Ich sagte: »Es gibt einen Wohnbereich?«
Der Pilot nickte. »Ja. Zwangsläufig. Das nächste Hotel ist hunderteinundsechzig Meilen entfernt. In der Nähe von Reno.«
»Wie viele Leute wohnen denn in der Anlage?«, wollte Brummbär wissen.
»Es gibt Platz für zwölf«, erwiderte der Pilot. »Aber im Schnitt sind fünf bis acht Mitarbeiter da. Man braucht nicht viele Leute. Läuft alles automatisch, nach dem, was ich gehört habe.«
»Was haben Sie denn sonst noch so gehört?«
»Nicht sehr viel«, sagte der Pilot. »Die sind hier alle ziemlich schweigsam, was die Anlage betrifft. Und drinnen bin ich noch nie gewesen.«
»Gut«, sagte Brummbär. »Sorgen wir dafür, dass es so bleibt.«
Der Pilot drehte am Steuerknüppel. Der Hubschrauber legte sich in die Kurve und setzte zur Landung an.
Ich öffnete die Plastiktür im kugelförmigen Cockpit und stieg aus. Es war, als hätte ich einen Ofen betreten. Die Hitze, die mir entgegenschlug, ließ mich aufkeuchen.
»Und das ist noch gar nichts!«, rief der Pilot über den Lärm der Rotorblätter hinweg. »Wir haben fast Winter! Kann nicht viel mehr als vierzig Grad sein!«
»Da bin ich aber froh«, sagte ich und atmete heiße Luft ein. Ich griff nach hinten, um meine Reisetasche und meinen Laptop zu nehmen, den ich unter dem Sitz des zaghaften Mannes verstaut hatte.
»Ich muss mal pinkeln«, sagte Brummbär und öffnete seinen Sicherheitsgurt.
»Dave . «, sagte der Mann mit der Aktentasche in einem warnenden Tonfall.
»Verdammt, bin doch gleich wieder da.«
»Dave ...«, ein verlegener Blick in meine Richtung. Dann mit gesenkter Stimme: »Die haben gesagt, wir sollen nicht aus dem Hubschrauber steigen, vergessen?«
»Ach, scheiß drauf. Ich halte keine Stunde mehr durch. Und überhaupt, was soll's?« Er deutete auf die Wüste drum herum. »Hier draußen ist doch nichts als eine Million Meilen Sand.«
»Aber Dave ...«
»Ihr nervt mich. Ich geh jetzt pinkeln, verdammt.« Er wuchtete seine Leibesfülle hoch und bewegte sich zur Tür.
Den Rest der Unterhaltung bekam ich nicht mehr mit, weil ich inzwischen meinen Kopfhörer abgenommen hatte. Brummbär kletterte raus. Ich nahm meine Taschen, drehte mich um und ging geduckt unter den Rotorblättern her. Sie warfen einen flackernden Schatten auf den Landeplatz. Am Rande des Platzes hörte der Beton abrupt auf, und es fing ein schmaler Pfad an, der sich zwischen Feigenkakteen hindurch zu dem klobigen, weißen Energiegebäude in fünfzig Metern Entfernung schlängelte. Es war niemand da, der mich erwartete -nirgendwo eine Menschenseele in Sicht.
Als ich einen Blick zurückwarf, sah ich, wie Brummbär sich gerade die Hose zumachte und wieder in den Hubschrauber stieg. Der Pilot zog die Tür zu und hob ab, winkte noch einmal, als er in die Luft stieg. Ich winkte zurück, duckte mich dann gegen den aufgewirbelten, beißenden Sand. Der Hubschrauber beschrieb einen Kreis und flog in westlicher Richtung davon. Das Dröhnen verklang.
Die Wüste war still bis auf das Summen der Stromleitungen einige hundert Meter entfernt. Der Wind zerrte an meinem Hemd, ließ meine Hosenbeine flattern. Ich drehte mich in einem langsamen Kreis, fragte mich, was ich machen sollte. Und dachte an die Worte des PR-Mannes: Die haben gesagt, wir sollen nicht aus dem Hubschrauber steigen, vergessen?
»He! He, Sie da!«
Ich drehte mich um. Eine Tür in dem weißen Energiegebäude hatte sich einen Spaltbreit geöffnet. Ein Mann streckte den Kopf hinaus. Er rief: »Sind Sie Jack Forman?«
»Ja«, erwiderte ich.
»Na, worauf warten Sie denn noch, eine schriftliche Einladung? Rein mit Ihnen, verdammt noch mal.«
Und er knallte die Tür wieder zu.
Das war meine Begrüßung in der Produktionsanlage von Xymos. Mit meinen Taschen beladen, stapfte ich den Pfad hinunter auf die Tür zu.
Es kommt immer anders, als man denkt.
Ich trat in einen kleinen Raum, mit dunkelgrauen Wänden auf drei Seiten. Die Wände waren aus einem glatten Material wie Resopal. Meine Augen brauchten einen Moment, um sich an die relative Dunkelheit zu gewöhnen. Dann sah ich, dass die vierte Wand direkt vor mir ganz aus Glas bestand und zu einer kleinen Kabine und einer zweiten Glaswand führte. Die Glaswände waren mit ausklappbaren Armen ausgestattet, Druckkissen aus Metall waren an den Enden angebracht. Es sah ein bisschen so aus, wie man sich einen Banktresor vorstellte.
Hinter der zweiten Glaswand konnte ich einen stämmigen Mann in blauer Hose und blauem Arbeitshemd sehen, das Xymos-Logo auf der Brusttasche. Er war zweifellos der Wartungsmonteur des Werkes. Er machte eine Geste in meine Richtung.
»Das ist eine Luftschleuse. Die Tür funktioniert automatisch. Treten Sie vor.«
Ich tat wie geheißen, und die erste Glastür öffnete sich zischend. Ein rotes Lämpchen ging an. In der Kabine vor mir sah ich einen Gitterrost auf dem Boden, an der Decke und an beiden Wänden. Ich zögerte.
»Sieht aus wie ein Toaster, nicht?«, sagte der Mann grinsend. Ihm fehlten ein paar Zähne. »Aber keine Angst, Sie werden bloß ein bisschen durchgepustet. Rein mit Ihnen.«
Ich trat in die Glaskabine und stellte meine Tasche auf den Boden.
»Nein, nein. Halten Sie die Tasche in der Hand.«
Ich hob sie wieder auf. Sogleich fiel zischend die Glastür hinter mir zu, die Stahlarme entfalteten sich sanft. Die Druckkissen schlossen sich mit einem Plopp. Ich hatte ein leicht unangenehmes Gefühl in den Ohren, als sich der Druck in der Luftschleuse erhöhte. Der Mann in Blau sagte: »Machen Sie besser die Augen zu.«
Ich schloss die Augen und spürte sogleich, wie mein Gesicht und der ganze Körper von allen Seiten mit etwas Kühlern angesprüht wurden. Meine Kleidung wurde durchtränkt. Es roch beißend nach Aceton oder Nagellackentferner. Mich fröstelte, die Flüssigkeit war richtig kalt.
Die Luft wurde zuerst von oben auf mich heruntergeblasen, ein Brausen, das rasch so laut wie ein Orkan wurde. Ich spannte die Muskeln an, um das Gleichgewicht zu halten. Meine Kleidung flatterte und wurde dann wieder platt an den Körper gepresst. Der Wind wurde stärker, drohte, mir die Tasche aus der Hand zu reißen. Er hörte kurz auf, und dann blies es vom Boden nach oben. Es war verwirrend, aber es dauerte nur ein paar Sekunden. Mit einem Wuuusch sprangen die Vakuumpumpen an, und ich spürte einen schwachen Schmerz in den Ohren, als der Druck fiel, wie bei der Landung eines Flugzeugs. Dann Stille.
Eine Stimme sagte: »Das war's. Treten Sie vor.«
Ich öffnete die Augen. Die Flüssigkeit, mit der sie mich besprüht hatten, war verdunstet; meine Kleidung war trocken. Die Türen vor mir gingen zischend auf. Ich trat aus der Kabine, und der Mann in Blau sah mich schmunzelnd an. »Alles in Ordnung?«
»Ja, ich glaube schon.«
»Kein Jucken?«
»Nein .«
»Gut. Ein paar Leute haben schon allergisch auf das Zeug reagiert. Aber wir müssen das machen, damit die Räume sauber bleiben.«
Ich nickte. Mit dieser Methode wurden offenbar Staub und andere Kontaminanten entfernt. Die Sprühflüssigkeit war extrem volatil, verdunstete bei Raumtemperatur und zog dabei Mikropartikel von Körper und Kleidung. Das Gebläse schloss den Reinigungsprozess dann ab; alle losen Partikel am Körper wurden weggepustet und abgesaugt.
»Ich bin Vince Reynolds«, sagte der Mann, jedoch ohne mir die Hand entgegenzustrecken. »Nennen Sie mich Vince. Und Sie sind Jack?«
Ich bejahte.
»Okay, Jack«, sagte er. »Die warten schon auf Sie, also gehen wir. Wir müssen einige Vorsichtsmaßnahmen treffen, weil wir hier in einem Bereich mit einem Hochfeldmagneten sind, über 33 Tesla, deshalb . « Er nahm einen Karton. »Nehmen Sie also besser die Uhr ab.«