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Doch wir hatten den vierten Schwarm vergessen.

»Ach du Scheiße«, sagte Charley.

Der vierte Schwarm kam um die Ecke des Laborgebäudes gewirbelt und steuerte direkt auf uns zu. Wir blieben stehen, ratlos. »Was sollen wir machen?«, fragte Mae. »Schwärmen?«

»Nein.« Ich schüttelte den Kopf. »Wir sind nur zu dritt.«

Unsere Gruppe war zu klein, um einen Räuber zu verwirren. Aber mir fiel auch keine andere Strategie ein, die wir ausprobieren konnten. Sämtliche Räuber-Beute-Studien, die ich je gelesen hatte, schossen mir durch den Kopf. In einem Punkt stimmten sie alle überein. Ob es sich um Simulationen von Wanderameisen oder Serengeti-Löwen handelte, sie alle bestätigten eine entscheidende Dynamik: Wenn sie nicht gehindert wurden, töteten die Räuber sämtliche Beutetiere, ohne Ausnahme - es sei denn, sie fanden irgendwo Zuflucht. Im richtigen Leben flüchteten sie sich in ein Nest auf einem Baum oder in einen unterirdischen Bau oder eine tiefe Stelle im Fluss. Wenn sie Zuflucht fanden, überlebten sie. Ohne Zuflucht wurden sie alle getötet.

»Ich glaub, wir sind geliefert«, sagte Charley.

Wir brauchten eine Zuflucht. Der Schwarm war schon bedrohlich nahe. Ich konnte fast schon die Nadelstiche auf der Haut spüren und den trockenen Aschegeschmack im Mund schmecken. Wir mussten irgendwo Deckung finden, bevor der Schwarm bei uns war. Ich machte eine volle Drehung, blickte in alle Richtungen, aber ich konnte nichts entdecken, außer .

»Sind die Autos abgeschlossen?«

Mein Headset knisterte. »Nein, normalerweise nicht.«

Wir drehten uns um und rannten.

Der erste Wagen war ein blauer Ford. Ich öffnete die Fahrertür und Mae die des Beifahrers. Der Schwarm war direkt hinter uns. Ich konnte das trommelnde Geräusch hören, als ich die Tür zuknallte, als Mae ihre zuknallte. Charley, die Sprühflasche mit dem Reiniger noch immer in der Hand, versuchte, die hintere Tür auf der Beifahrerseite zu öffnen, aber sie war verriegelt. Mae drehte sich im Sitz um und wollte die Tür öffnen, aber Charley war schon beim nächsten Wagen, einem Toyota Land Cruiser, sprang hinein. Und schlug die Tür zu.

»Au!«, sagte er. »Verdammt heiß.«

»Ich weiß«, sagte ich. Im Wageninnern war es heiß wie in einem Brutkasten. Mae und ich waren in Schweiß gebadet. Der Schwarm kam auf uns zugerast und wirbelte über die Front-scheibe, pulsierte, schob sich hin und her.

Über das Headset sagte ein in Panik geratener Ricky: »Leute? Wo seid ihr? Meldet euch.«

»Wir sind in den Autos.«

»In welchen?«

»Was spielt das für eine Rolle?«, sagte Charley. »Wir sind in zweien von den Scheißautos, Ricky.«

Der schwarze Schwarm bewegte sich von unserem Ford hinüber zum Toyota. Wir sahen, wie er von einem Fenster zum anderen glitt und versuchte, hineinzugelangen. Charley grinste mich durch die Scheibe an. »Hier sind wir sicher. Die Autos sind luftdicht. Tja ... Pech für die.«

»Was ist mit den Luftschlitzen?«, fragte ich.

»Ich hab meine zugemacht.«

»Aber die sind nicht luftdicht, oder?«

»Nein«, sagte er. »Aber da müssten die erst mal unter die Motorhaube, um reinzukommen. Oder durch den Kofferraum. Und ich gehe jede Wette ein, dass unsere überzüchtete Summkugel nicht auf den Trichter kommt.«

In unserem Wagen schloss Mae nacheinander die Luftschlitze am Armaturenbrett. Sie öffnete das Handschuhfach, warf einen Blick hinein, machte es wieder zu.

Ich sagte: »Irgendwelche Schlüssel gesehen?«

Sie schüttelte den Kopf.

Über das Headset sagte Ricky: »Leute? Ihr kriegt noch mehr Besuch.«

Ich drehte den Kopf und sah zwei weitere Schwärme um den Unterstand herumkommen. Sie wirbelten sofort über unserem Auto, vorn und hinten. Ich kam mir vor wie in einem Sandsturm. Ich blickte Mae an. Sie saß ganz still da, mit versteinertem Gesicht, schaute bloß zu.

Die beiden neuen Wolken hörten auf, den Wagen zu umkreisen, und kamen nach vorn. Ein Schwarm verharrte direkt vor Maes Seitenfenster. Er pulsierte, silbern glänzend. Der andere war über der Motorhaube, bewegte sich hin und her, von Mae zu mir. Ab und zu stürzte er sich auf die Windschutzscheibe und verteilte sich über das Glas. Dann verband er sich wieder, wich über die Motorhaube zurück und startete einen neuen Angriff.

Charley lachte schadenfroh. »Der will unbedingt rein. Ich sag ja, das schaffen die nie.«

Ich war mir da nicht so sicher. Mir fiel auf, dass der Schwarm sich nach jeder Attacke ein Stück weiter die Motorhaube hinunter zurückzog, längeren Anlauf nahm. Bald würde er am Kühlergrill sein. Und wenn er den Grill näher untersuchte, könnte er die Öffnung zur Lüftung finden. Und dann wäre es aus.

Mae kramte in der Ablage zwischen den Sitzen herum. Sie förderte eine Rolle Klebeband und eine Schachtel mit Plastiksandwichbeuteln zu Tage. Sie sagte: »Vielleicht können wir die Luftschlitze zukleben .«

Ich schüttelte den Kopf. »Bringt nichts«, sagte ich. »Das sind Nanopartikel. Die sind so winzig, die gehen glatt durch eine Membran.«

»Du meinst, die gehen durch den Kunststoff durch?«

»Oder drum herum, durch winzige Risse. Du kriegst das niemals so dicht, dass sie nicht durchkönnen.«

»Dann hocken wir einfach hier rum?«

»Sieht so aus, ja.«

»Und hoffen, dass sie nicht dahinter kommen, wie sie reinkönnen.«

Ich nickte. »Stimmt.«

Im Headset sagte Bobby Lembeck: »Es kommt wieder Wind auf. Sechs Knoten.«

Es klang, als wollte er uns Mut machen, aber sechs Knoten war noch längst nicht stark genug. Die Schwärme vor der Frontscheibe bewegten sich mühelos um den Wagen herum.

Charley sagte: »Jack? Ich kann meine Summkugel nicht mehr sehen. Wo ist sie?«

Ich blickte zu Charleys Wagen hinüber und sah, dass der dritte Schwarm hinunter zum Vorderrad geschwebt war, wo er sich wirbelnd im Kreis drehte und durch die Löcher in der Radkappe verschwand und wieder auftauchte.

»Nimmt deine Radkappen unter die Lupe, Charley«, sagte ich.

»Mmmm.« Er klang unglücklich, und dazu hatte er auch allen Grund. Wenn der Schwarm den Wagen gründlich erkundete, konnte es sein, dass er per Zufall einen Weg ins Innere entdeckte. Charley sagte: »Jetzt lautet wohl die entscheidende Frage, wie groß ist ihre SO-Komponente, nicht wahr?«

»Stimmt«, erwiderte ich.

Mae sagte: »Für den Laien?«

Ich erklärte es. Die Schwärme hatten keine Führung und keine zentrale Intelligenz. Ihre Intelligenz war die Summe der einzelnen Partikel. Die Partikel organisierten sich selbst zu einem Schwarm, und ihre Neigung zur Selbstorganisation brachte unberechenbare Resultate. Man wusste einfach nicht, was sie machen würden. Es war möglich, dass sie weiterhin so ineffektiv waren wie bisher. Sie könnten aber auch per Zufall auf die Lösung stoßen. Und sie könnten sich auf organisierte Art und Weise auf die Suche machen.

Aber das hatten sie bislang nicht getan.

Meine Kleidung fühlte sich schwer an, sie war schweißdurchtränkt. Schweiß tropfte mir von Nase und Kinn. Ich wischte mir mit dem Arm die Stirn ab. Ich sah Mae an. Auch sie schwitzte.

Ricky sagte: »He, Jack?«

»Was?«

»Julia hat vorhin angerufen. Sie ist nicht mehr im Krankenhaus und .«

»Nicht jetzt, Ricky.«

»Sie kommt heute Abend her.« »Wir reden später, Ricky.«

»Ich dachte bloß, du würdest das gern wissen.«

»Herrgott«, entfuhr es Charley. »Sag doch einer dem Arschloch mal, er soll die Klappe halten. Wir haben zu tun

Bobby Lembeck sagte: »Jetzt acht Knoten Wind. Nein, Tschuldigung ... sieben.«

Charley sagte: »Mann, die Spannung bringt mich noch um. Wo ist mein Schwarm jetzt, Jack?«

»Unter dem Wagen. Ich kann nicht sehen, was er macht . Nein, Moment ... Er kommt hinter dir raus, Charley. Sieht aus, als würde er sich deine Rücklichter vornehmen.«