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»Ja«, sagte sie leise, »stimmt alles haargenau. Und du machst es auch nicht besser.«

Charley bedachte sie mit einem Blick und fing an, die Titelmelodie von »Twilight Zone« zu summen.

»Charley«, sagte ich. »Guck mal.« Ich beobachtete die Schwärme. Ihr Verhalten hatte sich leicht verändert. Sie blieben nicht mehr dicht am Gebäude. Sie bewegten sich jetzt im Zickzack von der Wand weg in die Wüste und dann wieder zurück. Alle vier taten das, wie in einem fließenden Tanz.

Mae sah es auch. »Neues Verhalten ...«

»Ja«, sagte ich. »Ihre Strategie funktioniert nicht, also suchen sie nach einer neuen.«

»Wird ihnen nichts nützen«, sagte Charley. »Sie können so viel Zickzack tanzen, wie sie wollen, das öffnet ihnen auch keine Tür.«

Trotzdem war ich fasziniert von diesem emergenten Verhalten. Die Zickzackbewegungen wurden ausladender; die Schwärme bewegten sich jetzt immer weiter von den Gebäuden weg. Ihre Strategie veränderte sich zusehends. Sie entwickelte sich vor unseren Augen. »Wirklich erstaunlich«, sagte ich.

»Kleine Mistkerle«, sagte Charley.

Einer der Schwärme war jetzt ziemlich nah an dem Kaninchenkadaver. Er näherte sich ihm bis auf einige Meter und wirbelte wieder weg, zurück zum Hauptgebäude. Mir kam ein Gedanke. »Wie gut können die Schwärme sehen?«

Es klickte im Headset. Es war Ricky. »Die sehen ausgezeichnet«, sagte er. »Waren ja schließlich auch dazu gedacht. Hundertfünfzigprozentige Sehstärke. Fantastische Auflösung. Besser als beim Menschen.«

Ich fragte: »Und wie funktioniert bei ihnen die Bildwahrnehmung?« Sie waren ja nur eine Reihe von individuellen Partikeln. Wie bei den Stäbchen und Zapfen in der Netzhaut des Auges war die zentrale Verarbeitung auf sämtliche Inputs angewiesen, um ein Bild zu gestalten. Wie wurde diese Verarbeitung erreicht?

Ricky hustete. »Äh ... weiß nicht.«

Charley sagte: »Ist in späteren Generationen aufgetaucht.«

»Du meinst, sie haben ihre Sehkraft von allein evolviert?«

»Ja.«

»Und wir wissen nicht, wie sie das machen .«

»Nein. Wir wissen nur, dass sie es machen.«

Wir sahen zu, wie der Schwarm sich von der Wand entfernte, sich wieder dem Kaninchen näherte, dann erneut zur Wand zurückkehrte. Die anderen Schwärme waren etwas weiter unten am Gebäude und taten das Gleiche. Sie wirbelten hinaus in die Wüste, dann wieder zurück.

Über das Headset sagte Ricky: »Wieso fragst du?«

»Darum.«

»Meinst du, sie werden das Kaninchen finden?«

»Ich mache mir keine Sorgen wegen des Kaninchens«, erwiderte ich. »Überhaupt, es sieht so aus, als hätten sie es bereits verpasst.«

»Was dann?«

»Oh-oh«, sagte Mae.

»Scheiße«, sagte Charley und stieß einen langen Seufzer aus.

Wir blickten auf den Schwarm, der uns am nächsten war, der Schwarm, der ganz knapp an dem Kaninchen vorbeigetanzt war. Doch statt wieder in sein übliches Muster zu fallen, verharrte er in der Wüste. Er rührte sich nicht von der Stelle, aber die silbrige Säule hob und senkte sich.

»Wieso macht er das?«, fragte ich. »Dieses Rauf und Runter?«

»Könnte mit der Bildwahrnehmung zu tun haben . Fokussieren?«

»Nein«, sagte ich. »Ich meine, warum ist er stehen geblieben?«

»Programmhänger?«

Ich schüttelte den Kopf. »Das bezweifle ich.«

»Was dann?«

»Ich glaube, er sieht was.«

»Was denn?«, fragte Charley.

Ich fürchtete, die Antwort zu kennen. Der Schwarm stellte eine extrem hochauflösende Kamera dar, kombiniert mit verteilter Intelligenz in einem Netzwerk. Und was verteilte Netzwerke besonders gut konnten, war Muster aufspüren. Deshalb wurden sie auch zur Gesichtererkennung in Sicherheitssystemen benutzt oder um die Scherben archäologischer Funde zusammenzusetzen. Die Netzwerke konnten Muster in Daten besser ausfindig machen als das menschliche Auge.

»Was für Muster?«, sagte Charley, nachdem ich ihm das erzählt hatte. »Da draußen gibt's doch außer Sand und Kakteenstacheln nichts aufzuspüren.«

Mae sagte: »Und Fußabdrücke.«

»Was? Du meinst, unsere Fußabdrücke? Die wir hinterlassen haben, als wir hierher gegangen sind? Komm, Mae, in der letzten Viertelstunde ist der Sand noch verweht worden. Da sind keine Fußspuren mehr zu sehen.«

Wir beobachteten, wie der Schwarm in der Luft hing, sich hob und senkte, als würde er atmen. Die Wolke war jetzt fast ganz schwarz geworden, nur hier und da glitzerte Silber auf. Sie befand sich jetzt schon zehn oder fünfzehn Sekunden an ein und derselben Stelle, pulsierte auf und ab. Die anderen Schwärme setzten ihren Zickzackkurs fort, aber der hier blieb, wo er war.

Charley biss sich auf die Lippe. »Du glaubst wirklich, er sieht was?«

»Ich weiß nicht«, sagte ich. »Vielleicht.«

Plötzlich stieg der Schwarm auf und bewegte sich wieder. Aber er kam nicht auf uns zu. Stattdessen bewegte er sich auf einer Diagonalen über den Wüstenboden, steuerte auf die Tür des Energiegebäudes zu. Dicht vor der Tür blieb er stehen und wirbelte auf der Stelle.

»Was soll das denn?«, fragte Charley.

Ich wusste, was das zu bedeuten hatte. Mae auch. »Er ist gerade unserer Spur gefolgt«, sagte sie. »Rückwärts.«

Der Schwarm war dem Weg gefolgt, den wir anfänglich von der Tür zum Kaninchen gegangen waren. Die Frage war, was würde er als Nächstes tun?

Die nächsten fünf Minuten beobachteten wir ihn angespannt. Der Schwarm verfolgte denselben Weg zurück bis zu dem Kaninchen. Er wirbelte eine Weile um das Kaninchen herum, bewegte sich in langsamen Halbkreisen hin und her. Dann flog er erneut die Route zur Tür der Energie station. Er blieb dort kurz stehen, kehrte dann wieder zum Kaninchen zurück.

Dieser Ablauf wiederholte sich dreimal. Unterdessen hatten die anderen Schwärme sich weiter im Zickzack am Gebäude entlangbewegt und waren nun außer Sicht. Der einzelne Schwarm kehrte zu der Tür zurück, dann erneut zum Kaninchen hin.

»Er steckt in einer Endlosschleife«, sagte Charley. »Er macht einfach immer und immer wieder das Gleiche.«

»Ein Glück für uns«, erwiderte ich. Ich wartete ab, ob der Schwarm sein Verhalten veränderte. Bisher war das nicht geschehen. Und wenn er sehr wenig Speicher hatte, dann war er vielleicht wie ein Alzheimerpatient unfähig, sich zu erinnern, dass er das alles schon einmal gemacht hatte.

Jetzt flog er um das Kaninchen herum, bewegte sich in Halbkreisen.

»Steckt eindeutig in einer Endlosschleife«, sagte Charley.

Ich wartete.

Ich hatte nicht alle Veränderungen überprüfen können, die sie an predprey vorgenommen hatten, weil das zentrale Modul fehlte. Aber im ursprünglichen Programm war ein randomisie-rendes Element eingebaut gewesen, um mit Situationen wie dieser fertig zu werden. Immer wenn predprey sein Ziel verfehlte und es keinen spezifischen Input durch die Außenwelt gab, der neue Aktionen auslösen konnte, dann wurde sein Verhalten willkürlich modifiziert. Diese Lösung war weithin bekannt. So waren beispielsweise Psychologen zu der Überzeugung gelangt, dass ein gewisses Maß an willkürlichem Verhalten für Innovationen erforderlich sei. Kreativität war nicht möglich, wenn man sich nicht in neue Richtungen vorwagte, und diese Richtungen wurden meistenteils willkürlich gewählt .

»Oh-oh«, sagte Mae.

Das Verhalten hatte sich verändert.

Der Schwarm bewegte sich in immer größeren Kreisen unablässig um das Kaninchen herum. Und gleich darauf stieß er auf eine andere Spur. Er hielt einen Moment inne, stieg dann plötzlich in die Höhe und kam direkt auf uns zu. Er folgte genau dem Weg, den wir zum Depot gegangen waren.

»Scheiße«, sagte Charley. »Jetzt können wir einpacken.«

Mae und Charley stürzten durch den Raum zu einem Fenster. David und Rosie spähten aus dem Fenster über dem Waschbecken. Und ich rief: »Nein, nein! Alle weg von den Fenstern!«