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Als ich wieder zum Hügel schaute, sah ich drei, nein, vier Gestalten aus der Höhle kommen. Sie trennten sich, bewegten sich jeweils zu einem anderen Teil des Hügels. Sie sahen alle aus wie Ricky. Ich beobachtete, wie sie den Hügel hinabkamen und auf die Büsche zusteuerten. Mein Herz hämmerte mir in der Brust. Eine der Gestalten kam in meine Richtung. Sie näherte sich immer mehr und schwenkte dann nach rechts ab, ging auf die Stelle zu, wo ich vorher gewesen war. Als sie mein letztes Versteck erreicht hatte, blieb sie stehen und drehte sich in alle Richtungen.

Sie war wirklich nicht weit von mir entfernt. Durch die Nachtsichtbrille konnte ich sehen, dass diese neue Ricky-Gestalt ein vollständiges Gesicht hatte und dass die Kleidung um einiges detailreicher abgebildet war. Außerdem bewegte sich die Gestalt so, als hätte sie tatsächlich ein Körpergewicht. Vielleicht bildete ich mir das nur ein, aber der Schwarm schien an Masse zugenommen zu haben und wog jetzt gut fünfzig Pfund, vielleicht mehr. Vielleicht sogar das Doppelte. Falls ja, dann hatte der Schwarm nun genug Masse, um mir mit physischer Wucht einen Stoß zu versetzen. Mich sogar zu Boden zu reißen.

Durch die Brille sah ich, dass die Augen der Gestalt sich bewegten und blinzelten. Die Oberfläche des Gesichts hatte jetzt die Textur von Haut. Das Haar schien aus einzelnen Strähnen zu bestehen. Die Lippen bewegten sich, die Zunge leckte nervös. Alles in diesem Gesicht hatte verblüffende Ähnlichkeit mit Ricky - beängstigende Ähnlichkeit. Als der Kopf sich in meine Richtung drehte, hatte ich das Gefühl, dass Ricky mich direkt anblickte.

Und so war es wohl auch, denn die Gestalt setzte sich in Bewegung und kam auf mich zu.

Ich saß in der Falle. Mein Herz schlug mir bis zum Hals. Damit hatte ich nicht gerechnet; ich hatte keinen Schutz, nichts, womit ich mich wehren konnte. Ich konnte natürlich die Beine in die Hand nehmen, aber wohin hätte ich rennen sollen? Um mich herum war meilenweit nichts als Wüste, und die Schwärme würden mich verfolgen. In ein paar Augenblicken wäre ich .

Dröhnend kam der Hubschrauber wieder auf uns zu. Die Ricky-Gestalt blickte sich nach ihm um, machte dann kehrt und floh, flog regelrecht über den Boden, ohne sich noch die Mühe zu machen, die Beine und Füße zu animieren. Es war ein unheimlicher Anblick, wie diese menschliche Nachbildung plötzlich über die Wüste schwebte.

Aber auch die anderen drei Ricky-Gestalten rannten jetzt. Sie rannten, so schnell sie konnten, und sie wirkten eindeutig panisch. Hatten die Schwärme Angst vor dem Hubschrauber? Es sah ganz danach aus. Und während ich sie beobachtete, begriff ich auch warum. Die Schwärme waren zwar jetzt schwerer und fester, aber gegen starken Wind konnten sie nach wie vor nichts ausrichten. Der Hubschrauber war gut dreißig Meter hoch in der Luft, aber der Fallstrom war so stark, dass er die laufenden Gestalten verformte, sie teilweise flach drückte, während sie flohen. Es sah aus, als würde mit dem Hammer auf sie eingeschlagen.

Die Gestalten verschwanden in der Höhle.

Ich sah Mae. Sie stand im Flussbett und sprach über ihr Funkgerät mit dem Hubschrauber. Sie brauchte das Funkgerät also tatsächlich. Sie rief mir zu: »Los geht's!« und kam auf mich zugelaufen. Aus den Augenwinkeln nahm ich wahr, dass Bobby vom Hügel weglief, zurück zu seinem ATV. Aber es war keine Zeit, darüber nachzudenken. Der Hubschrauber schwebte jetzt direkt über dem Hügel. Sand wirbelte auf, brannte mir in den Augen.

Dann war Mae auch schon neben mir. Wir nahmen unsere Nachtsichtbrillen ab und zogen uns die Sauerstoffmasken über. Mae drehte mich um und öffnete das Tankventil auf meinem Rücken. Ich machte das Gleiche bei ihr. Dann setzten wir die Nachtsichtbrillen wieder auf. Jede Menge Teile klimperten und klapperten jetzt um mein Gesicht herum. Mae klemmte eine Halogentaschenlampe an meinen Gürtel und dann eine an ihren. Sie beugte sich zu mir vor und rief: »Alles klar?«

»Alles klar!«: »Okay, gehen wir!«

Zum Nachdenken blieb keine Zeit. Das war auch besser so. Der Wind vom Hubschrauber toste mir in den Ohren. Zusammen krochen wir den Hang des Hügels hoch, mit flatternder Kleidung. Wir erreichten den Rand, der im dichten, wirbelnden Sand kaum noch zu erkennen war. Wir konnten nicht sehen, was dahinter war. Wir konnten nicht sehen, was unten war. Mae nahm meine Hand, und wir sprangen.

6. Tag, 23.22 Uhr

Ich landete auf lockerem Geröll und stolperte halb rutschend auf den Höhleneingang zu. Über uns dröhnten laut die Rotorblätter des Hubschraubers. Mae war direkt neben mir, aber ich konnte sie in dem dichten Sand nicht sehen. Von den Ricky-Gestalten fehlte jede Spur. Am Höhleneingang hielten wir an. Mae holte die Thermitkapseln heraus. Sie gab mir die Magnesiumzünder und warf mir ein Plastikfeuerzeug zu. Ich dachte: Damit zünden wir die Dinger an? Ihr Gesicht war schon zum Teil hinter der beschlagenen Maske verschwunden. Die Nachtsichtbrille verbarg ihre Augen.

Sie deutete auf das Innere der Höhle. Ich nickte.

Sie tippte mir auf die Schulter, zeigte auf meine Brille. Ich verstand nicht, also griff sie neben meine Wange und betätigte einen Schalter.

»... mich jetzt?«, sagte sie.

»Ja, ich hör dich.«

»Okay, dann los.«

Wir drangen in die Höhle ein. Das grüne Leuchten war im dichten Staub verschwunden. Wir hatten bloß das Infrarotlicht, das auf unsere Nachtsichtbrillen montiert war. Wir sahen keine Gestalten. Wir hörten nichts außer dem Flattern des Hubschraubers. Aber je tiefer wir in die Höhle vorstießen, desto schwächer wurde das Geräusch.

Und mit dem Geräusch ließ auch der Wind nach.

Mae war konzentriert. Sie sagte: »Bobby? Hörst du mich?«

»Ja, ich höre dich.«

»Mach, dass du herkommst.«

»Ich versuch's ja ...«

»Versuchen reicht nicht. Komm rein, Bobby.«

Ich schüttelte den Kopf. Wie ich Bobby Lembeck kannte, würde er niemals in dieses Loch steigen. Wir kamen um die Biegung und sahen nichts als Staub in der Luft und die diffusen Konturen von Höhlenwänden. Hier waren die Wände anscheinend glatt, boten keinerlei Möglichkeit für ein Versteck. Dann sah ich aus der Dämmerung vor mir Ricky auftauchen. Er zeigte keinerlei Regung, ging einfach auf uns zu. Dann eine weitere Gestalt von links und noch eine. Die drei bildeten eine Linie. Sie kamen uns mit forschem Schritt entgegen, die Gesichter identisch und ausdruckslos.

»Erste Lektion«, sagte Mae und hielt mir eine Thermitkapsel hin.

»Hoffen wir, sie lernen sie nicht«, sagte ich und hielt das Feuerzeug an die Zündschnur. Sie sprühte zischend weiß glühende Funken. Mae warf die Kapsel. Sie landete knapp vor der herannahenden Gruppe. Sie achteten nicht darauf, starrten einfach weiter auf uns.

Mae sagte: »Countdown drei ... zwei ... eins ... und Dek-kung.«

Ich drehte mich weg, duckte den Kopf unter den Arm, als auch schon ein blendend weißer Ball den Tunnel erhellte. Obwohl ich die Augen geschlossen hatte, war es so grell, dass ich Punkte sah, als ich die Augen wieder öffnete. Ich drehte mich um.

Mae ging schon weiter. Der Staub in der Luft war eine Spur dunkler gefärbt. Von den drei Gestalten war nichts zu sehen.

»Sind sie abgehauen?«

»Nein. Verdampft«, sagte sie. Sie klang zufrieden.

»Neue Gegebenheiten«, sagte ich. Ich fasste Mut. Falls die Programmierannahmen noch immer zutrafen, dann waren die Schwärme schwach, wenn sie auf völlig unbekannte Situationen reagieren mussten. Mit der Zeit würden sie lernen, mit der Zeit würden sie Strategien entwickeln, um mit den neuen Bedingungen umzugehen. Aber zu Anfang wären ihre Reaktionen desorganisiert, chaotisch. Das war eine Schwäche von verteilter Intelligenz. Sie war stark, und sie war flexibel, aber sie reagierte langsam auf noch nie da gewesene Umstände.

»Hoffen wir's«, sagte Mae.