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»Wir haben es alle gesehen.« Sie schob störrisch das Kinn vor. »Alle drei Schwärme haben gejagt, koordiniert.«

»Aber wie?«, fragte ich.

Jetzt runzelte sie die Stirn, sah verwirrt aus. »Was soll die Frage? Das ist doch wohl klar. Die Agenten können kommunizieren. Sie können jeder ein elektrisches Signal erzeugen.«

»Richtig«, sagte ich. »Wie stark ist das Signal?«

»Tja ...« Sie zuckte die Achseln.

»Wie stark, Rosie? Sehr stark kann es nicht sein, jeder Agent misst bloß ein Hundertstel von der Dicke eines Menschenhaars. Da kann er ja wohl kaum ein starkes Signal erzeugen, richtig?«

»Ja, schon .«

»Und elektrische Strahlung nimmt proportional zum Quadrat des Radius ab, richtig?« Das lernten schließlich schon Schulkinder im Physikunterricht in der High School. Wenn man sich von der elektromagnetischen Quelle entfernte, ließ die Intensität schnell nach - sehr schnell.

Und das bedeutete, dass die einzelnen Agenten nur mit ihren unmittelbaren Nachbarn kommunizieren konnten, mit Agenten ganz in ihrer Nähe. Nicht mit anderen Schwärmen, die zwanzig oder dreißig Meter entfernt waren.

Rosie blickte noch skeptischer. Die ganze Gruppe blickte jetzt skeptisch, alle sahen einander beklommen an.

David Brooks hustete. »Was haben wir denn dann gesehen, Jack?«

»Das war eine Illusion«, sagte ich mit Bestimmtheit. »Ihr habt drei Schwärme gesehen, die unabhängig voneinander agiert haben, und ihr habt gedacht, sie wären koordiniert. Aber das sind sie nicht. Und ich bin mir ziemlich sicher, dass auch alles andere, was ihr den Schwärmen unterstellt, nicht stimmt.«

Es gab vieles im Hinblick auf die Schwärme, was ich nicht verstand - und vieles glaubte ich einfach nicht. So konnte ich mir zum Beispiel nicht vorstellen, dass die Schwärme sich reproduzierten. Dass Ricky und die anderen sich das einbildeten, war für mich nur ein Zeichen dafür, dass ihre Nerven ziemlich blank lagen. Schließlich reichten die freigesetzten fünfzig Pfund Material ohne weiteres für die drei Schwärme, die ich gesehen hatte - und noch für Dutzende mehr. (Ich schätzte, dass jeder aus drei Pfund Nanopartikeln bestand. Das war in etwa das Gewicht eines großen Bienenschwarms.)

Dass die Schwärme ein zielgerichtetes Verhalten an den Tag legten, fand ich keineswegs beängstigend; das war das beabsichtigte Resultat des Programmierens auf unterster Ebene. Und ich konnte mir nicht vorstellen, dass die Schwärme koordiniert waren. Das war einfach nicht möglich, weil die Felder zu schwach waren.

Außerdem glaubte ich nicht, dass die Schwärme anpassungsfähig waren, wie Ricky meinte. Ich hatte schon zu viele Demoaufnahmen von Robotern gesehen, die irgendeine Aufgabe ausführten - zum Beispiel gemeinsam eine Schachtel durch den Raum schieben -, was Beobachter als intelligentes Verhalten interpretierten, obwohl die Roboter in Wahrheit dumm waren, minimal programmiert und per Zufall kooperierten. Viele Verhaltensweisen wirkten intelligenter, als sie es waren. (Wie Charley Davenport immer sagte: »Ricky sollte Gott dafür danken.«)

Und schließlich glaubte ich eigentlich nicht, dass die Schwärme gefährlich waren. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass eine drei Pfund schwere Wolke Nanopartikel eine besondere Bedrohung für irgendetwas darstellen konnte, nicht mal für ein Kaninchen. Ich war beileibe nicht davon überzeugt, dass es getötet worden war. Ich meinte, mich zu erinnern, dass Kaninchen ängstliche Geschöpfe waren, die auch vor lauter Panik sterben konnten. Es war ebenfalls denkbar, dass die Partikel in Nase und Mund eingedrungen waren, die Atemwege verstopft hatten und das Tier erstickt war. Falls das stimmte, war der Tod ein Unfall und nicht absichtlich herbeigeführt worden. Tod durch Unfall schien mir einleuchtender.

Kurzum, ich war fest davon überzeugt, dass Ricky und die anderen das Gesehene ausnahmslos falsch gedeutet hatten. Sie hatten sich selbst Angst eingejagt.

Andererseits musste ich zugeben, dass mir etliche unbeantwortete Fragen keine Ruhe ließen.

Die erste und offensichtlichste war die, warum der Schwarm überhaupt außer Kontrolle geraten war. Der ursprüngliche Kameraschwarm sollte von einem auf ihn eingestellten HF-Sender gesteuert werden. Jetzt ignorierte der Schwarm offenbar gesendete Funkbefehle, und ich verstand nicht, warum das so war. Ich tippte auf einen Produktionsfehler. Die Partikel waren vermutlich fehlerhaft.

Zweitens wunderte mich die Langlebigkeit des Schwarms. Die einzelnen Partikel waren ungeheuer klein, sodass sie durch kosmische Strahlung, fotochemische Zersetzung, Dehydration ihrer Proteinketten und andere Umweltfaktoren Schaden nehmen mussten. In der rauen Wüste hätten alle Schwärme schon vor vielen Tagen geschrumpft und an »Altersschwäche« gestorben sein müssen. Aber das war nicht geschehen. Warum nicht?

Das dritte Problem war das offensichtliche Ziel des Schwarms. Laut Ricky kamen die Schwärme immer wieder zum Hauptgebäude. Ricky glaubte, sie wollten sich Einlass verschaffen. Aber das kam mir nicht wie ein vernünftiges Agentenziel vor, und ich wollte einen Blick auf den Programmcode werfen, um zu sehen, was der Grund dafür war. Ehrlich gesagt, ich vermutete einen Fehler im Code.

Und schließlich wollte ich herausfinden, warum sie das Ka-ninchen verfolgt hatten. predprey machte aus Einheiten nämlich nicht richtige Raubtiere. Das Räuber-Modell sorgte nur dafür, dass die Agenten fokussiert und ziel orientiert blieben. Irgendwie hatte sich das geändert, und die Schwärme schienen jetzt tatsächlich zu jagen.

Auch dafür war vermutlich ein Fehler im Code verantwortlich.

Meiner Ansicht nach liefen all diese Ungewissheiten auf eine einzige zentrale Frage hinaus - wie war das Kaninchen gestorben? Ich glaubte nicht, dass es getötet worden war. Ich ging von einem Unfall aus, nicht von Absicht.

Aber das mussten wir herausfinden.

Ich rückte mein Funk-Headset zurecht, mit der Sonnenbrille und der Videokamera in Augenhöhe. Ich nahm den Plastikbeutel für das tote Kaninchen und wandte mich den anderen zu. »Kommt jemand mit?«

Betretenes Schweigen.

Ricky sagte: »Was willst du mit dem Beutel?«

»Das Kaninchen holen.«

»Kommt nicht infrage«, sagte Ricky. »Du kannst von mir aus da rausgehen, das ist deine Sache. Aber du bringst das Kaninchen nicht hier rein.«

»Du machst wohl Witze«, sagte ich.

»Absolut nicht. Hier drin gilt allerhöchste Sauberkeitsstufe, Jack. Das Kaninchen ist dreckig. Es kommt mir nicht hier rein.«

»Also schön, dann bringen wir es in Maes Labor und ...«

»Ausgeschlossen, Jack. Tut mir Leid. Es kommt nicht durch die erste Luftschleuse.«

Ich blickte die anderen an. Sie nickten alle zustimmend.

»Na gut. Dann untersuche ich es eben draußen.«

»Du willst wirklich da raus?«

»Ja, klar.« Ich blickte die anderen nacheinander an. »Hört zu, Leute, ich glaube, ihr macht euch grundlos ins Hemd. Die Wolke ist nicht gefährlich. Und ja, ich gehe da raus.« Ich wandte mich an Mae. »Hast du vielleicht ein Sezierbesteck ...«

»Ich komme mit«, sagte sie rasch.

»Schön. Danke.« Ich war überrascht, dass Mae sich als Erste meiner Überzeugung anzuschließen schien. Aber als Feldbiologin konnte sie die Risiken der realen Welt wahrscheinlich besser abschätzen. Jedenfalls löste ihre Entscheidung ein wenig die Anspannung im Raum; die anderen wurden sichtlich lockerer. Mae ging, um das Sezierbesteck und ein paar Laborgeräte zu holen. In diesem Moment klingelte das Telefon. Vince ging dran und wandte sich dann an mich. »Kennen Sie eine Dr. Ellen Forman?«

»Ja.« Es war meine Schwester.

»Sie ist in der Leitung.« Vince reichte mir den Hörer und trat zur Seite. Ich war plötzlich nervös. Ich sah auf meine Uhr. Es war elf Uhr vormittags, Zeit für Amandas Schläfchen. Eigentlich müsste sie jetzt schon in ihrem Bett liegen. Dann fiel mir ein, dass ich meiner Schwester versprochen hatte, sie um elf anzurufen, um zu hören, ob sie klarkam.