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»Wo?«

»Austin.«

Ich seufzte. »Annie. Julia hat einen Job, den sie mag, in dem sie sehr engagiert ist, und sie wird ihn jetzt nicht aufgeben. Meine Kinder gehen hier zur Schule, und .«

»Die Leute ziehen ständig um, Jack. Alle haben sie Kinder in der Schule. Kinder gewöhnen sich schnell wieder ein.«

»Aber Julia .«

»Andere Leute haben auch berufstätige Frauen. Sie ziehen trotzdem um.«

»Ich weiß, aber die Sache ist die, Julia .«

»Haben Sie schon mit ihr darüber gesprochen? Haben Sie das Thema angeschnitten?«

»Also, nein, weil ich .«

»Jack.« Annie blickte mich über den Laptop-Bildschirm hinweg an. »Ich denke, Sie sollten mit dem Quatsch aufhören.

Sie können es sich nicht erlauben, wählerisch zu sein. Sie entwickeln sich langsam zum Ladenhüter.«

»Ladenhüter«, sagte ich.

»Genau, Jack. Sie sind seit sechs Monaten ohne Arbeit. Das ist eine lange Zeit in der High-Tech-Branche. Die Firmen denken, mit Ihnen stimmt was nicht, wenn Sie so lange keinen Job gefunden haben. Die wissen zwar nicht, was da faul ist, aber sie nehmen einfach an, Sie haben zu viele Ablehnungen bekommen, von zu vielen anderen Firmen. Es dauert nicht mehr lange, und Sie werden nicht mal mehr zum Vorstellungsgespräch eingeladen. Nicht in San Jose, nicht in Armonk, nicht in Austin, nicht in Cambridge. Dann ist der Zug abgefahren. Haben Sie mich verstanden? Haben Sie verstanden, was ich gesagt habe?«

»Ja, aber .«

»Kein Aber, Jack. Sie müssen mit Ihrer Frau sprechen. Sie müssen sich irgendwas überlegen, um Ihr Ladenhüterdasein zu beenden.«

»Aber ich kann nicht weg aus dem Valley. Ich muss hier bleiben.«

»Hier sieht es nicht gut für Sie aus.« Sie aktivierte den Bildschirm wieder. »Ich brauche nur Ihren Namen zu erwähnen, und schon heißt es - sagen Sie mal, was ist da eigentlich los bei Media-Tronics? Blüht Don Gross eine Anklage?«

»Keine Ahnung.«

»Ich höre das Gerücht schon seit Monaten, aber es passiert einfach nichts. In Ihrem Interesse hoffe ich, dass da bald was publik wird.«

»Ich begreife das einfach nicht«, sagte ich. »Ich habe beste Erfahrungen in einem heiß umkämpften Bereich, MultiAgenten-Systeme, Parallelverarbeitung und ...«

»Heiß?«, sagte sie und warf mir einen schrägen Blick zu. »Parallelverarbeitung ist nicht heiß, Jack. Die ist regelrecht radioaktiv. Jeder im Valley geht davon aus, dass sie den entscheidenden Durchbruch im Bereich Künstliches Leben bringen wird.«

»Das wird sie auch«, sagte ich nickend.

In den vergangenen paar Jahren hatte das Künstliche Leben die Künstliche Intelligenz als langfristiges Computerziel abgelöst. Es sollten Programme geschrieben werden, die die Eigenschaften von Lebewesen aufwiesen - die Fähigkeit, sich zu adaptieren, zu kooperieren, zu lernen, sich Veränderungen anzupassen. Viele solcher Eigenschaften waren in der Robotik von großer Bedeutung, und sie wurden mittels Parallelverarbeitung bereits ansatzweise realisiert.

Durch Parallelverarbeitung konnte die Arbeit auf mehrere Prozessoren oder auf ein Netzwerk virtueller Agenten, die im Computer geschaffen wurden, verteilt werden. Um dies zu erreichen, gab es verschiedene Möglichkeiten. Man schuf eine große Population von recht dummen Agenten, die gemeinsam ein Ziel verfolgten - genau wie eine Kolonie von Ameisen zielorientiert zusammenarbeitete. Mein eigenes Team hatte hierzu viel geforscht.

Eine weitere Methode bestand darin, ein so genanntes neuronales Netzwerk zu erzeugen, das die Arbeitsweise des menschlichen Gehirns imitierte. Es hatte sich herausgestellt, dass selbst einfache neuronale Netze verblüffende Fähigkeiten aufwiesen. Sie konnten lernen. Sie konnten auf früheren Erfahrungen aufbauen. Auch damit hatten wir uns beschäftigt.

Außerdem - das war die dritte Technik - wurden virtuelle Gene im Computer erzeugt, wo sie sich dann in einer virtuellen Welt entwickeln konnten, bis irgendein Ziel erreicht war.

Und es gab noch etliche andere Verfahren. Insgesamt wichen alle enorm ab von der älteren Vorstellung von Künstlicher Intelligenz, kurz KI. Früher versuchten Programmierer für jede Situation Regeln zu erstellen. So wollten sie beispielsweise Computern beibringen, dass ein Kunde in einem Geschäft bezahlen musste, bevor er ging. Doch wie sich herausstellte, war dieses auf simplem gesundem Menschenverstand basierende Wissen ungeheuer schwer zu programmieren. Der Computer machte ständig Fehler. Neue Regeln wurden hinzugefügt, um diese Fehler auszumerzen. Dann noch mehr Fehler und noch mehr Regeln. Schließlich waren die Programme gigantisch, Millionen von Codezeilen lang, und sie versagten schon allein aufgrund ihrer Komplexität. Sie waren zu groß, um sie fehlerfrei hinzubekommen. Man konnte gar nicht mehr feststellen, wo die Probleme lagen.

Man gelangte also allmählich zu der Einsicht, dass eine auf Regeln basierende Künstliche Intelligenz nicht funktionieren würde. Deshalb wurde sie von vielen bereits totgesagt. Die Achtzigerjahre gaben den Englischprofessoren Auftrieb, die überzeugt waren, dass Computer es niemals mit menschlicher Intelligenz würden aufnehmen können.

Doch verteilte Agentennetzwerke öffneten völlig neue Türen. Und auch die Programmierphilosophie war neu. Bisher programmierte man »von oben nach unten«. Dem System als Ganzem wurden Verhaltensregeln vorgeschrieben.

Jetzt ging es »von unten nach oben«. Das Programm definierte die Reaktionsweise einzelner Agenten auf dem untersten Strukturlevel. Doch das Verhalten des gesamten Systems wurde nicht vorbestimmt. Es entwickelte sich aus der Summe von hunderten kleinen Interaktionen, die sich auf einer unteren Ebene vollzogen.

Weil das System nicht programmiert wurde, konnte es erstaunliche Resultate erzielen. Und zwar Resultate, die von den Programmierern nicht vorausgesagt werden konnten. Das war der Grund, warum sie »lebensähnlich« erscheinen konnten. Und das Gebiet war deshalb so heiß, weil .

»Jack.«

Annie klopfte mir auf die Hand. Ich blinzelte.

»Jack, haben Sie überhaupt ein Wort von dem gehört, was ich eben gesagt habe?«

»Tut mir Leid.«

»Sie widmen mir nicht Ihre volle Aufmerksamkeit«, sagte sie. Sie blies mir Zigarettenrauch ins Gesicht. »Ja, Sie haben Recht, Sie sind auf einem heiß umkämpften Gebiet. Aber deshalb sollten Sie sich erst recht Sorgen wegen Ihres Ladenhüterdaseins machen. Sie sind schließlich kein Elektroingenieur, der sich auf CD-Laufwerke spezialisiert hat. Heiße Gebiete verändern sich schnell. Sechs Monate können über Erfolg oder Untergang einer Firma entscheiden.«

»Ich weiß.«

»Sie sind gefährdet, Jack.«

»Ich verstehe.«

»Also. Sprechen Sie mit Ihrer Frau? Bitte?«

»Ja.«

»Okay«, sagte sie. »Aber tun Sie's auch wirklich. Denn sonst kann ich Ihnen nicht helfen.« Sie warf ihre brennende Zigarette in den Rest meines Cappuccinos. Die Glut zischte und erlosch. Annie klappte ihren Laptop zu, stand auf und ging.

Ich rief Julia an, erreichte sie aber nicht. Ich sprach ihr eine Nachricht auf die Mailbox. Ich wusste, dass es reine Zeitverschwendung war, das Thema Umzug überhaupt anzusprechen. Sie würde mit Sicherheit Nein sagen - vor allem dann, wenn sie einen Liebhaber hatte. Aber Annie hatte Recht, ich war in Schwierigkeiten. Ich musste etwas unternehmen. Ich musste sie fragen.

Ich saß an meinem Schreibtisch, drehte das SSVT-Kästchen in der Hand und überlegte, was ich tun sollte. Ich hatte noch anderthalb Stunden Zeit, bis ich die Kinder abholen musste. Ich wollte wirklich mit Julia sprechen. Ich beschloss, es über die Zentrale ihrer Firma zu versuchen, vielleicht wusste man dort, wo sie war.

»Xymos Technologies.«

»Julia Forman bitte.«

»Ich verbinde.« Etwas klassische Musik, dann eine andere Stimme. »Büro Miss Forman.«

Ich erkannte Carol, ihre Assistentin. »Carol, ich bin's, Jack.«