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»Keine Ahnung.« Ich konnte mich einfach nicht daran gewöhnen, dass ich ständig wissen sollte, wo sich die persönlichen Habseligkeiten der Kinder befanden. Erics Gameboy, sein Baseball-Handschuh, Nicoles rückenfreie T-Shirts, ihr Armband .

»Aber ich kann ihn nicht finden.« Eric blieb in der Tür stehen, kam nicht näher, damit ich ihn ja nicht zum Tischdecken verdonnerte.

»Hast du richtig gesucht?«

»Überall, Dad.«

»Mhm. Hast du in deinem Zimmer nachgesehen?«

»In allen Ecken.«

»Wohnzimmer?«

»Überall.«

»Im Auto? Vielleicht hast du ihn im Auto liegen lassen?«

»Hab ich nicht, Dad.«

»Vielleicht in deinem Spind in der Schule?«

»Wir haben keine Spinde, wir haben Fächer.«

»Hast du in deinen Jackentaschen nachgesehen?«

»Dad. Manno. Ich hab überall gesucht. Ich brauch ihn.«

»Wenn du ihn schon überall gesucht hast, werde ich ihn wohl auch nicht finden, oder?«

»Dad. Würdest du mir bitte helfen?«

Der Schmorbraten brauchte noch eine gute halbe Stunde. Ich legte das Messer hin und ging in Erics Zimmer. Ich sah an den üblichen Stellen nach, hinten in seinem Kleiderschrank, wo Sachen auf einem Haufen lagen (darüber würde ich mit Maria reden müssen), unter dem Bett, hinter dem Nachttisch, in der unteren Schublade im Bad und unter den Bergen von Zeug auf seinem Schreibtisch. Eric hatte Recht. Der MP3-Player war nicht in seinem Zimmer. Wir gingen Richtung Wohnzimmer. Auf dem Weg dorthin warf ich einen Blick in Amandas Zimmer. Und ich sah ihn auf der Stelle. Er lag auf dem Regal neben der Wickelkommode, genau neben den Tuben mit Babysalbe. Eric nahm ihn sich. »He, danke, Dad!« Und weg war er.

Es hätte nichts gebracht, ihn zu fragen, warum der Player im Babyzimmer war. Ich ging zurück in die Küche und schnippelte weiter meine grünen Bohnen. Fast im selben Augenblick:

»Daa-ad!«

»Was denn jetzt?«, rief ich.

»Er funktioniert nicht!«

»Schrei nicht so.«

Er kam wieder in die Küche, mit Schmollmiene. »Sie hat ihn kaputtgemacht.«

»Wer hat ihn kaputtgemacht?«

»Amanda. Sie hat drauf rumgesabbert oder was weiß ich und ihn kaputtgemacht. Das ist gemein.«

»Hast du die Batterie überprüft?«

Er bedachte mich mit einem mitleidigen Blick. »Ja klar, Dad. Ich sag dir doch, sie hat ihn kaputtgemacht! Das ist gemein.«

Ich bezweifelte, dass sein MP3-Player kaputt war. Das Ding war ein Festkörperbauelement, ohne bewegliche Teile. Und es war zu groß für Amandas kleine Hände. Ich warf die Bohnen in ein Sieb und hielt ihm die Hand hin. »Gib her.«

Wir gingen in die Garage, und ich holte meine Werkzeugkiste heraus. Eric beobachtete jede meiner Bewegungen. Ich hatte einen ganzen Satz von den kleinen Werkzeugen, die man für Computer und elektronische Geräte braucht. Vier Kreuzschlitzschrauben, und die hintere Abdeckung fiel in meine Hand. Ich blickte jetzt auf die grüne Schaltplatte. Sie war mit einer feinen, grauen Staubschicht bedeckt. Wie Fusseln aus einem Wäschetrockner, und sie lag über allen elektronischen Teilen. Ich hatte den Verdacht, dass Eric mit dem Gerät in der Hosentasche beim Baseball an die Home Base gerutscht war. Deshalb funktionierte es wahrscheinlich nicht. Aber ich überprüfte auch noch den Rand des Plastikgehäuses, wo die Rückwand eingepasst wurde, und entdeckte eine Gummidichtung. Das Ding war also luftdicht . wie es sein sollte.

Ich pustete den Staub weg, um besser sehen zu können. Ich hoffte, vielleicht einen losen Batterieanschluss zu finden oder einen Speicherchip, der sich vor Hitze gelöst hatte, irgendetwas, was sich leicht reparieren ließ. Mit zusammengekniffenen Augen spähte ich auf die Chips, versuchte, die Beschriftung zu lesen. Die Schrift auf einem Chip war undeutlich, denn irgendwas hatte anscheinend .

Ich hielt inne.

»Was ist?«, sagte Eric, der mich beobachtete.

»Gib mir das Vergrößerungsglas.«

Eric gab mir die große Lupe, und ich zog meine Halogenlampe tiefer, beugte mich über den Chip und nahm ihn genau in Augenschein. Ich konnte die Schrift nicht lesen, weil die Oberfläche des Chips zerfressen war. Der gesamte Chip war wie von Bächen durchzogen, ein Flussdelta en miniature. Jetzt war mir klar, wo der Staub herkam. Das waren die pulverisierten Überreste des Chips.

»Kannst du das reparieren, Dad?«, fragte Eric. »Kannst du?«

Was könnte die Ursache gewesen sein? Das übrige Motherboard schien in Ordnung. Der Steuerchip war intakt. Nur der Speicherchip war beschädigt. Ich war zwar kein HardwareSpezialist, aber ich hatte dennoch genug Ahnung, um kleinere Computerarbeiten durchführen zu können. Ich konnte Festplat-ten installieren, die Speicherkapazität erweitern, solche Sachen eben. Ich hatte auch schon mit Speicherchips zu tun gehabt, aber so etwas war mir noch nie untergekommen. Ich fand nur eine Erklärung, der Chip musste fehlerhaft gewesen sein. Diese MP3-Player wurden vermutlich mit den billigsten Einzelteilen gebaut.

»Dad? Kriegst du ihn wieder hin?«

»Nein«, sagte ich. »Ich brauche einen neuen Chip. Ich besorg dir morgen einen.«

»Weil sie ihn voll gesabbert hat, nicht?«

»Nein. Ich glaube, der Chip ist fehlerhaft.«

»Dad. Er war ein ganzes Jahr in Ordnung. Sie hat ihn voll gesabbert. Das ist gemein!«

Wie aufs Stichwort fing das Baby an zu schreien. Ich ließ den MP3 auf der Werkbank liegen und ging zurück ins Haus. Ich sah auf meine Uhr. Ich hatte gerade noch Zeit, Amanda die Windel zu wechseln und ihren Brei zum Abendessen anzurühren, bevor der Braten aus dem Ofen musste.

Um neun Uhr schliefen die beiden Kleinsten bereits, und das Haus war still bis auf Nicoles Stimme, die sagte: »Das hört sich ziemlich ernst an. Das hört sich ziemlich ernst an. Das hört sich ... ziemlich ernst an.« Sie stand vor dem Badezimmerspiegel, starrte sich an und übte ihren Text.

Ich hatte von Julia eine Nachricht auf der Mailbox, dass sie um acht zu Hause sein würde, aber sie hatte es nicht geschafft. Ich würde ihr nicht hinterhertelefonieren. Außerdem war ich müde, zu müde, um die Energie aufzubringen, mir ihretwegen Sorgen zu machen. Ich hatte in den vergangenen Monaten jede Menge Tricks gelernt - die meisten hingen mit dem großzügigen Einsatz von Alufolie zusammen, damit ich nicht so viel sauber machen musste -, doch nachdem ich gekocht, den Tisch gedeckt, die Kinder gesättigt, Flugzeug gespielt, damit die Kleine ihren Brei aß, den Tisch abgeräumt, den Hochstuhl abgewischt, das Baby ins Bett gebracht und dann die Küche sauber gemacht hatte, war ich trotzdem müde. Zumal das Baby den Brei immer wieder ausgespuckt und Eric die ganze Zeit gemäkelt hatte, das sei gemein, er wollte Chicken Nuggets statt Braten.

Ich ließ mich aufs Bett fallen und schaltete den Fernseher ein.

Es kam nur Schnee, und dann wurde mir klar, dass der DVDPlayer noch an war und die Verbindung zum Fernsehempfänger unterbrach. Ich drückte die Fernbedienung, und die Disc im Gerät wurde abgespielt. Es war Julias Präsentation, von vor einigen Tagen.

Die Kamera bewegte sich durch die Blutbahn und ins Herz. Wieder sah ich, dass die Blutflüssigkeit nahezu farblos war, mit hüpfenden roten Blutkörperchen. Julia sprach jetzt. Sie hatte eine Audioeinspielung vom schlagenden Herzen. Die Versuchsperson auf dem Tisch lag reglos da, die Antenne dicht über dem Körper.

»Wir verlassen jetzt die Herzkammer und sehen die Aorta vor uns ... Und jetzt fahren wir durch das arterielle Gefäßsystem .«

Sie wandte sich dem Monitor der Nanokamera zu.

»Die Bilder, die Sie sehen, sind sehr schnell, aber wir können die Kamera bis zu einer halben Stunde lang im Kreislauf belassen, und wir können von allem, was wir sehen wollen, extrem detaillierte Aufnahmen machen. Wir können die Kamera sogar anhalten, und zwar mithilfe eines starken Magnetfeldes. Wenn wir fertig sind, leiten wir das Blut einfach durch eine Kanülenschleife um, die von einem starken Magnetfeld umgeben ist, das die Partikel heraussaugt. Und anschließend schicken wir den Patienten nach Hause.«