Ich sah zu Mae und Bobby hinüber. Sie standen wieder auf. Der Hubschrauber schwebte noch immer dröhnend über uns, als wir die letzte Schräge hochkletterten, über den Rand des Hügels fielen und dann den Hang hinunterrollten, hinaus in die kühle, schwarze Wüstennacht.
Das Letzte, was ich sah, war Mae, die dem Hubschrauber mit beiden Armen hektisch signalisierte, er solle verschwinden -weg, weg, weg.
Und dann explodierte die Höhle.
Der Boden machte einen Satz unter meinen Füßen, und ich schlug der Länge nach hin, genau in dem Moment, als mir ein heftiger Schmerz von der Druckwelle in den Ohren stach. Ich hörte das tiefe Grollen der Explosion. Aus der Höhlenöffnung schoss ein gewaltiger, wütender Feuerball, orange, mit Schwarz durchsetzt. Ich spürte, wie eine heiße Welle auf mich zurollte, und dann war sie verschwunden, und alles war mit einem Mal still, und die Welt um mich herum war schwarz.
Wie lange ich dort unter den Sternen lag, weiß ich nicht. Ich hatte wohl das Bewusstsein verloren, denn meine nächste Erinnerung war, wie Bobby mich auf den Rücksitz des Hubschraubers schob. Mae war schon eingestiegen, und sie beugte sich zu mir herüber, um mich anzuschnallen. Beide betrachteten mich besorgt. Ich fragte mich dumpf, ob ich verletzt war. Ich spürte keine Schmerzen. Die Tür schlug neben mir zu, und Bobby stieg vorn neben dem Piloten ein.
Wir hatten es geschafft. Und wir lebten.
Ich konnte kaum fassen, dass es vorbei war.
Der Hubschrauber stieg in die Luft, und ich sah die Lichter des Labors in der Ferne.
IV.
DIE BEUTE
7. Tag, 0.12 Uhr
»Jack.«
Julia kam durch den Korridor auf mich zugestürzt. Im Licht der Deckenbeleuchtung sah ihr Gesicht schön aus, schlank und elegant. Sie war tatsächlich noch schöner, als ich sie in Erinnerung hatte. Am Fußknöchel trug sie einen Verband, und ihr Handgelenk war in Gips. Sie schlang die Arme um mich und vergrub das Gesicht an meiner Schulter. Ihr Haar roch nach Lavendel. »Oh Jack, Jack. Gott sei Dank ist dir nichts passiert.«
»Nein«, sagte ich heiser. »Mir ist nichts passiert.«
»Ich bin ja so froh ... so froh.«
Ich stand einfach nur da, spürte, wie sie mich umarmte. Dann umarmte auch ich sie. Ich wusste nicht, wie ich reagieren sollte. Sie war so voller Energie, aber ich war erschöpft, matt.
»Ist alles in Ordnung mit dir, Jack?«, fragte sie, noch immer fest die Arme um mich gelegt.
»Ja, Julia«, erwiderte ich, kaum mehr als ein Flüstern. »Alles in Ordnung.«
»Was ist denn mit deiner Stimme?«, sagte sie, wich auf Armeslänge zurück und sah mich an. Sie musterte mein Gesicht. »Was hast du?«
»Wahrscheinlich hat er sich die Stimmbänder verätzt«, sagte Mae. Auch sie war heiser. Ihr Gesicht war rußgeschwärzt. Sie hatte einen Riss in der Wange und einen weiteren an der Stirn.
Julia umarmte mich erneut, ihre Finger berührten mein Hemd. »Schatz, du bist verletzt ...«
»Bloß mein Hemd.«
»Jack, bist du wirklich nicht verletzt? Ich glaube, du bist verletzt .«
»Nein, mir fehlt nichts.« Ich trat verlegen von ihr zurück.
»Ich kann dir gar nicht sagen«, sagte sie, »wie dankbar ich dir bin für das, was du heute Nacht getan hast, Jack. Was ihr alle getan habt«, fügte sie hinzu und wandte sich an die anderen. »Du, Mae, und auch du, Bobby. Es tut mir nur Leid, dass ich nicht da war, um euch zu helfen. Ich weiß, das ist alles meine Schuld. Aber wir sind euch dankbar, die Firma ist euch dankbar.«
Ich dachte: Die Firma? Aber ich sagte bloß: »Schon gut, es musste ja gemacht werden.«
»Und ob, ja, allerdings. Rasch und gründlich. Und ihr habt es geschafft, Jack. Gott sei Dank.«
Ricky stand im Hintergrund, sein Kopf bewegte sich auf und ab, wie einer von diesen mechanischen Vögeln, die aus einem Wasserglas trinken. Auf und ab. Das alles kam mir unwirklich vor, als wäre ich in einem Theaterstück.
»Ich finde, darauf sollten wir zusammen einen trinken«, sagte Julia jetzt, während wir den Korridor hinuntergingen. »Hier muss doch irgendwo noch eine Flasche Champagner sein. Ricky? Hab ich Recht? Ja? Ich möchte mit euch feiern.«
»Ich will bloß noch schlafen«, sagte ich.
»Ach, nun komm schon, bloß ein Gläschen.«
Das war typisch Julia, dachte ich. Ganz in ihrer Welt, ohne zu merken, wie anderen zu Mute war. Uns stand jetzt wirklich nicht der Sinn nach Champagner.
»Nein, aber vielen Dank«, sagte Mae und schüttelte den Kopf.
»Wirklich nicht? Das wäre doch schön. Was ist mit dir, Bob-by?«
»Vielleicht morgen«, sagte Bobby.
»Na gut, schade, aber ihr seid ja schließlich die siegreichen Helden! Dann aber morgen.«
Mir fiel auf, wie schnell sie redete, wie rasch ihre Bewegungen waren. Ich musste daran denken, was Ellen über Drogen gesagt hatte. Ich hatte wirklich den Eindruck, dass sie was genommen hatte. Aber ich war so müde, es war mir einfach egal.
»Ich hab Larry Handler schon informiert, den Oberboss«, sagte sie, »und er ist euch allen sehr dankbar.«
»Das freut mich«, sagte ich. »Verständigt er die Armee?«
»Die Armee verständigen? Weswegen?«
»Wegen der außer Kontrolle geratenen Schwärme.«
»Aber, Jack, die Sache ist doch jetzt aus der Welt geschafft. Ihr habt sie aus der Welt geschafft.«
»Ganz sicher bin ich mir da nicht«, sagte ich. »Könnte sein, dass ein paar Schwärme entwischt sind. Oder vielleicht ist irgendwo da draußen noch ein Nest. Ich denke, wir sollten sicherheitshalber die Armee einschalten.« Ich glaubte zwar eigentlich nicht, dass uns einer entkommen war, aber ich wollte jemanden von draußen hier haben. Ich war müde. Andere sollten die Sache in die Hand nehmen.
»Die Armee?« Julias Blick huschte zu Ricky hinüber, dann wieder zu mir. »Jack, du hast völlig Recht«, sagte sie bestimmt. »Die Lage ist extrem ernst. Wenn auch nur die geringste Möglichkeit besteht, dass nicht alle Schwärme vernichtet worden sind, müssen wir umgehend die Armee einschalten.«
»Ich meine, noch heute Nacht.«
»Ja, völlig klar, Jack. Noch heute Nacht. Am besten mache ich das jetzt sofort.«
Ich warf einen Blick über die Schulter auf Ricky. Er kam hinter uns her, nickte noch immer so mechanisch vor sich hin. Ich verstand das nicht. Wo war Rickys Panik geblieben? Seine Angst, die Sache mit den Schwärmen könnte publik werden? Jetzt schien ihm das gleichgültig zu sein.
Julia sagte: »Ihr drei legt euch aufs Ohr, und ich rufe meine Bekannten im Pentagon an.«
»Ich komme mit«, sagte ich.
»Das ist wirklich nicht nötig.«
»Ich möchte aber«, sagte ich.
Sie warf mir einen Blick zu und lächelte. »Traust du mir nicht?«
»Wie kommst du denn darauf?«, erwiderte ich. »Aber es könnte doch sein, dass sie Fragen haben, die du nicht beantworten kannst.«
»Ja, richtig. Gute Idee. Ausgezeichnete Idee.«
Ich war sicher, dass irgendetwas nicht stimmte. Ich kam mir immer mehr so vor, als wäre ich in einem Theaterstück, und jeder spielte seine Rolle. Nur wusste ich nicht, was das für ein Stück war. Ich blickte zu Mae hinüber. Sie hatte die Stirn leicht in Falten gelegt. Auch sie musste es gespürt haben.
Wir passierten die Luftschleusen und kamen in den Wohnbereich. Hier empfand ich die Luft als unangenehm kalt; mich fröstelte. Wir gingen in die Küche, und Julia griff nach dem Telefon.
»Rufen wir direkt an, Jack«, sagte sie.
Ich ging zum Kühlschrank und nahm mir ein Gingerale. Mae trank einen Eistee. Bobby ein Bier. Wir waren alle durstig. Ich sah, dass im Kühlschrank eine Flasche Champagner bereitstand. Ich berührte sie; sie war kalt. Ich sah auch sechs Gläser, die vorgekühlt wurden. Julia hatte die Party bereits geplant.