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»Sie ist also nicht in Lebensgefahr?«

»Sieht so aus.« Wieder eine Pause, während er lauschte. Ich hörte ihn sagen: »Ihr Mann ist hier bei mir, also acht-sieben.« Als er sich mir erneut zuwandte, sagte er: »Ja. Sie kommt gerade wieder zu sich. Im Krankenhaus muss abgeklärt werden, ob sie innere Verletzungen hat. Und sie hat einen gebrochenen Arm. Aber sie sagen, sie ist anscheinend nicht schwer verletzt. Sie legen sie jetzt auf eine Trage.«

»Gott sei Dank«, sagte ich.

Der Polizist nickte. »Die Straße ist an dieser Stelle tückisch.«

»Passiert so was hier oft?«

Er nickte. »Alle paar Monate. Meistens geht es nicht so glimpflich ab.«

Ich nahm mein Handy und rief Ellen an, bat sie, den Kindern zu sagen, sie sollten sich keine Sorgen machen, Mom werde wieder gesund. »Vor allem Nicole«, sagte ich.

»Ich mach das schon«, versprach Ellen.

Ich beendete das Gespräch und drehte mich zum Cop hin. »Was ist mit dem Beifahrer?«, fragte ich.

»Sie ist allein im Wagen.«

»Nein«, sagte ich. »Da war noch jemand bei ihr.«

Er sprach in sein Headset, schaute mich dann wieder an. »Die sagen, nein. Sonst ist niemand da.«

»Vielleicht ist er rausgeschleudert worden«, sagte ich.

»Die fragen Ihre Frau . « Er lauschte einen Moment. »Sie sagt, sie war allein.«

»Das kann nicht sein«, erwiderte ich.

Er blickte mich an, zuckte die Achseln. »Sie behauptet es jedenfalls.« Im blitzenden Blaulicht der Rettungswagen konnte ich seinen Gesichtsausdruck nicht sehen. Doch in seinem Tonfall schwang mit: Schon wieder einer, der seine eigene Frau nicht richtig kennt. Er wandte sich ab, blickte über den Rand der Straße.

Eines der Bergungsfahrzeuge hatte einen Stahlarm mit einer Winde ausgefahren, der jetzt über der Böschung hing. Ein Drahtseil wurde hinabgelassen. Ich sah, wie Männer mit den Füßen festen Halt an der steilen Böschung suchten, während sie eine Trage an der Winde befestigten. Ich konnte Julia nicht deutlich auf der Trage erkennen, sie war festgeschnallt, mit einer Thermofolie zugedeckt. Sie hob sich, schwebte durch den Kegel aus blauem Licht, dann ins Dunkel.

Der Cop sagte: »Die fragen nach Drogen und Medikamenten. Nimmt Ihre Frau Drogen oder Medikamente?«

»Nicht, dass ich wüsste.«

»Was ist mit Alkohol? Hatte sie was getrunken?«

»Wein beim Abendessen. Ein oder zwei Gläser.«

Der Cop drehte sich weg und sprach leise in der Dunkelheit. Nach einer Pause hörte ich ihn sagen: »Okay.«

Die Trage drehte sich langsam, während sie in die Luft stieg. Einer der Helfer, auf halber Höhe der Böschung, streckte den Arm aus und stabilisierte sie, bevor sie weiter nach oben schwebte.

Ich konnte Julia erst deutlich erkennen, als die Trage schon auf der Straße war und die Rettungshelfer sie herumdrehten und vom Seil lösten. Julias Gesicht war verquollen, die linke Wange lila und die Stirn über dem linken Auge ebenfalls. Sie musste ziemlich fest mit dem Kopf aufgeschlagen sein. Sie atmete flach. Ich ging neben der Trage her. Sie sah mich und sagte: »Jack ...« und versuchte zu lächeln.

»Bleib ganz ruhig«, sagte ich.

Sie hustete leicht. »Jack. Es war ein Unfall.«

Die Sanitäter manövrierten sie jetzt um das Motorrad herum. Ich musste aufpassen, wo ich hintrat. »Ja, ich weiß.«

»Es ist nicht so, wie du denkst, Jack.«

Ich sagte: »Was meinst du, Julia?« Ich hatte den Eindruck, dass sie fantasierte. Ihre Stimme wurde mal leiser, mal lauter.

»Ich weiß, was du denkst.« Ihre Hand packte meinen Arm. »Versprich mir, dass du dich nicht einmischst, Jack.«

Ich sagte nichts, ich ging einfach neben ihr her.

Sie drückte meinen Arm fester. »Versprich mir, dass du dich raushältst.«

»Ich verspreche es«, sagte ich.

Daraufhin lockerte sie ihren Griff, ließ meinen Arm los. »Das hat nichts mit unserer Familie zu tun. Den Kindern wird nichts passieren. Dir wird nichts passieren. Halt dich einfach raus, okay?«

»Okay«, sagte ich, nur, um sie zu besänftigen.

»Jack?«

»Ja, Schatz, ich bin da.«

Wir näherten uns jetzt dem ersten Rettungswagen. Die Türen schwangen auf. Einer vom Rettungsteam sagte: »Sind Sie mit ihr verwandt?«

»Ich bin ihr Mann.«

»Wollen Sie mitkommen?«

»Ja.«

»Rein mit Ihnen.«

Ich stieg als Erster in den Rettungswagen, dann schoben sie die Trage hinein, einer vom Rettungsteam folgte und knallte die Türen zu. Wir fuhren los, mit heulenden Sirenen.

Ich wurde von den zwei Sanitätern zur Seite geschoben, die sich gleich an die Arbeit machten. Einer notierte sich etwas auf einem Klemmbrett, und der zweite legte an Julias Arm eine Infusion an. Sie waren wegen ihres fallenden Blutdrucks besorgt. Der beunruhigte sie ernsthaft. Während Julia verarztet wurde, konnte ich sie nicht richtig sehen, aber ich hörte sie murmeln.

Ich versuchte, näher heranzurücken, aber die Sanitäter schoben mich zurück. »Lassen Sie uns unsere Arbeit machen, Sir. Ihre Frau ist verletzt. Wir müssen da dran.«

Den Rest der Fahrt saß ich auf einem kleinen Klappsitz und hielt mich an einem Griff an der Wand fest, wenn der Wagen sich in die Kurven legte. Julia fantasierte jetzt ganz eindeutig, brabbelte unsinniges Zeug. Ich hörte sie etwas von »den schwarzen Wolken« sagen, die »nicht mehr schwarz« waren. Dann hielt sie plötzlich eine Art Vortrag, sprach von »pubertä-rer Aufsässigkeit«. Sie erwähnte Amanda mit Namen, Eric auch, und fragte, ob es ihnen gut gehe. Sie wirkte aufgeregt. Die Sanitäter versuchten, sie zu beruhigen. Und schließlich wiederholte sie immer nur noch: »Ich hab nichts Böses getan, ich wollte nichts Böses tun«, während der Rettungswagen durch die Nacht raste.

Während ich ihr zuhörte, wuchs unwillkürlich meine Unruhe.

Die Untersuchung ergab, dass Julia möglicherweise doch ernstere Verletzungen hatte, als anfänglich vermutet. Es galt einiges auszuschließen: möglicher Beckenbruch, mögliche Hämatome, möglicher Halswirbelbruch. Der linke Arm war an zwei Stellen gebrochen und musste eventuell genagelt werden. Am meisten Sorgen machte den Ärzten Julias Becken. Als sie sie auf die Intensivstation verlegten, bewegten sie sie so behutsam wie möglich.

Aber Julia war bei Bewusstsein, fing meinen Blick auf und lächelte mich ab und zu an, bis sie einschlief. Die Ärzte sagten, dass ich nichts tun könne; sie würden sie im Laufe der Nacht alle halbe Stunde aufwecken. Sie müsse mindestens drei Tage, wahrscheinlich eine Woche im Krankenhaus bleiben.

Sie sagten mir, ich solle mich ausruhen. Kurz vor Mitternacht verließ ich das Krankenhaus.

Ich fuhr mit einem Taxi zum Unfallort, um meinen Wagen abzuholen. Es war eine kalte Nacht. Die Polizeiautos und Rettungswagen waren verschwunden. Statt ihrer war jetzt ein großer Abschleppwagen da, der Julias Wagen gerade mit einer Winde die Böschung hochzog. Ein hagerer Mann, der eine Zigarette rauchte, bediente die Winde.

»Hier gibt's nichts zu sehen«, sagte er zu mir. »Sind alle zum Krankenhaus.«

Ich sagte ihm, dass das der Wagen meiner Frau war.

»Mit dem können Sie nicht mehr fahren«, sagte er. Er bat mich um die Versicherungskarte. Ich nahm sie aus meiner Brieftasche und gab sie ihm. Er sagte: »Wie ich höre, hat Ihre Frau nichts Ernstes.«

»Sieht so aus.«

»Sie sind ein Glückspilz.« Er deutete mit einem Daumen über die Straße. »Gehören die zu Ihnen?«

Auf der anderen Straßenseite parkte ein kleiner weißer Van. Die Seitenflächen waren nackt, ohne Beschriftung oder Firmenlogo. Aber unten an der Fahrertür sah ich eine Seriennummer in Schwarz. Und darunter stand »SSVT UNIT«.

Ich sagte: »Nein, die gehören nicht zu mir.«

»Sind seit 'ner Stunde da«, sagte er. »Hocken bloß rum.«

Ich konnte niemanden im Van sehen; die Frontscheiben waren dunkel. Ich ging auf den Wagen zu. Ich hörte das schwache Knistern eines Funkgerätes. Als ich nur noch etwa drei Meter entfernt war, leuchteten die Scheinwerfer auf, der Motor sprang an, und der Van schoss an mir vorbei und den Highway hinunter.