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Ich schob gerade meinen Einkaufswagen durch den Supermarkt, als ich einen Anruf aus dem Krankenhaus erhielt. Es war wieder der bartlose Assistenzarzt. Er wollte sich nach Amanda erkundigen, und ich sagte, dieser Bluterguss sei so gut wie verschwunden.

»Schön«, sagte er. »Freut mich zu hören.«

Ich fragte: »Was ist mit dem Kernspintomogramm?«

Der Arzt sagte, die Ergebnisse der Tomografie seien unerheblich, weil das Gerät defekt gewesen sei und Amanda gar nicht untersucht habe. »Wir sind sogar unsicher, was von den Ergebnissen der vergangenen Wochen zu halten ist«, sagte er. »Das Gerät war offenbar schon länger dabei, allmählich den Geist aufzugeben.«

»Wie das?«

»Es ist korrodiert oder so. Jedenfalls sind sämtliche Speicherchips pulverisiert.«

Ich dachte an Erics MP3-Player, und es lief mir kalt den Rücken runter. »Wie kann denn so was passieren?«, fragte ich.

»Die einleuchtendste Erklärung ist die, dass aus den Leitungen in der Wand Gas ausgetreten ist, vermutlich in der Nacht, und zu der Korrosion geführt hat. Zum Beispiel Chlorgas, das könnte solche Schäden verursachen. Komisch ist bloß, dass nur die Speicherchips kaputt waren. Die anderen waren in Ordnung.«

Die Dinge wurden von Minute zu Minute seltsamer. Und kurz darauf steigerte sich das Ganze noch, als Julia anrief und heiter und beschwingt verkündete, sie komme schon nachmittags nach Hause, und zwar so frühzeitig, dass sie mit uns zu Abend essen könne. »Ich freue mich auf Ellen«, sagte sie. »Warum kommt sie?«

»Ich glaube, sie braucht mal ein bisschen Tapetenwechsel.«

»Na, für dich ist es bestimmt auch schön, dass sie für ein paar Tage da ist. Eine Erwachsene im Haus.«

»Das kannst du laut sagen«, erwiderte ich.

Ich wartete auf eine Erklärung, warum sie nicht nach Hause gekommen war. Doch sie sagte nur: »He, ich muss Schluss machen, Jack, bis später dann ...«

»Julia«, sagte ich. »Moment noch.«

»Was denn?«

Ich zögerte, suchte nach Worten. Ich sagte: »Ich hab mir gestern Nacht deinetwegen Sorgen gemacht.«

»Wirklich? Warum?«

»Weil du nicht nach Hause gekommen bist.«

»Schatz, ich hab dich doch angerufen. Ich war draußen im Fertigungswerk und kam nicht mehr weg. Hast du denn deine Nachrichten nicht abgehört?«

»Doch .«

»Und von mir war keine dabei?«

»Nein. Keine.«

»Tja, das versteh ich nicht. Ich hab dir eine Nachricht hinterlassen, Jack. Ich hab zuerst zu Hause angerufen und hatte Maria am Apparat, aber sie konnte nicht, du weißt schon, es war zu kompliziert . Also hab ich dich anschließend auf dem Handy angerufen und dir eine Nachricht auf die Mailbox gesprochen, dass ich bis heute Morgen im Werk festsitzen würde.«

»Na ja, ich hab sie jedenfalls nicht bekommen«, sagte ich, bemüht, nicht beleidigt zu klingen.

»Tut mir Leid, Schatz, aber überprüf das mal. Ich muss jetzt wirklich Schluss machen. Wir sehen uns heute Abend, ja? Küsschen.«

Und sie legte auf.

Ich überprüfte mein Handy noch einmal. Es war keine Nachricht angezeigt. Ich sah in der Rufliste nach. Ich hatte gestern Abend keinen Anruf erhalten.

Julia hatte mich nicht angerufen. Niemand hatte mich angerufen.

Mutlosigkeit überkam mich, ich spürte wieder das Abrutschen in eine depressive Stimmung. Und ich fühlte mich müde, konnte mich kaum bewegen. Ich starrte die Produkte auf den Supermarktregalen an. Ich wusste nicht mal mehr, warum ich hier war.

Gerade hatte ich beschlossen, wieder zu gehen, als das Handy in meiner Hand klingelte. Ich klappte es auf. Es war Tim Bergman, mein Nachfolger bei MediaTronics. »Sitzt du gerade?«, fragte er.

»Nein. Wieso?«

»Ich hab ziemlich seltsame Neuigkeiten. Pass auf.«

»Okay .«

»Don will dich anrufen.«

Don Gross war mein ehemaliger Boss, der Mann, der mich gefeuert hatte. »Weswegen?«

»Er will dich wieder einstellen.«

»Er will was?«

»Ja. Ich weiß. Ganz schön verrückt. Dich wieder einstellen.«

»Wieso?«, fragte ich.

»Wir haben ein paar Probleme mit den verteilten Systemen, die wir an Kunden verkauft haben.«

»Welche?«

»Na ja, predprey.«

»Das ist doch eins von den älteren«, sagte ich. »Wer hat das gekauft?« predprey war ein System, das wir vor über einem Jahr entworfen hatten. Wie die meisten unserer Programme basierte es auf biologischen Modellen. predprey war ein zielorientiertes Programm, das auf der Räuber-Beute-Dynamik beruhte. Aber von der Struktur her war es ausgesprochen einfach.

»Na ja, Xymos wollte was ganz Einfaches«, sagte Tim.

»Ihr habt predprey an Xymos verkauft?«

»Genau. Genauer gesagt, die Lizenz. Mit einem SupportVertrag. Wir sind schon am Rande des Wahnsinns.«

»Wieso?«

»Es läuft einfach nicht richtig. Die Zielsuche ist völlig aus den Fugen geraten. Die meiste Zeit scheint das Programm sein Ziel zu verlieren.«

»Das überrascht mich nicht«, sagte ich, »wir haben keine Reinforcer spezifiziert.«

Reinforcer waren Programmelemente, die das Streben nach dem Ziel unterstützten. Sie sollten verhindern, dass die vernetzten Agenten, die ja lernfähig waren, etwas lernten, das sie vom Weg abbringen konnte. Man brauchte eine Möglichkeit, das eigentliche Ziel zu speichern, damit es nicht verloren ging. Agentenprogramme ließen sich nämlich im Grunde mit Kindern vergleichen. Sie vergaßen Dinge, verloren Dinge, ließen Dinge fallen.

Das alles war emergentes Verhalten. Es war nicht programmiert, aber es war das Ergebnis der Programmierung. Und genau das erlebte offenbar Xymos zurzeit.

»Also«, sagte Tim, »Don meint wohl, weil du damals das Team geleitet hast, als das Programm geschrieben wurde, bist du wie geschaffen dafür, es zu reparieren. Außerdem ist deine Frau im Management von Xymos, es wird also für die hohen Tiere eine Beruhigung sein, wenn du an Bord kommst.«

Ich war mir da nicht so sicher, aber ich sagte nichts.

»Jedenfalls, so sieht's aus«, fuhr Tim fort, »ich hab dich angerufen, um zu fragen, ob Don dich anrufen kann. Weil er sich keine Abfuhr einhandeln will.«

Wut stieg in mir hoch. Er will sich keine Abfuhr einhandeln. »Tim«, sagte ich. »Ich kann da nicht wieder arbeiten.«

»Oh, das würdest du auch nicht. Du würdest draußen im Fertigungswerk von Xymos arbeiten.«

»Ach ja? Wie soll denn das gehen?«

»Don würde dich als Berater im Außendienst einstellen. So was in der Art.«

»Aha«, sagte ich mit meiner neutralsten Stimme. Alles an diesem Angebot hörte sich falsch an. Ich hatte absolut keine Lust, wieder für das Arschloch Don zu arbeiten. Außerdem war es nie ratsam, in eine Firma zurückzukehren, die einen rausgeschmissen hatte - in keinem Fall, egal, unter welchen Bedingungen. Das wusste jeder.

Aber andererseits wäre ich mein Ladenhüterproblem los, wenn ich den Job als Berater annahm. Und ich käme endlich wieder aus dem Haus. Das waren mehrere Fliegen mit einer Klappe. Nach einer Pause sagte ich: »Hör zu, Tim, lass mich drüber schlafen.«

»Rufst du mich an?«

»Okay. Ja.«

»Wann rufst du an?«, fragte er.

Die Anspannung in seiner Stimme war unüberhörbar. Ich sagte: »Ist die Sache so dringend ...«

»Na ja, ziemlich. Wie gesagt, dieser Vertrag treibt uns in den Wahnsinn. Fünf Programmierer von deinem alten Team wohnen praktisch schon draußen im Xymos-Werk. Und sie kriegen das Problem einfach nicht in den Griff. Wenn du uns also nicht helfen willst, dann müssen wir uns anderweitig umschauen, schnellstens.«

»Okay, ich ruf dich morgen an«, sagte ich.

»Morgen früh?«, fragte er drängend.

»Okay«, sagte ich. »Ja, morgen früh.«