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»Gehen wir«, sagte ich.

Es war 22.43 Uhr.

Der Geigerzähler drehte durch, als wir zum Toyota kamen, und knatterte so schnell, dass es ein ununterbrochener Ton war. Den Stab vor sich haltend, ging Mae vom Wagen weg in die Wüste hinein. Sie drehte nach Westen, und das Knattern ließ nach. Sie ging nach Osten, und es wurde wieder lauter. Doch als sie weiter in östliche Richtung ging, tickte es langsamer. Sie bog nach Norden, und das Ticken beschleunigte sich.

»Norden«, sagte sie.

Ich stieg auf das Motorrad und ließ den Motor an.

Bobby kam mit dem All-Terrain-Vehicle mit den dicken Rädern und dem Fahrradlenker aus dem Depot gerumpelt. Das ATV sah ungelenk aus, aber für die Fahrt durch die dunkle Wüste war es wahrscheinlich gut geeignet.

Mae stieg hinter mir auf, beugte sich vor, um den Stab möglichst nah über den Boden zu halten, und sagte: »Okay. Los geht's.«

Unter einem wolkenlosen Nachthimmel fuhren wir in die Wüste hinein.

Der Scheinwerfer des Motorrads hüpfte auf und ab, sodass sich die Schatten vor uns ruckartig bewegten und schwer zu erkennen war, was auf uns zukam. Jetzt merkten wir, dass die Wüste, die bei Tage so flach und eintönig wirkte, jede Menge Bodensenken, Geröllfelder und tiefe Trockentäler hatte, die urplötzlich auftauchten. Ich musste mich höllisch konzentrieren, um das Motorrad aufrechtzuhalten - zumal Mae mir ständig zurief: »Links . jetzt rechts . rechts . gut so, zu viel, links . « Manchmal fuhren wir einen kompletten Kreis, bis wir wieder auf dem richtigen Weg waren.

Jeder, der bei Tageslicht unserer Spur folgte, musste annehmen, dass der Fahrer betrunken gewesen war, bei den vielen Schlenkern und Drehungen, die wir machten. Die Maschine hüpfte und schlingerte auf holprigem Boden. Wir waren jetzt schon einige Meilen vom Labor entfernt, und ich machte mir langsam Sorgen. Ich konnte das Ticken des Zählers hören, und es wurde immer schwächer. Es war zunehmend schwierig, die Schwarmspur von der Hintergrundstrahlung zu unterscheiden. Ich verstand nicht, warum das so war, aber es war zweifelsohne der Fall. Wenn wir das Versteck des Schwarms nicht bald ausfindig machten, würden wir die Spur völlig verlieren.

Auch Mae war besorgt. Sie beugte sich immer tiefer zum Boden, eine Hand am Stab, die andere um meine Taille. Und ich musste langsamer fahren, weil die Spur so schwach wurde. Wir verloren die Spur, fanden sie wieder, kamen wieder von ihr ab. Unter dem schwarzen Sternenbaldachin fuhren wir ein Stück zurück, drehten uns im Kreis. Ich ertappte mich dabei, dass ich den Atem anhielt.

Und schließlich kreiste ich mehrmals immer auf derselben Stelle, kämpfte gegen die aufkeimende Verzweiflung an. Ich fuhr drei Runden, dann vier, aber umsonst: Der Zähler in Maes Hand tickte nur noch sporadisch. Und plötzlich war uns klar, dass wir die Spur ganz verloren hatten ...

Wir waren hier in der völligen Einöde und fuhren im Kreis.

Wir hatten die Spur verloren.

Mit einem Mal überkam mich eine unsägliche Erschöpfung. Den ganzen Tag hatte mich das Adrenalin aufgeputscht, und jetzt, da ich nicht mehr weiterwusste, spürte ich am ganzen Körper eine tiefe Müdigkeit. Die Lider wurden mir schwer. Ich hätte auf dem Motorrad einschlafen können.

Hinter mir setzte Mae sich auf und sagte: »Lass den Kopf nicht hängen, ja?«

»Ich soll den Kopf nicht hängen lassen?«, sagte ich müde. »Mein Plan ist völlig gescheitert, Mae.«

»Vielleicht noch nicht«, erwiderte sie.

Bobby hielt dicht neben uns. »Guckt ihr ab und zu mal nach hinten?«, fragte er.

»Warum?«

»Mach mal«, sagte er. »Dann siehst du, wie weit wir weg sind.«

Ich warf einen Blick über die Schulter. Im Süden sah ich die hellen Lichter des Produktionsgebäudes, verblüffend nahe. Es konnten nicht mehr als ein oder zwei Meilen sein. Wir waren also einen großen Halbkreis gefahren und schließlich wieder in Richtung unseres Ausgangspunktes abgedreht.

»Das ist eigenartig.«

Mae war vom Motorrad gestiegen und trat vor den Scheinwerfer. Sie schaute auf die LCD-Anzeige des Strahlungszählers. Sie sagte: »Hmmm.«

Bobby sagte hoffnungsvolclass="underline" »Und, was sagst du, Mae? Fahren wir zurück?«

»Nein«, sagte Mae. »Wir fahren noch nicht zurück. Seht euch das an.«

Bobby beugte sich vor, und wir beide schauten auf die LCDAnzeige. Eine grafische Darstellung der Strahlungsintensität zeigte, dass die Kurve stetig abnahm und schließlich rasch fiel. Bobby runzelte die Stirn. »Und was ist das da?«

»Zeitablauf der heute Nacht gemessenen Werte«, sagte sie. »Das Gerät zeigt uns, dass die Strahlung, seit wir losgefahren sind, arithmetisch gefallen ist - ein gleichmäßiges Absinken, eine Treppe, siehst du? Und sie bleibt arithmetisch bis ungefähr zur letzten Minute, dann wird die Abnahme plötzlich exponen-tiell. Die Strahlung fällt auf null.«

»Und?« Bobby blickte verwirrt. »Was bedeutet das? Ich kapier's nicht.«

»Ich aber.« Sie wandte sich mir zu, stieg wieder auf das Motorrad. »Ich glaube, ich weiß, was passiert ist. Fahr los -langsam.«

Ich ließ die Kupplung los und tuckerte geradeaus. Mein tanzender Scheinwerfer zeigte eine leichte Anhöhe in der Wüste, kümmerliche Kakteen vor mir .

»Nein. Langsamer, Jack.«

Ich nahm Gas weg. Jetzt rollten wir praktisch im Schritttempo. Ich gähnte. Es hätte nichts gebracht, sie zu fragen; sie war angespannt, konzentriert. Ich war bloß müde und erschlagen. Wir fuhren die Anhöhe hoch, bis der Wüstenboden wieder flach wurde, und dann neigte sich das Motorrad nach unten .

»Halt.«

Ich hielt.

Direkt vor uns brach der Boden jäh ab. Dahinter nichts als Schwärze.

»Ist das eine Klippe?«

»Nein. Bloß eine sehr hohe und steile Böschung.«

Ich ließ das Motorrad ganz langsam weiterrollen. Das Gelände fiel eindeutig ab. Bald waren wir am Rand, und ich konnte mir ein genaues Bild machen. Wir befanden uns auf dem gut fünf Meter hohen Ufer eines sehr breiten Flussbettes. Direkt unter mir sah ich glatt geschliffene Steine, ab und zu Felsbrok-ken und dürres Gestrüpp, bis zur rund fünfzig Meter entfernten gegenüberliegenden Seite des Flussbettes. Jenseits des anderen Ufers erstreckte sich die Wüste wieder flach.

»Jetzt verstehe ich«, sagte ich. »Der Schwarm ist gesprungen.«

»Ja«, sagte sie, »er ist geflogen. Und wir haben die Spur verloren.«

»Aber dann muss er irgendwo da unten gelandet sein«, sagte Bobby, in das Flussbett deutend.

»Vielleicht«, sagte ich. »Vielleicht auch nicht.«

Ich überlegte, dass wir einige Minuten brauchen würden, um einen sicheren Weg nach unten zu finden. Dann würden wir eine Weile zwischen den Büschen und Steinen suchen, bis wir wieder auf die Spur gestoßen waren. Das konnte Stunden dauern. Vielleicht würden wir sie gar nicht mehr ausmachen können. Von unserer erhöhten Position aus war die Weite der Wüste schon beängstigend.

Ich sagte: »Es könnte sein, dass der Schwarm im Flussbett gelandet ist. Oder unmittelbar am anderen Ufer. Oder eine Viertelmeile weiter.«

Mae ließ sich nicht entmutigen. »Bobby, du bleibst hier«, sagte sie. »Du markierst die Stelle, wo der Schwarm gesprungen ist. Jack und ich suchen uns einen Weg nach unten, gehen hinaus auf die Ebene und bewegen uns auf einer Geraden von Osten nach Westen, bis wir die Spur wieder aufgenommen haben. Früher oder später finden wir sie.«

»Einverstanden«, sagte Bobby. »Alles klar.«

»Einverstanden«, sagte ich. Warum nicht? Wir hatten nichts zu verlieren. Aber ich war nur wenig zuversichtlich, dass wir fündig werden würden.

Bobby beugte sich über sein ATV nach vorn. »Was ist das?«

»Was denn?«

»Ein Tier. Ich hab Augen aufleuchten sehen.«

»Wo?«

»In dem Busch da vorn.« Er deutete in die Mitte des Flussbettes.