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»Sie ist näher an den Kampfhandlungen dran als wir«, sagt Lachender Chan.

»Ist das ein gutes oder ein schlechtes Zeichen?«, fragt sich Hock Seng.

Lachender Chan will gerade antworten, da wird er von dem wütenden Gebrüll eines Megodonten unterbrochen, gefolgt vom Jaulen von Spannfederpistolen. Alle blicken die Straße hinunter. »Das hört sich nicht gut an.«

»In Deckung«, sagt Hock Seng.

»Zu spät.«

Eine Woge von Menschen strömt um die Straßenecke. Sie alle flüchten vor einem Trio Megodonten mit Rüstungen aus Kohlenstoffstahl, die dicht hinter ihnen um die Ecke donnern. Die massigen Köpfe sind gesenkt und schwingen hin und her, wobei die an den Stoßzähnen befestigten halbmondförmigen Klingen in die Menschenmenge fahren. Körper wirbeln wie Blätter umher, werden wie Orangen zerteilt.

Auf den Megodonten sitzen Männer in Käfigen und feuern mit Maschinengewehren in die Menge. Silbrig gleißende Scheiben prasseln auf das Menschengewimmel herab. Während die Leute an ihnen vorbeirennen, ducken sich Hock Seng und Lachender Chan in einen Hauseingang. Die Weißhemden unter ihnen feuern im Rennen aus Spannfederpistolen und Einzelschussgewehren, doch gegen die gepanzerten Megodonten können ihre Scheiben nichts ausrichten. Das Umweltministerium ist für einen solchen Konflikt nicht ausgerüstet. Um sie herum regnet es Querschläger, und wieder rattern die Maschinengewehre. Menschen stürzen, und zurück bleiben blutige, sich windende Haufen, die vor Schmerz aufheulen, als die Megodonten sie niedertrampeln. Die Straße erstickt unter Staub und Moschusgeruch. Ein Mann wird von den Megodonten zur Seite geschleudert und prallt gegen Hock Seng. Blut strömt ihm aus dem Mund, doch er ist bereits tot.

Hock Seng kriecht unter dem Leichnam hervor. Immer mehr Menschen formieren sich und schießen auf die Megodonten. Wahrscheinlich Studenten, vermutet Hock Seng, von der Thammasat vielleicht, aber es ist nicht zu erkennen, wem oder was sie sich zugehörig fühlen. Hock Seng fragt sich, ob sie selbst überhaupt wissen, gegen wen sie da kämpfen.

Die Megodonten drehen sich im Kreis und greifen alles an, was sich ihnen in den Weg stellt. Die Leute versuchen, ihnen auszuweichen, und drängen sich gegen Hock Seng. Er bekommt keine Luft mehr. Er will etwas rufen, sich Platz verschaffen, doch der Druck ist einfach zu stark. Er schreit auf. Das Gewicht der verzweifelt nach Schutz suchenden Menschen lastet auf ihm und presst ihm den letzten Rest Sauerstoff aus den Lungenflügeln. Ein Megodont geht gegen die Menge vor. Er weicht einen Schritt zurück und greift erneut an, reißt den Menschenklumpen auseinander und schwingt die bewaffneten Stoßzähne. Einige Studenten werfen erst Ölflaschen, dann brennende Fackeln auf das Tier, bis alles um sie herum in Flammen steht.

Wieder regnet es rasiermesserscharfe Klingen. Hock Seng kauert sich auf die Erde, während die Silber spuckenden Gewehre näher rücken. Ein Junge blickt ihm direkt in die Augen; das gelbe Stirnband ist ihm über das blutverschmierte Gesicht gerutscht. In Hock Sengs Bein breitet sich ein heftiger Schmerz aus. Er kann nicht sagen, ob das Knie gebrochen ist oder ob er einen Schuss abbekommen hat. Vor lauter Angst und Wut beginnt er, laut zu schreien. Das Gewicht der Masse drückt ihn zu Boden. Er wird sterben. Unter den Toten begraben. Trotz allem hat er nicht begriffen, wie launisch der Krieg sein kann. In seinem Hochmut nahm er an, er könne sich vorbereiten. Was für ein Narr er doch ist …

Plötzlich wird es still. Zwar klingeln ihm noch immer die Ohren, aber er hört keine Schüsse mehr, und auch das Trompeten der Megodonten hat aufgehört. Unter dem Menschenberg wagt Hock Seng einen zittrigen Atemzug. Überall um ihn herum vernimmt er Gestöhne und Schluchzen.

»Au — Chan?«, ruft er.

Niemand antwortet.

Hock Seng gräbt sich aus dem Leichenberg hinaus. Er ist nicht der Einzige, der überlebt hat. Die Leute helfen den Verletzten. Hock Seng kann kaum noch aufrecht stehen. Sein Bein besteht nur noch aus Schmerz. Er ist blutüberströmt. Er sucht den Menschenberg nach Lachendem Chan ab, doch selbst falls er darin versteckt sein sollte, so ist es doch zu dunkel, und überall ist viel zu viel Blut, und es sind auch einfach zu viele Leichen, um ihn ausfindig machen zu können.

Hock Seng ruft noch einmal Chans Namen und späht dabei in das Menschenknäuel hinein. Weiter die Straße hinunter verströmt eine geborstene Methanlampe grelles Licht; Gas strömt aus dem Laternenpfahl himmelwärts. Hock Seng geht davon aus, dass die Lampe jede Sekunde eine Explosion auslösen kann, die sich dann auf sämtliche Methanröhren der Stadt ausweiten würde, kann aber nicht genügend Energie aufbringen, um sich weiter darum zu kümmern.

Überall liegen Leichen. Die meisten scheinen Studenten zu sein. Dumme Kinder, nichts weiter. Einen Kampf gegen Megodonten zu wagen! Narren. Er drängt die Erinnerungen an seine eigenen Kinder zurück — tot, aufgeschichtet. Das Malaiische Massaker auf einen thailändischen Bürgersteig übertragen. Mühsam entwindet er der Hand eines toten Weißhemdes eine Spannfederpistole und überprüft das Magazin. Nur noch wenige Scheiben, aber immerhin. Er zieht die Feder auf, für mehr Leistung. Steckt sie sich in die Tasche. Kinder, die Krieg spielen. Kinder, die den Tod nicht verdient haben, aber zum Überleben zu töricht sind.

In der Ferne tobt der Kampf weiter. Er ist zu anderen Straßen und anderen Opfern weitergezogen. Überall liegen tote Menschen. Hock Seng erreicht eine Kreuzung und hinkt hinüber. Er ist viel zu müde, um sich über das Risiko Gedanken zu machen, dass er damit eingeht. Auf der anderen Straßenseite ist ein Mann an der Hauswand zusammengesunken; neben ihm liegt noch sein Fahrrad. Sein Schoß ist blutgetränkt.

Hock Seng hebt das Fahrrad auf.

»Das gehört mir«, sagt der Mann.

Hock Seng zögert und mustert den Mann. Er kann kaum noch die Augen offen halten, und trotzdem klammert er sich weiter an die Normalität, an die Vorstellung, ein Fahrrad zu besitzen. Hock Seng wendet sich ab und schiebt das Fahrrad vom Gehweg auf die Straße. Der Mann ruft ihm hinterher: »Das gehört mir!«, aber er steht nicht auf, und er kann Hock Seng nicht davon abhalten, ein Bein über den Rahmen zu schwingen und in die Pedale zu treten.

Und falls der Mann sich ein weiteres Mal beschwert, hört Hock Seng es nicht mehr.

41

»Ich bin davon ausgegangen, dass wir erst in zwei Wochen losschlagen«, wendet Anderson ein. »Wir sind noch nicht einsatzbereit.«

»Die Pläne müssen geändert werden. Ihre Waffenlieferungen und auch die finanzielle Unterstützung sind immer noch recht nützlich.« Akkarat zuckt mit den Achseln. »Allerdings würde es den Wechsel sicher nicht unbedingt einfacher gestalten, wenn Farang-Sturmtruppen hier in der Stadt aufmarschieren würden. Womöglich ist dieser vorgezogene Marschplan sogar am besten.«

Explosionen donnern über die Stadt. Ein Feuer ist ausgebrochen, und der Schein von hellgrünem Methan wechselt langsam ins Gelbliche, als es auf ausgetrockneten Bambus und andere Materialien stößt. Akkarat betrachtet die Flammen und winkt dann den Mann mit dem Radiofon zu sich. Während Akkarat leise in das Gerät spricht und Feuerwehrtrupps aussendet, kurbelt der Gefreite emsig weiter. Akkarat blickt zu Anderson hinüber und erklärt: »Wenn das Feuer außer Kontrolle gerät, haben wir bald keine Stadt mehr, die es zu verteidigen gilt.«

Anderson sieht sich die Ausbreitung des Feuers an — der helle Widerschein auf dem Chedi des Palastes, dem Tempel des Smaragd-Buddhas. »Das Feuer wütet in der Nähe der Stadtsäule.«

»Khap. Und wir können nicht zulassen, dass die Säule verbrennt. Es wäre ein schlechtes Omen für eine neue Regierung, die stark und fortschrittlich erscheinen sollte.«