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Und ich konnte nichts dagegen unternehmen. Jetzt nicht mehr.

Ich fragte mich, wie es Mae ging und ob man ihr was getan hatte. War sie noch am Leben? Ich fühlte mich distanziert, teilnahmslos. Ich hockte hier in einem übergroßen Kernspin-tomografen, mehr nicht. Das laute, beängstigende Geräusch, so musste es Amanda ergangen sein, als sie darin lag . Meine Gedanken schweiften ab, gleichgültig.

»Zehn Sekunden«, sagte Ricky. »Mensch, Jack. Spiel nicht den Helden. Das ist nicht dein Stil. Sag uns, wo der Kanister ist. Zehn Sekunden. Fünf. Jack, los ...«

Das Klonk-klonk-klonk hörte auf, und es ertönte ein Wumm! und das Kreischen von berstendem Metall. Der Magnet war angesprungen, für ein paar Millisekunden.

»Erster Impuls«, sagte Ricky. »Sei kein Idiot, Jack.«

Wieder ein Wumm! Wumm! Wumm! Die Pulse kamen jetzt immer schneller. Ich sah, wie sich die Ummantelung an der Kühlung mit jedem Puls einbeulte. Sie kamen zu schnell.

Wumm! Wumm!

Ich hielt es nicht mehr aus. Ich rief: »Okay! Ricky! Ich sag's euch!«

Wumm! »Schieß los, Jack!« Wumm! »Ich warte.«

»Nein. Erst abschalten. Und ich sage es nur Julia.«

Wumm! Wumm! »Sehr unvernünftig von dir, Jack. Du bist wirklich nicht in der Position, Forderungen zu stellen.« Wumm!

»Wollt ihr das Virus, oder wollt ihr euch lieber überraschen lassen?«

Wumm! Wumm! Wumm!

Und dann auf einmal Stille. Nur das leise Zischen der Kühlflüssigkeit, die durch die Ummantelung floss. Der Magnet war zu heiß, um ihn anzufassen. Aber wenigstens hatte das Geräusch des Kernspintomografen aufgehört.

Der Kernspintomograf ...

Ich stand im Raum und wartete, dass Julia hereinkam. Und dann überlegte ich es mir anders und setzte mich hin.

Ich hörte, wie die Tür entriegelt wurde. Julia trat ein.

»Jack. Du bist doch nicht verletzt, oder?«

»Nein«, sagte ich. »Bloß mit den Nerven am Ende.«

»Ich versteh nicht, warum du dir das selbst angetan hast«, sagte sie. »Es war völlig unnötig. Aber weißt du, was? Ich habe eine gute Nachricht. Der Hubschrauber ist gerade gekommen.«

»Ach ja?«

»Ja, er ist heute früher dran als sonst. Denk doch mal nach, wäre es nicht schön, jetzt im Hubschrauber zu sitzen, auf dem Weg nach Hause? Zurück zu deinen Kindern? Wäre das nicht toll?«

Ich saß da, mit dem Rücken gegen die Wand, und blickte zu ihr hoch. »Soll das heißen, ich kann gehen?«

»Natürlich, Jack. Warum solltest du länger hier bleiben? Gib mir einfach den Virus-Kanister und ab nach Hause.«

Ich glaubte ihr keine Sekunde. Ich sah die freundliche Julia, die verführerische Julia. Aber ich glaubte ihr nicht. »Wo ist Mae?«

»Sie ruht sich aus.«

»Du hast ihr was angetan.«

»Nein. Nein, nein, nein. Wieso sollte ich?« Sie schüttelte den Kopf. »Du willst es einfach nicht verstehen, was? Ich will dir nichts tun, Jack. Dir nicht, Mae nicht, niemandem. Vor allem dir will ich nichts tun.«

»Erzähl das mal Ricky.«

»Jack. Bitte. Lassen wir die Gefühle mal einen Moment aus dem Spiel, und seien wir logisch. Du hast dich selbst hier reingeritten. Warum kannst du die neue Situation nicht akzeptieren?« Sie streckte mir die Hand entgegen. Ich ergriff sie, und Julia zog mich hoch. Sie war stark. Stärker, als ich sie je erlebt hatte. »Schließlich«, sagte sie, »bist du doch ein integraler Bestandteil von all dem hier. Du hast für uns den wilden Typ vernichtet, Jack.«

»Damit der gutartige Typ blühen und gedeihen kann .«

»Genau, Jack. Damit der gutartige blühen und gedeihen kann. Und eine neue Synergie mit den Menschen schaffen kann.«

»Die Synergie, die du jetzt hast, zum Beispiel.«

»Stimmt, Jack.« Sie lächelte. Es war ein schauerliches Lächeln.

»Wie nennt man das zwischen euch? Koexistenz? Koevoluti-on?«

»Symbiose.« Sie lächelte noch immer.

»Julia, das ist ausgemachter Schwachsinn«, sagte ich. »Es ist eine Krankheit.«

»Klar, dass du das sagst. Weil du es nicht besser weißt, noch nicht. Du hast es nicht erlebt.« Sie trat auf mich zu und umarmte mich. Ich ließ sie gewähren. »Du hast ja keine Ahnung, was dich alles erwartet.«

»Den Zustand kenn ich«, sagte ich.

»Sei doch mal zur Abwechslung nicht so stur. Lass dich einfach treiben. Du siehst müde aus, Jack.«

Ich seufzte. »Ich bin müde«, sagte ich. Und das stimmte. Ich fühlte mich ausgesprochen schwach in ihren Armen. Ich war sicher, dass sie das spürte.

»Dann entspann dich doch einfach. Umarm mich, Jack.«

»Ich weiß nicht. Vielleicht hast du Recht.«

»Ja, bestimmt.« Sie lächelte wieder, fuhr mir mit der Hand durchs Haar. »Ach, Jack ... ich hab dich wirklich vermisst.«

»Ich dich auch«, sagte ich. »Ich hab dich auch vermisst.« Ich umarmte sie, zog sie näher an mich, hielt sie ganz fest. Unsere Gesichter waren einander nah. Sie sah wunderschön aus, ihre Lippen waren leicht geöffnet, die Augen blickten zu mir hoch, sanft, einladend. Ich spürte, wie sie sich entspannte. Dann sagte ich: »Eins musst du mir verraten, Julia. Das geht mir schon die ganze Zeit durch den Kopf.«

»Gern, Jack.«

»Wieso hast du dich im Krankenhaus geweigert, ein Kernspintomogramm machen zu lassen?«

Sie zog die Stirn kraus, lehnte den Oberkörper zurück und sah mich an. »Was? Was meinst du?«

»Bist du wie Amanda?«

»Amanda?«

»Unsere kleine Tochter . erinnerst du dich? Die Kernspin-tomografie hat sie geheilt. Von einer Sekunde auf die andere.«

»Wovon redest du?«

»Julia, hat der Schwarm vielleicht Probleme mit Magnetfeldern?«

Ihre Augen wurden groß. Sie versuchte, sich aus meiner Umarmung zu befreien. »Lass mich los! Ricky! Ricky!«

»Tut mir Leid, Schatz«, sagte ich. Ich rammte mein Knie gegen den Knopf. Und es machte laut Wumm!, als der Magnet pulste.

Julia schrie.

Ihr Mund war offen, als sie schrie, ein steter, kontinuierlicher Ton, das Gesicht vor Anspannung ganz starr. Ich hielt sie mit aller Kraft fest. Die Haut ihres Gesichts fing an zu beben, vibrierte rasch. Und dann schienen ihre Gesichtszüge größer zu werden, schwollen an, während sie weiter schrie. Ich dachte, dass ihre Augen verängstigt blickten. Das Anschwellen hielt an und zerfiel in Rinnsale und Bäche.

Und dann, urplötzlich, löste Julia sich vor meinen Augen förmlich auf. Die Haut ihres angeschwollenen Gesichts und Körpers flog in Partikelströmen von ihr ab, wie Sand, der von einer Düne geweht wird. Die Partikel schossen im Bogen des Magnetfeldes zu den Wänden des Raumes hin.

Ich spürte, wie Julias Körper in meinen Armen leichter wurde. Noch immer rauschten die Partikel mit einem zischenden Geräusch in alle Ecken des Raumes. Und als es vorbei war, hielt ich nur noch eine blasse und ausgezehrte Gestalt in den Armen. Julias Augen waren tief in die Höhlen gesunken. Ihre Lippen waren dünn und rissig, ihre Haut fast durchscheinend, ihr Haar farblos, spröde. Das Schlüsselbein trat an ihrem knochigen Hals hervor. Sie sah aus wie eine im Sterben liegende Krebskranke. Ihr Mund bewegte sich. Ich hörte schwache Worte, kaum mehr als ein Hauchen. Ich beugte mich vor, hielt mein Ohr dicht an ihren Mund.