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»Fieber hat sie nicht«, sagte er und notierte etwas auf einem Krankenblatt, »aber bei Kindern in dem Alter hat das ohnehin nichts zu bedeuten. Unter einem Jahr kann es sein, dass sie gar kein Fieber kriegen, selbst bei einer schweren Infektion nicht.«

»Hat sie das?«, fragte ich. »Hat sie eine Infektion?«

»Ich weiß nicht. Ich tippe auf ein Virus, wegen des Hautausschlags. Aber wir müssten das vorläufige Blutergebnis gleich -ah, schön.« Eine Krankenschwester gab ihm im Vorbeigehen einen Zettel. »Ähh ... hmmm ...« Er hielt inne. »Also ...«

»Also was?«, fragte ich und trat wieder von einem Bein aufs andere.

Er starrte kopfschüttelnd auf das Blatt. Er antwortete mir nicht.

»Also was?«

»Es ist keine Infektion«, sagte er. »Die Anzahl der weißen Blutkörperchen ist normal, Proteinfraktion normal. Ihr Immunsystem ist absolut nicht mobilisiert.«

»Was bedeutet das?«

Er war sehr ruhig, stand da, runzelte die Stirn und dachte nach. Ich fragte mich, ob er vielleicht einfach nur dumm war. Heutzutage gingen die besten Leute nicht mehr in die Medizin, nicht bei unserem reglementierten Gesundheitswesen. Der junge Bursche gehörte vielleicht zum neuen Schlag einfältiger Ärzte.

»Wir müssen das diagnostische Netz erweitern«, sagte er. »Ich werde eine allgemeinmedizinische Untersuchung veranlassen, eine neurologische Untersuchung, wir ziehen einen Dermatologen hinzu und jemanden, der auf Infektionskrankheiten spezialisiert ist. Das bedeutet, eine Menge Leute werden mit Ihnen über Ihre Tochter sprechen und immer wieder die gleichen Fragen stellen, aber .«

»Das macht nichts«, sagte ich. »Kein Problem. Aber ... was glauben Sie denn, was sie hat?«

»Ich weiß es nicht, Mr. Forman. Wenn es keine Infektion ist, suchen wir nach anderen Gründen für die Hautreaktion. Sie waren mit ihr nicht im Ausland?«

»Nein.« Ich schüttelte den Kopf.

»Sie ist auch nicht kürzlich mit Metallen oder Toxinen in Berührung gekommen?«

»Auf welche Weise?«

»Müllhalden, Fabriken, Chemikalien .«

»Nein, nein.«

»Haben Sie irgendeine Vermutung, was die Reaktion ausgelöst haben könnte?«

»Nein, nichts ... Moment, sie ist gestern geimpft worden.«

»Gegen was?«

»Ich weiß nicht, was man in ihrem Alter eben so kriegt .«

»Sie wissen nicht, was für Impfungen?«, sagte er. Sein No-tizbuch war aufgeklappt, sein Stift schwebte über der Seite.

»Nein, Herrgott noch mal«, sagte ich gereizt, »ich weiß nicht, was für Impfungen. Bei jedem Termin kriegt sie eine andere Spritze. Sie sind doch schließlich der Arzt ...«

»Schon gut, Mr. Forman«, sagte er beruhigend. »Ich weiß, es ist stressig. Sagen Sie mir einfach, wie der Arzt heißt, ich rufe ihn dann an, was halten Sie davon?«

Ich nickte. Ich wischte mir mit der Hand über die Stirn. Ich schwitzte. Ich buchstabierte für ihn den Namen des Kinderarztes, und er schrieb mit. Ich versuchte, ruhig zu werden. Ich versuchte, klar zu denken.

Und die ganze Zeit über brüllte mein Baby immer weiter.

Eine halbe Stunde später bekam sie Krämpfe.

Sie fingen an, als sich gerade einer von den Spezialisten in Weiß über sie beugte und sie untersuchte. Ihr kleiner Körper krümmte und wand sich. Sie gab Würgelaute von sich, als müsste sie sich übergeben. Ihre Beine schlugen krampfartig. Sie fing an zu keuchen. Ihre Augen drehten sich nach innen.

Ich weiß nicht mehr, was ich in dem Moment alles sagte oder tat, aber ein stämmiger Krankenpfleger von der Größe eines Footballspielers kam herein, stieß mich an den Rand des Behandlungsraumes und hielt meine Arme fest. Ich blickte an seiner breiten Schulter vorbei, während sechs Personen sich um meine Tochter herumdrängten; eine Krankenschwester mit einem Bart-Simpson-T-Shirt steckte ihr eine Nadel in die Stirn. Ich fing an zu schreien und versuchte, mich loszureißen. Der Krankenpfleger rief: »Köpfen, köpfen, köpfen.« Schließlich begriff ich, dass er »Kopfvene« sagte. Er erklärte, das sei nur für die Infusion, weil das Baby dehydriert sei. Deshalb habe sie die Krämpfe bekommen. Ich hörte die Worte Elektrolyte, Magnesium, Kalium.

Jedenfalls hörten die Krämpfe gleich danach auf. Aber Amanda brüllte weiter.

Ich rief Julia an. Sie war wach. »Wie geht es ihr?«

»Unverändert.«

»Weint sie noch immer? Ist sie das?«

»Ja.« Sie konnte Amanda im Hintergrund hören.

»Mein Gott.« Sie stöhnte. »Was sagen die Ärzte?«

»Sie wissen noch nicht, was sie hat.«

»Ach, die arme Kleine.«

»Sie ist schon von rund fünfzig Ärzten untersucht worden.«

»Kann ich irgendwas tun?«

»Ich glaube nicht.«

»Okay. Sag mir Bescheid.«

»Okay.«

»Ich schlafe nicht.«

»Okay.«

Kurz vor Tagesanbruch verkündeten die versammelten Experten, dass sie entweder einen Darmverschluss oder einen Gehirntumor habe und dass zur Klärung eine Kernspintomografie durchgeführt werden solle. Der Himmel erhellte sich blassgrau, als Amanda in den Untersuchungsraum gebracht wurde, in dessen Mitte das große, weiße Gerät stand. Die Krankenschwester sagte, es würde meine Tochter beruhigen, wenn ich bei der Vorbereitung dabei wäre, und sie zog die Nadel aus der Kopfvene, weil keine Metallgegenstände mit in das Gerät durften. Blut spritzte hervor und lief über Amandas Stirn ins Auge. Die Krankenschwester wischte es ab.

Jetzt wurde Amanda auf ein weißes Brett geschnallt, das in die Tiefen des Geräts rollte. Meine Tochter starrte in Panik nach oben auf die Apparatur, noch immer schreiend. Ich ging in den Nebenraum, der ein Fenster hatte, in Richtung des Tomografen.

Der Techniker war ein Ausländer mit dunkler Hautfarbe. »Wie alt ist sie? Ist es überhaupt eine Sie?«

»Ja, eine Sie. Neun Monate.«

»Hat aber schon kräftige Lungen.«

»Ja.«

»Los geht's.« Er hantierte mit seinen Knöpfen und Schiebern, wobei er meine Tochter kaum eines Blickes würdigte.

Amanda verschwand vollständig in dem Gerät. Ihr Schluchzen hörte sich blechern über den Lautsprecher an. Der Techniker betätigte einen Schalter, und die Pumpe begann zu rattern; es war ziemlich laut. Trotzdem hörte ich meine Tochter weiter schreien.

Und dann hörte sie plötzlich auf.

Sie war völlig still.

»Gott«, sagte ich. Ich sah den Techniker und die Krankenschwester an. Ihre Gesichter zeigten Entsetzen. Wir alle dachten das Gleiche, etwas Schreckliches war passiert. Mein Herz hämmerte. Der Techniker stellte hastig die Pumpen ab, und wir eilten zurück in den Raum.

Meine Tochter lag da, noch immer angeschnallt, schwer atmend, aber offensichtlich wohlauf. Sie blinzelte langsam, als wäre sie benommen. Schon jetzt war ihre Haut deutlich heller geworden, rosa, hatte stellenweise wieder ihre normale Farbe. Die Rötung wurde praktisch vor unseren Augen schwächer. »Mich laust der Affe«, sagte der Techniker.

Zurück in der Notaufnahme wollten die Ärzte Amanda nicht nach Hause lassen. Sie waren noch immer der Meinung, dass sie einen Tumor oder eine gefährliche Darmgeschichte habe, und bestanden darauf, sie zur Beobachtung dazubehalten. Doch der Hautausschlag ließ zusehends nach. Im Laufe der nächsten Stunde verblasste die rosa Färbung und verschwand schließlich ganz.

Niemand konnte sich erklären, was passiert war, und die Ärzte waren besorgt. Amanda hatte wieder die Infusion in der Kopfvene, diesmal auf der anderen Seite der Stirn. Aber als ich ihr das Fläschchen gab, saugte sie es gierig leer. Sie starrte, wie immer, wenn ich sie fütterte, mit ihrem hypnotischen Blick zu mir hoch. Es schien ihr tatsächlich wieder gut zu gehen. Sie schlief in meinen Armen ein.