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»Das kann ich mir vorstellen«, sagte ich. »Der Druck muss entsetzlich sein.«

»Vor lauter Schlafmangel ist er unberechenbar geworden«, sagte Mae. »Ich weiß nie, was er machen wird oder wie er reagiert. Manchmal hab ich den Eindruck, dass er die Schwärme gar nicht loswerden will. Oder vielleicht hat er Angst.«

»Vielleicht«, sagte ich.

»Jedenfalls, er ist unberechenbar. Ich wäre an deiner Stelle also vorsichtig«, sagte sie, »wenn du die Schwärme vernichten willst. Denn das hast du doch vor, nicht? Sie vernichten?«

»Ja«, sagte ich. »Das habe ich vor.«

6. Tag, 13.12 Uhr

Sie hatten sich alle im Freizeitraum, dem mit den Videospielen und Flipperautomaten, versammelt. Niemand spielte jetzt damit. Sie sahen mich aus ängstlichen Augen an, während ich erklärte, was wir zu tun hatten. Der Plan war ganz einfach - der Schwarm selbst diktierte, was wir tun mussten, obgleich ich diese unangenehme Wahrheit aussparte.

Im Grunde, so sagte ich ihnen, hatten wir es mit einem außer Kontrolle geratenen Schwarm zu tun. Und der Schwarm ließ selbst organisiertes Verhalten erkennen. »Eine hohe SO-Komponente bedeutet, der Schwarm kann sich selbst wieder zusammenfügen, wenn er beschädigt oder auseinander gerissen wurde. So war das ja auch, als ich ihn zerstreut habe. Deshalb muss der Schwarm vollständig zerstört werden. Das heißt, die Partikel müssen Hitze, Kälte, Säure oder hohen Magnetfeldern ausgesetzt werden. Und nachdem ich sein Verhalten erlebt habe, würde ich sagen, die beste Chance, ihn zu vernichten, haben wir nachts, wenn der Schwarm Energie verliert und zu Boden sinkt.«

Ricky klagte: »Aber Jack, wir haben dir doch schon gesagt, dass wir ihn nachts nicht finden können.«

»Stimmt, das könnt ihr nicht«, sagte ich, »weil ihr ihn nicht sichtbar markiert habt. Mann, da draußen ist eine große Wüste. Wenn ihr ihn in seinem Versteck aufspüren wollt, müsst ihr ihn mit irgendwas markieren, was so deutlich ist, dass ihr seine Spur überallhin verfolgen könnt.«

»Mit was denn markieren?«

»Das ist meine nächste Frage«, sagte ich. »Was für Agenten haben wir hier, die sich zum Markieren eignen würden?« Ich erntete leere Blicke. »Kommt schon, Leute. Wir sind hier in einer Industrieanlage. Ihr werdet doch wohl irgendwas haben, was an den Partikeln haften bleibt und eine Spur hinterlässt, die wir aufnehmen können. Ich meine eine Substanz, die stark fluoresziert, oder ein Pheromon mit einem typischen chemischen Erkennungszeichen oder irgendwas Radioaktives ... Nein?«

Weitere leere Blicke. Kopfschütteln.

»Na ja«, sagte Mae, »wir haben natürlich Radioisotope.«

»Ja, wunderbar.« Endlich kamen wir weiter.

»Die verwenden wir, um nach undichten Stellen im System zu suchen. Der Hubschrauber bringt einmal pro Woche welche.«

»Was für Isotope habt ihr?«

»Selen-72 und Rhenium-186. Manchmal auch Xenon-133. Ich weiß nicht genau, was wir zurzeit dahaben.«

»Wie sieht's mit der Halbwertszeit aus?« Bestimmte Isotope verlieren die Radioaktivität sehr rasch, binnen Stunden oder Minuten. Mit solchen konnte ich nichts anfangen.

»Die Halbwertszeit beträgt im Durchschnitt etwa eine Woche«, sagte Mae. »Selen acht Tage. Rhenium vier Tage. Xenon-133 fünf Tage. Fünf ein Viertel.«

»Okay. Dann könnten wir sie alle für unsere Zwecke einsetzen«, sagte ich. »Es reicht, wenn die Radioaktivität eine Nacht hält, sobald wir den Schwarm markiert haben.«

Mae sagte: »Wir verwenden die Isotope normalerweise in FDG. Das ist flüssige Glukose. Man könnte sie sprühen.«

»Das müsste klappen«, sagte ich. »Wo bewahrt ihr die Isotope auf?«

Mae lächelte freudlos. »Im Depot«, sagte sie.

»Wo ist das?«

»Draußen. Neben den geparkten Autos.«

»Okay«, sagte ich. »Dann gehen wir raus und holen sie.«

»Ach, du liebe Güte«, sagte Ricky und warf die Hände hoch.

»Bist du wahnsinnig geworden? Du wärst heute Morgen da draußen fast gestorben, Jack. Das willst du doch wohl nicht noch mal riskieren.«

»Wir haben keine andere Wahl«, sagte ich.

»Doch, natürlich. Wartet, bis es dunkel wird.«

»Nein«, sagte ich. »Weil wir sie dann erst morgen besprühen könnten. Und wir könnten sie erst morgen Nacht aufspüren und zerstören. Das heißt, wir würden sechsunddreißig Stunden verlieren, und das bei einem Organismus, der schnell evolviert. Das Risiko können wir nicht eingehen.«

»Das Risiko? Jack, wenn du jetzt da rausgehst, überlebst du das nicht. Du bist verrückt, allein der Gedanke ist schon purer Wahnsinn.«

Charley Davenport hatte die ganze Zeit auf den Monitor gestarrt. Jetzt drehte er sich zu der Gruppe um. »Nein, Jack ist nicht verrückt.« Er grinste mich an. »Ich gehe mit ihm.« Charley fing an zu summen: »Born to be Wild«.

»Ich auch«, sagte Mae. »Ich weiß, wo die Isotope lagern.«

Ich sagte: »Das ist wirklich nicht nötig, Mae, sag mir einfach, wo .«

»Nein. Ich komme mit.«

»Wir müssen irgendwie ein Sprühgerät zusammenbasteln.« David Brooks krempelte sich sorgfältig die Ärmel hoch. »Am besten ferngesteuert. Das ist Rosies Spezialität.«

»Also schön, ich komme auch mit«, sagte Rosie Castro und sah David an.

»Ihr wollt alle da raus?« Ricky blickte kopfschüttelnd von einem zum anderen. »Das ist gefährlich«, sagte er. »Äußerst gefährlich.«

Niemand sagte etwas. Wir schauten ihn bloß alle an.

Dann sagte Ricky: »Charley, hör mit dem verdammten Gesumme auf.« Er wandte sich an mich. »Ich glaube nicht, dass ich das erlauben kann, Jack .«

»Ich glaube nicht, dass du eine andere Wahl hast«, entgegnete ich.

»Ich treffe hier die Entscheidungen.«

»Im Moment nicht«, erwiderte ich. Ich war kurz davor, an die Decke zu gehen. Ich hätte ihm am liebsten die Meinung gegeigt, schließlich hatte er den Karren in den Dreck gefahren, er hatte zugelassen, dass ein Schwarm in der Umwelt evolvier-te. Aber ich wusste nicht, wie viele kritische Entscheidungen Julia getroffen hatte. Im Grunde war Ricky dem Management gegenüber devot, wollte seinen Vorgesetzten gefallen, wie ein Kind seinen Eltern. Er machte das sehr charmant; so war er im Leben weitergekommen. Aber es war auch seine größte Schwäche.

Jetzt jedoch schob Ricky starrsinnig das Kinn vor. »Es geht einfach nicht, Jack«, sagte er. »Ihr werdet da draußen nicht überleben.«

»Und ob wir das werden, Ricky«, entgegnete Charley Davenport. Er deutete auf den Monitor. »Sieh doch mal.«

Der Monitor zeigte die Wüste draußen. Die frühnachmittägliche Sonne schien auf stoppelige Kakteen. Ein verkümmerter Wacholderbaum in der Ferne, dunkel im Gegenlicht. Einen Moment lang verstand ich nicht, was Charley meinte. Dann sah ich den Sand über den Boden wehen. Und ich bemerkte, dass der Wacholderbaum zu einer Seite geneigt war.

»Ganz genau, Leute«, sagte Charley Davenport. »Wir haben eine kräftige Brise da draußen. Starker Wind, keine Schwärme - wisst ihr noch? Sie müssen sich dicht am Boden halten.« Er ging in Richtung Durchgang, der zur Energiestation führte. »Verlieren wir keine Zeit. Ziehen wir's durch, Leute.«

Alle marschierten hintereinander aus dem Raum. Ich wollte als Letzter gehen. Doch zu meinem Erstaunen zog Ricky mich beiseite, versperrte mir den Ausgang mit seinem Körper. »Tut mir Leid, Jack, ich wollte dich nicht vor den anderen in Verlegenheit bringen. Aber ich kann einfach nicht zulassen, dass du das machst.«

»Wär's dir lieber, jemand anders macht es?«, fragte ich.

Er blickte finster. »Was meinst du damit?«

»Ich rate dir, den Tatsachen ins Auge zu sehen, Ricky. Die Lage ist schon jetzt katastrophal. Und wenn wir sie nicht umgehend in den Griff kriegen, dann müssen wir Hilfe anfordern.«