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Julia erschien wieder auf dem Bildschirm. »Die Xymos-Technologie ist ungefährlich, zuverlässig und extrem einfach zu handhaben. Es ist kein speziell ausgebildetes Personal erforderlich; jede Krankenschwester oder MTA kann sie bedienen. Allein in den Vereinigten Staaten sterben jedes Jahr eine Million Menschen an Gefäßerkrankungen. Über dreißig Millionen leiden an Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Die kommerziellen Möglichkeiten dieser Bildtechnologie sind enorm. Weil sie schmerzlos, einfach und ungefährlich ist, wird sie andere Techniken wie CAT Scans und die Angiografie ersetzen und zum Standardverfahren werden. Wir werden die Nanoka-meras, die Antennen und Monitorsysteme vermarkten. Die Kosten für eine Untersuchung mit unserer Methode liegen bei nur zwanzig Dollar. Im Vergleich dazu belaufen sich bei gewissen Gentechnologien die Kosten pro Untersuchung gegenwärtig auf zwei- bis dreitausend Dollar. Doch selbst bei lediglich zwanzig Dollar erwarten wir schon im ersten Jahr weltweite Einnahmen von bis zu vierhundert Millionen Dollar. Und sobald sich die Methode durchgesetzt hat, werden sich diese Zahlen verdreifachen. Es geht hier um eine Technologie, die eins Komma zwei Milliarden Dollar im Jahr abwirft. Wenn Sie jetzt noch Fragen haben ...«

Ich gähnte und schaltete den Fernseher aus. Es war beeindruckend, und ihre Argumente waren überzeugend. Ich konnte gar nicht verstehen, warum Xymos Probleme hatte, die Finanzierung für die nächste Runde sicherzustellen. Investoren müssten sich doch die Finger danach lecken.

Aber vielleicht gab es gar keine Probleme. Vielleicht schob Julia die Finanzierungskrise nur vor, um jeden Abend spät nach Hause kommen zu können. Aus ganz persönlichen Gründen.

Ich machte das Licht aus. Als ich im Bett lag und im Dunkeln an die Decke starrte, schossen mir flüchtige Bilder durch den Kopf. Julias Oberschenkel, über dem Bein eines anderen Mannes. Julias durchgedrückter Rücken. Julia, die schwer atmete, die Muskeln angespannt. Ihre Hand, die nach oben griff, um gegen das Kopfende des Bettes zu drücken. Ich konnte die Bilder einfach nicht verscheuchen.

Schließlich stand ich auf und sah nach den Kindern. Nicole war noch auf und schrieb E-Mails an ihre Freundinnen. Ich sagte ihr, es sei Zeit, das Licht auszumachen. Eric hatte seine Bettdecke weggetreten. Ich zog sie wieder hoch. Amanda war noch immer violett, aber sie schlief tief und fest, ihr Atem sanft und regelmäßig.

Ich ging wieder ins Bett. Ich zwang mich, an etwas anderes zu denken, um endlich einzuschlafen. Ich warf mich hin und her, drehte mich von einer Seite auf die andere, rückte das Kopfkissen zurecht, stand auf, um ein Glas Milch zu trinken und Plätzchen zu essen. Schließlich und endlich fiel ich in einen unruhigen Schlaf.

Und ich hatte einen sehr merkwürdigen Traum.

Irgendwann in der Nacht drehte ich mich um und sah Julia neben dem Bett stehen und sich ausziehen. Sie bewegte sich langsam, als wäre sie müde oder ganz verträumt, während sie ihre Bluse aufknöpfte. Sie stand von mir abgewandt, aber ich konnte ihr Gesicht im Spiegel sehen. Sie sah wunderschön aus, fast königlich. Ihre Gesichtszüge wirkten wie gemeißelt, stärker als ich es in Erinnerung hatte, aber vielleicht lag es am Licht.

Ich hatte die Augen nur halb geöffnet. Sie sah nicht, dass ich wach war. Sie knöpfte sich weiter die Bluse auf. Ihre Lippen bewegten sich, als würde sie irgendetwas flüstern oder beten. Ihre Augen wirkten leer, gedankenverloren.

Und während ich sie betrachtete, wurden ihre Lippen auf einmal dunkelrot und dann schwarz. Aber sie schien es nicht zu bemerken. Die Schwärze floss von ihrem Mund über die Wangen und die untere Gesichtshälfte und dann auf ihren Hals. Ich hielt den Atem an. Ich spürte eine große Gefahr. Die Schwärze strömte nun als breites Tuch an ihrem Körper hinab, bis sie ganz bedeckt war, wie von einem Umhang. Nur die obere Hälfte ihres Gesichts blieb frei. Ihre Miene war gelassen, ja, Julia wirkte entrückt, starrte einfach ins Leere, während sich ihre dunklen Lippen leise bewegten. Bei ihrem Anblick drang mir eine Kälte tief in die Knochen. Dann, einen Moment später, glitt das schwarze Tuch auf den Boden und verschwand.

Julia, wieder normal, zog sich die Bluse aus und ging ins Bad.

Ich wollte aufstehen und ihr folgen, aber ich konnte meinen Körper nicht bewegen. Eine schwere Müdigkeit hielt mich fest, lähmte mich förmlich. Ich war so erschöpft, dass ich kaum noch atmen konnte. Dieses bleierne Müdigkeitsgefühl nahm rasch zu und überwältigte mein waches Bewusstsein. Es war wie eine nahende Ohnmacht, ich schloss die Augen und schlief ein.

4. Tag, 6.40 Uhr

Am nächsten Tag war mir der Traum noch in Erinnerung, lebhaft und beunruhigend. Er kam mir ausgesprochen real vor, überhaupt nicht wie ein Traum.

Julia war schon auf. Ich stieg aus dem Bett und ging zu der Stelle, wo ich sie in der Nacht gesehen hatte. Ich blickte auf den Teppich, den Nachttisch, die zerwühlten Laken und das Kopfkissen. Alles war normal, nichts anders als sonst. Nirgendwo dunkle Linien oder Spuren.

Ich ging ins Bad und sah mir die Kosmetika an, die auf ihrer Seite des Waschbeckens ordentlich aufgereiht standen. Alles, was ich sah, war ganz normal. So verstörend mein Traum auch gewesen war, er war und blieb ein Traum.

Doch eines stimmte tatsächlich: Julia war wirklich schöner denn je. Als ich in die Küche kam, wo sie sich gerade Kaffee eingoss, sah ich, dass ihr Gesicht in der Tat wie gemeißelt wirkte, markanter. Julia hatte immer ein rundliches Gesicht gehabt. Jetzt war es schmal, klar konturiert. Sie sah aus wie ein Topmodel. Auch ihr Körper - als ich ihn mir genauer ansah -kam mir straffer vor, muskulöser. Sie hatte nicht abgenommen, sie sah einfach gut aus, straff, sportlich.

Ich sagte: »Du siehst toll aus.«

Sie lachte. »Das kann ich mir kaum vorstellen. Ich bin völlig erschossen.«

»Wann bist du denn nach Hause gekommen?«

»Gegen elf. Ich hoffe, ich habe dich nicht geweckt.«

»Nein. Aber ich hatte einen komischen Traum.«

»Ach ja?«

»Ja, und zwar ...«

»Mommy! Mommy!« Eric platzte in die Küche. »Das ist gemein! Nicole lässt mich nicht ins Bad. Seit einer Stunde ist sie schon da drin. Das ist gemein!«

»Dann geh doch in unser Bad.«

»Aber ich brauch doch meine Socken, Mommy. Das ist gemein.«

Das Problem war bekannt. Eric hatte zwei Paar Lieblingssocken, die er so lange trug, bis sie vor Dreck standen. Aus irgendeinem Grund genügten die anderen Socken in seiner Schublade seinen Ansprüchen nicht. Warum, konnte er mir bislang nicht erklären. Aber das morgendliche Sockenanziehen war ein Riesenproblem.

»Eric«, sagte ich, »wir haben doch schon öfter darüber gesprochen, du sollst dir frische Socken anziehen.«

»Aber das sind meine guten!«

»Eric. Du hast haufenweise gute Socken.«

»Das ist gemein, Dad. Seit einer Stunde ist sie da drin, echt.«

»Eric, hol dir andere Socken.«

»Dad .«

Ich zeigte bloß in Richtung seines Zimmers.

»Manno.« Er ging und knurrte vor sich hin, wie gemein das doch war.

Ich wandte mich Julia zu, um unser Gespräch fortzusetzen. Sie blickte mich kühl an. »Du merkst es nicht mal, was?«

»Was merke ich nicht?«

»Er hat mich angesprochen, und du hast die Situation einfach an dich gerissen. Du hast das Ganze einfach an dich gerissen.«

Augenblicklich wurde mir klar, dass sie Recht hatte. »Tut mir Leid«, sagte ich.

»Ich krieg die Kinder zurzeit nicht sehr oft zu sehen, Jack. Ich finde, ich sollte mit ihnen Sachen klären können, ohne dass du dich einmischst.«

»Tut mir Leid. Ich muss mich jeden Tag mit so was rumschlagen, und da hab ich wahrscheinlich .«