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Wir erreichten das klaffende Loch im Höhlenboden, von dem Mae erzählt hatte. Durch die Nachtsichtbrille sah ich eine Art abgeschrägte Rampe. Vier oder fünf Gestalten kamen auf uns zu, und hinter ihnen schienen noch mehr zu sein. Sie sahen alle aus wie Ricky, aber viele von ihnen waren nicht so gut ausgeformt. Und die hinteren waren bloß wirbelnde Wolken. Das trommelnde Geräusch wurde lauter.

»Zweite Lektion.« Mae hielt mir eine Kapsel hin. Sie zischte weiß, als ich sie entzündete. Mae rollte sie vorsichtig die Rampe hinunter. Die Gestalten zögerten, als sie sahen, was auf sie zukam.

»Verdammt«, sagte ich, doch dann musste ich mich schon wegdrehen und meine Augen vor dem Explosionsblitz abschirmen. Donnernd breitete sich das Gas im engen Gang aus. Ich spürte sengende Hitze an meinem Rücken auflodern. Als ich wieder hinsah, waren die meisten Schwärme unter uns verschwunden. Aber ein paar waren zurückgewichen, offenbar unversehrt.

Sie lernten.

Schnell.

»Nächste Lektion«, sagte Mae und hielt mir diesmal zwei Kapseln hin. Ich zündete beide an, und Mae rollte eine die Rampe hinunter und warf die andere ein Stück weiter. Die Explosionen krachten gleichzeitig, und ein gewaltiger Schwall heiße Luft brauste auf uns zu. Mein Hemd fing Feuer. Mae löschte es, indem sie mit der flachen Hand rasch auf mich einschlug.

Als wir wieder hinschauten, waren keine Gestalten mehr zu sehen und auch keine Schwärme.

Wir gingen die Rampe hinunter, immer tiefer in die Höhle.

Wir hatten mit zwanzig Thermitkapseln angefangen. Jetzt hatten wir noch sechzehn, und wir waren erst ein kurzes Stück die Rampe hinunter, die in den großen Raum am Ende führte. Mae ging jetzt sehr schnell - ich hatte Mühe, mit ihr Schritt zu halten -, aber ihre Instinkte waren gut. Die wenigen Schwärme, die vor uns auftauchten, wichen rasch zurück.

Wir scheuchten sie vor uns her in den unteren Raum.

Mae sagte: »Bobby, wo bleibst du?«

Das Headset knisterte. »... bin - jetzt ...«

»Bobby, komm endlich, verdammt.«

Doch die ganze Zeit drangen wir immer tiefer in die Höhle ein, und bald hörten wir nur noch statisches Rauschen. Hier unten hing Staub in der Luft, der die Infrarotstrahlen diffus machte. Die Wände und den Boden unmittelbar vor uns konnten wir deutlich sehen, aber dahinter war es stockfinster. Die Dunkelheit und das eingeschränkte Gesichtsfeld waren beängstigend. Um zu wissen, was rechts und links von mir war, drehte ich ständig den Kopf und schwenkte den Lichtstrahl hin und her. Ich hatte jetzt wieder den Fäulnisgeruch in der Nase, scharf und widerlich.

Wir erreichten das Ende der langen Rampe. Mae blieb ruhig; als ein halbes Dutzend Schwärme vor uns aufschwirrte, hielt sie mir wieder eine Kapsel hin. Bevor ich sie anzünden konnte, zogen die Schwärme sich zurück. Mae rückte sofort nach.

»Die reinste Löwenbändigung«, sagte sie.

»Bisher«, sagte ich.

Ich wusste nicht, wie lange wir das so durchhalten konnten. Die Höhle war groß, viel größer, als ich sie mir vorgestellt hatte. Sechzehn Kapseln würden doch niemals ausreichen. Ich fragte mich, ob Mae sich auch Sorgen machte. Sie erweckte nicht den Eindruck. Aber wahrscheinlich ließ sie es sich nicht anmerken.

Irgendetwas knirschte unter meinem Fuß. Ich blickte nach unten und sah, dass der Boden mit tausenden winzigen, zarten, gelben Knochen übersät war. Wie Vogelknochen. Doch das da waren Fledermausknochen. Mae hatte Recht gehabt: Sie waren alle gefressen worden.

In der oberen Ecke meines Nachtsichtbildes blinkte jetzt ein rotes Licht. Es war irgendeine Warnanzeige, vermutlich für die Batterie. »Mae ...«, setzte ich an. Dann ging das rote Licht aus, so plötzlich, wie es angegangen war.

»Was ist?«, sagte sie. »Was ist los?«

»Schon gut.«

Und dann endlich kamen wir in den großen Raum - es gab nur keinen großen Raum, das heißt, nicht mehr. Er war jetzt vom Boden bis zur Decke mit dunklen Kugeln gefüllt, die einen Durchmesser von über einem halben Meter hatten und mit stacheligen Vorsprüngen gespickt waren. Sie sahen aus wie überdimensionale Seeigel. Sie waren in großen Trauben geschichtet. Die Anordnung war methodisch.

Mae sagte: »Hoffentlich ist das nicht das, was ich fürchte.« Ihre Stimme war ruhig, distanziert. Fast wissenschaftlich interessiert.

»Ich glaube doch«, sagte ich. Wenn mich nicht alles täuschte, waren diese stacheligen Gebilde eine organische Version der Produktionsanlage von Xymos. »So vermehren sie sich.« Ich trat vor.

»Ich weiß nicht, ob wir reingehen sollten ...«, sagte sie.

»Wir müssen, Mae. Sieh es dir doch an: Es ist geordnet.«

»Glaubst du, es gibt ein Zentrum?«

»Vielleicht.« Und falls ja, wollte ich Thermit draufwerfen. Ich ging weiter.

Es war unheimlich, zwischen diesen Trauben hindurchzugehen. Zähe, schleimige Flüssigkeit tropfte von den Spitzen der Stacheln. Und die Kugeln schienen mit einer Art festem Gel beschichtet zu sein, das bebte, sodass es aussah, als würden sich die Gebilde bewegen, als wären sie lebendig. Ich blieb kurz stehen, um es mir genauer anzuschauen. Und da erkannte ich, dass die Oberfläche der Kugeln tatsächlich lebendig war; denn in dem Gel wimmelte es nur so von kriechenden, schwarzen Würmern. »Mein Gott .«

»Die waren vorher schon da«, sagte Mae ruhig.

»Was?«

»Die Würmer. Sie haben in der Guanoschicht auf dem Höhlenboden gelebt, als ich das erste Mal hier war. Sie fressen organisches Material und scheiden stark phosphorhaltige Stoffe aus.«

»Und jetzt sind sie an der Schwarmsynthese beteiligt«, sagte ich. »Es hat nicht lange gedauert, bloß ein paar Tage. Aktive Koevolution. Die Kugeln versorgen die Würmer vermutlich mit Nahrung und sammeln irgendwie deren Ausscheidungen.«

»Oder sie sammeln die Würmer selbst«, sagte Mae trocken.

»Ja. Vielleicht.« Es war durchaus denkbar. Ameisen züchteten Blattläuse, wie wir Kühe züchteten. Andere Insekten bauten Pilze als Nahrungsquelle in Gärten an.

Wir traten tiefer in den Raum. Die Schwärme wirbelten an allen Seiten um uns herum, aber sie blieben auf Distanz. Wahrscheinlich ein weiteres noch nie da gewesenes Ereignis, dachte ich: Eindringlinge in ihrem Nest. Sie wussten noch nicht, was sie tun sollten. Ich bewegte mich vorsichtig; unter meinen Füßen wurde es stellenweise immer rutschiger. Der Boden war mit einer dicken Dreckschicht bedeckt, die an einigen Stellen streifig grün leuchtete. Die Streifen schienen nach innen zu laufen, zum Zentrum hin. Ich hatte das Gefühl, dass der Boden ein leichtes Gefälle hatte.

»Wie weit noch?«, sagte Mae. Sie klang noch immer ruhig, aber ich glaubte ihr diese Ruhe nicht. Ich war es auch nicht; als ich nach hinten blickte, konnte ich den Eingang des Raumes nicht mehr sehen, weil er von den Kugeln verdeckt wurde.

Und auf einmal waren wir im Zentrum, denn die Trauben liefen in einem offenen Raum aus, und direkt vor uns sah ich etwas, das so aussah wie eine Miniaturausgabe des Hügels draußen. Er war etwas über einen Meter hoch und kreisrund, und ringsherum ragten flache flügelartige Ausbuchtungen nach außen. Auch er war grün gestreift. Blasser Rauch stieg von den Flügeln auf.

Wir traten näher.

»Es ist heiß«, sagte Mae. Und das stimmte. Die Hitze war extrem; deshalb qualmte es. Mae sagte: »Was meinst du, was da drin ist?«

Ich blickte auf den Boden. Ich sah, dass die grünen Streifen von den Kugeln zu dem Hügel in der Mitte führten. Ich sagte: »Assembler.« Die stacheligen Seeigel generierten organisches Rohmaterial. Es floss ins Zentrum, wo die Assembler die endgültigen Moleküle produzierten. Dort fand die Endmontage statt.

»Dann ist das da das Herz«, sagte Mae.

»Ja. Könnte man so sagen.«

Die Schwärme waren jetzt um uns herum, verharrten hinten bei den Trauben. Offenbar würden sie nicht ins Zentrum kommen. Aber sie waren überall, warteten auf uns.

»Wie viele willst du?«, fragte Mae leise, während sie das Thermit aus ihrem Rucksack nahm.