie brauchen!«, und schon war sie unterwegs. Die mutter- und schwesterlose Drou konnte kaum eine kundigere Brautberaterin gefunden haben. Lady Vorpatril machte schließlich das Kleid zu einem ihrer verschiedenen Geschenke, um sich dessen ästhetischer Vollkommenheit gewiß zu sein, zusammen mit einem ›kleinen Ferienhäuschen‹, das sich dann als ein stattliches Haus an der Ostküste herausstellte. Im Sommer würde Drous Traum vom Strand wahr werden. Cordelia grinste und erwarb für das Mädchen ein Nachtgewand und einen Morgenmantel, die mit genügend Schichten von Spitze besetzt waren, um auch das am meisten nach Verzierungen lechzende Herz zu befriedigen.