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»Was? Bilder von Schimmel?«

»Bakterien.«

»Ja, Bakterien. Das hast du dir die ganze Zeit angesehen, Mae?«

Sie zuckte die Achseln, nickte. »Ja, Julia. Das ist mein Job.«

»Und ich zweifle keine Sekunde an deinem beruflichen Engagement«, sagte Julia. »Aber darf ich mal kurz?« Ihre Hand schoss vor und drückte die Zurück-Taste am Rand der Tastatur.

Die Bilder davor erschienen, ebenfalls Aufnahmen von Bakteriennährböden.

Das nächste Bild zeigte eine Elektronenmikroskopaufnahme von einem Virus.

Und dann kam eine Tabelle mit den Wachstumsdaten der letzten zwölf Stunden.

Julia drückte die Taste noch ein paarmal, doch sie sah nichts als Bakterien und Viren und Datentabellen. Sie nahm die Hand von der Tastatur. »Du scheinst ja ziemlich viel Zeit dafür aufzuwenden. Ist das wirklich so wichtig?«

»Na ja, es ist ein Kontaminant«, sagte Mae. »Wenn wir das Problem nicht in den Griff kriegen, müssen wir die gesamte Anlage abstellen.«

»Dann mach bloß weiter.« Sie wandte sich mir zu. »Möchtest du frühstücken? Du musst doch völlig ausgehungert sein.«

»Klingt gut«, sagte ich.

»Komm mit«, sagte Julia. »Wir machen zusammen Frühstück.«

»Schön«, sagte ich. Ich warf Mae einen Blick zu. »Bis später dann. Sag mir, wenn du Hilfe brauchst.«

Ich folgte Julia aus dem Raum. Wir gingen den Korridor hinunter in Richtung Wohntrakt.

»Ich weiß nicht, warum«, sagte Julia, »aber die Frau ist für mich ein rotes Tuch.« »Ich weiß auch nicht, warum. Sie ist sehr gut. Sehr umsichtig, sehr gewissenhaft.«

»Und sehr hübsch.«

»Julia .«

»Willst du mich deshalb nicht küssen? Weil du was mit ihr hast?«

»Julia, jetzt reicht's aber.«

Sie blickte mich abwartend an.

»Hör zu«, sagte ich. »Die letzten Wochen waren für alle ziemlich hart. Ehrlich gesagt, war es nicht leicht mit dir.«

»Das glaube ich.«

»Und ehrlich gesagt, ich war ganz schön sauer auf dich.«

»Und du hattest auch allen Grund dazu. Tut mir Leid, was ich dir alles zugemutet habe.« Sie beugte sich zu mir, küsste mich auf die Wange. »Aber wir sind so distanziert. Ich mag diese Spannung zwischen uns nicht. Komm, wir küssen uns und vertragen uns wieder.«

»Vielleicht später«, sagte ich. »Wir haben noch viel zu tun.«

Sie gab sich verspielt, machte einen Kussmund, küsste in die Luft. »Oooch, komm schon, Schatz, nur ein kleines Küsschen ... bitte, bitte, davon stirbst du schon nicht ...«

»Später«, sagte ich.

Sie seufzte und gab auf. Wir gingen eine Weile schweigend nebeneinander her. Dann sagte sie mit ernster Stimme: »Du weichst mir aus, Jack. Und ich will wissen, warum.«

Ich antwortete nicht, stieß nur einen geduldigen Seufzer aus und ging weiter, tat so, als hätte sie darauf keine Antwort verdient. In Wirklichkeit war ich zutiefst verstört.

Ich konnte mich nicht auf Dauer weigern, sie zu küssen. Früher oder später würde sie sich denken können, was ich wusste. Vielleicht jetzt schon. Denn auch wenn Julia sich kleinmädchenhaft gab, kam sie mir aufmerksamer und wachsamer vor denn je. Ich hatte das Gefühl, dass ihr nichts entging.

Und ich hatte das gleiche Gefühl bei Ricky. Sie kamen mir beide wie auf Hochtouren vor, hyperwach.

Und was ich auf Maes Monitor gesehen hatte, war verstörend. Die schwarze Wolke, die offenbar aus Julias Mund gekommen war. War sie wirklich da gewesen, auf dem Video? Denn soweit ich wusste, töteten die Schwärme ihre Beute auf der Stelle. Sie waren gnadenlos. Und jetzt schien Julia einen Schwarm in sich zu haben. Wie war das möglich? War sie irgendwie immun? Oder tolerierte der Schwarm sie und brachte sie aus irgendeinem Grund nicht um? Und was war mit Ricky und Vince? Waren sie auch immun?

Eines stand fest: Julia und Ricky wollten nicht, dass wir ir-gendwen anriefen. Sie hatten uns absichtlich in der Wüste von der Außenwelt abgeschnitten, und sie wussten, dass nur noch wenige Stunden blieben, bis der Hubschrauber kam. Also genügte ihnen dieser Zeitraum offenbar. Um was zu tun? Uns umzubringen? Oder bloß, um uns zu infizieren? Was?

Während ich so mit meiner Frau den Korridor hinunterging, hatte ich das Gefühl, neben einer Fremden herzugehen. Neben jemandem, den ich nicht mehr kannte. Jemand, der ungeheuer gefährlich war.

Ich sah auf die Uhr. Keine zwei Stunden mehr, bis der Hubschrauber kam.

Julia lächelte. »Hast du einen Termin?«

»Nein. Ich hab nur gedacht, es ist Zeit fürs Frühstück.«

»Jack«, sagte sie. »Warum bist du nicht ehrlich zu mir?«

»Ich bin ehrlich ...«

»Nein. Du hast dich gefragt, wie lange es noch dauert, bis der Hubschrauber kommt.«

Ich zuckte die Achseln.

»Zwei Stunden«, sagte sie. Und sie fügte hinzu: »Ich wette, du kannst es kaum erwarten, hier wegzukommen, was?«

»Ja«, sagte ich. »Aber ich gehe erst, wenn alles erledigt ist.«

»Wieso? Was gibt's denn noch zu erledigen?«

Inzwischen waren wir im Wohntrakt. Es roch nach brutzelndem Schinken mit Eiern. Ricky kam um die Ecke. Er lächelte herzlich, als er mich sah. »He, Jack. Wie hast du geschlafen?«

»Ganz gut.«

»Ehrlich? Du siehst aber ein bisschen müde aus.«

»Ich hab schlecht geträumt«, sagte ich.

»Ach ja? Schlecht geträumt? Schade.«

»Kommt vor«, sagte ich.

Wir gingen alle in die Küche. Bobby machte das Frühstück. »Zum Schinken wird Rührei mit Schnittlauch und Käse gereicht«, sagte er fröhlich. »Was für Brot wollt ihr?«

Julia wollte Weizentoast, Ricky Muffins. Ich sagte, ich wolle gar nichts. Ich blickte Ricky an, registrierte erneut, wie kräftig er aussah. Unter seinem T-Shirt zeichneten sich die Muskeln deutlich ab. Er merkte, dass ich ihn anstarrte. »Stimmt was nicht?«

»Nein. Ich bewundere nur deinen Traumkörper.« Ich versuchte, mich locker zu geben, aber in Wahrheit fühlte ich mich in der Küche mit all den anderen um mich herum unglaublich unwohl. Ich musste dauernd an Charley denken und daran, wie schnell sie ihn angegriffen hatten. Ich war nicht hungrig, ich wollte nur raus hier. Aber ich wusste nicht, wie ich das anstellen sollte, ohne Verdacht zu erregen.

Julia ging zum Kühlschrank, öffnete ihn. Der Champagner stand noch drin. »Habt ihr jetzt Lust auf ein Gläschen?«

»Klar«, sagte Bobby. »Klingt toll, ein kleiner Muntermacher am Morgen .«

»Kommt nicht infrage«, sagte ich. »Julia, ich erwarte, dass du unsere Lage ernst nimmst. Wir sind noch lange nicht aus dem Schneider. Wir müssen die Armee verständigen, und wir können nicht telefonieren. Weiß Gott nicht der richtige Zeitpunkt für Champagner.«

Sie machte einen Schmollmund. »Ach, du bist ein alter Spielverderber .«

»Spielverderber, Quatsch. Du bist albern.«

»Oooch, Schatz, sei nicht böse, komm, küss mich, küss mich.« Sie spitzte wieder die Lippen und beugte sich über den Tisch.

Ich sah meine einzige Chance in einem Wutanfall. »Verdammt noch mal, Julia«, sagte ich mit lauter Stimme, »wir stecken doch nur deshalb in diesem Schlamassel, weil ihr die Sache von Anfang an nicht ernst genommen habt. Ihr hattet da draußen in der Wüste einen entwischten Schwarm, und das wie lange - zwei Wochen? Und statt ihn zu vernichten, habt ihr mit ihm rumgespielt. So lange, bis er außer Kontrolle geraten ist, mit dem Ergebnis, dass jetzt drei Menschen tot sind. Das ist weiß Gott kein Anlass zum Feiern, Julia. Es ist eine Katastrophe. Und ich trinke, solange ich hier bin, keinen Scheißchampagner, und auch sonst keiner.« Ich ging mit der Flasche zur Spüle und zerschlug sie. »Kapiert?«

Mit versteinertem Gesicht sagte sie: »Das war absolut überflüssig.«

Ich sah, dass Ricky mich nachdenklich anblickte. Als wäre er damit beschäftigt, eine Entscheidung zu treffen. Bobby drehte uns am Herd den Rücken zu, als ob ihm der Ehekrach peinlich wäre. Hatten sie Bobby auch schon? Ich meinte, eine dünne, schwarze Linie in seinem Nacken zu sehen, aber vielleicht täuschte ich mich, und ich traute mich auch nicht, darauf zu starren.