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Hock Seng hält sich in einer Seitenstraße versteckt, während Panzer und Lastwagen die Thanon Phosri hinunterdonnern. Bei dem Gedanken an all das Benzin, das dabei verbrannt wird, bekommt er eine Gänsehaut. Die Dieselvorräte des Königreichs sind begrenzt, und für diese Gewaltorgie wird gerade eine Menge davon in die Luft geblasen. Panzer rasen auf klirrenden Ketten vorbei und lassen eine Wolke von Abgasen zurück. Hock Seng duckt sich hinter einen Müllhaufen. All seine Pläne sind in diesem Moment der Krise zunichtegemacht geworden. Anstatt abzuwarten und mit einer kleinen Einheit in Richtung Norden zu ziehen, hat er seine Reichtümer dem Feuer überlassen, nur um ein Wagnis mit ungewissem Ausgang einzugehen.

Hör auf zu jammern, du alter Narr. Wenn du dich nicht davongestohlen hättest, wärst du zusammen mit deinen Baht-Scheinen und deinen Yellow-Card-Freunden geröstet worden.

Und dennoch wünscht er sich, er hätte wenigstens daran gedacht, einen Teil seiner so sorgfältig versteckten Ersparnisse mitzunehmen. Er fragt sich, ob sein Karma so ruiniert ist, dass es niemals eine Hoffnung auf Erfolg für ihn geben wird.

Er späht noch einmal auf die Hauptstraße hinaus. Die SpringLife-Büros sind bereits in Sichtweite. Und was noch besser ist, nirgendwo sind Wachen zu sehen. Hock Seng gestattet sich ein kleines Lächeln. Die Weißhemden haben jetzt ganz andere Sorgen. Er schiebt das Fahrrad über die Straße und benutzt es dabei als Krücke.

Auf dem Firmengelände sieht es danach aus, als hätte ein kurzer Kampf stattgefunden. Drei Leichen lehnen an einer Wand — allem Anschein nach sind sie hingerichtet worden. Man hat ihnen die gelben Armbänder abgerissen und neben die Körper in den Staub geworfen. Noch mehr dumme Kinder, die Politik spielen wollten …

Hinter ihm bewegt sich etwas.

Hock Seng fährt herum und zielt mit der Federpistole auf seinen Verfolger. Mai hält keuchend die Luft an, als die Pistole sich ihr in den Bauch bohrt. Vor Angst beginnt sie zu wimmern, die Augen weit aufgerissen.

»Was hast du hier verloren?«, flüstert Hock Seng.

Mai stolpert nach hinten, weg von der Waffe. »Ich habe nach Ihnen gesucht. Die Weißhemden haben unser Dorf ausfindig gemacht. Die Menschen dort sind krank.« Sie schluchzt. »Und dann hat Ihr Haus gebrannt.«

Jetzt erst bemerkt er den Ruß und die ganzen Schnittwunden, die ihren Körper bedecken. »Du warst in Yaowarat? In den Slums?«, fragt er sie bestürzt.

Mai nickt. »Ich hatte Glück.« Sie unterdrückt ein Schluchzen.

Hock Seng wiegt den Kopf hin und her. »Und was suchst du hier?«

»Ich wusste nicht, wo ich sonst hinsollte …«

»Und es sind noch mehr Leute krank geworden?«

Sie nickt, voller Angst. »Die Weißhemden haben uns Fragen gestellt; ich wusste nicht, was ich machen sollte, also habe ich …«

»Mach dir deswegen keine Gedanken«, sagt Hock Seng und legt ihr beruhigend eine Hand auf die Schulter. »Die Weißhemden werden uns keinen Ärger mehr machen. Die haben ihre eigenen Sorgen.«

»Haben Sie …« Sie hält inne. »Sie haben unser Dorf niedergebrannt«, fährt sie schließlich fort. »Einfach alles.«

Was ist sie doch für ein mitleiderregendes Geschöpf! So klein. So verletzlich. Er stellt sich vor, wie sie aus ihrem zerstörten Zuhause geflohen ist und an dem einzigen Ort Schutz suchte, der ihr noch geblieben war. Und das nur, um sich mitten in einem Krieg wiederzufinden. Einerseits möchte er sich von der Bürde befreien, die sie darstellt, aber es sind bereits zu viele Menschen um ihn herum gestorben, und aus unerfindlichen Gründen bereitet es ihm Freude, mit ihr zusammen zu sein. Er schüttelt den Kopf. »Törichtes Kind.« Er zeigt auf die Fabrik. »Komm mit.«

Als sie die Haupthalle betreten, schlägt ihnen heftiger Gestank entgegen. Sie bedecken beide das Gesicht und atmen nur noch flach ein und aus.

»Die Algenbäder«, sagt Hock Seng gedämpft. »Die Spannfedern treiben die Ventilatoren nicht mehr an. Jetzt steht die Luft.«

Er steigt die Treppe hinauf, die zum Büro führt, und öffnet die Tür. Dort ist es drückend heiß, und nachdem hier so lange niemand mehr gelüftet hat, stinkt es hier oben ebenso wie unten in der Fertigungshalle. Hock Seng stößt die Fensterläden auf, und eine leichte nächtliche Brise strömt hinein, die den Rauch der brennenden Stadt mit sich trägt. Über den Dächern tanzen Flammen und stieben in die Nacht, als wären sie Abendgebete, die zum Himmel auffahren.

Mai tritt zu ihm ans Fenster; ihr Gesicht leuchtet im Schein der flackernden Glut. Weiter die Straße hinunter brennt lichterloh eine kaputte Gaslampe. Die Lampen stehen inzwischen vermutlich überall in der Stadt in Flammen. Hock Seng ist überrascht, dass noch niemand die Gaszufuhr unterbrochen hat. Das hätte längst geschehen müssen, und trotzdem lodert diese Laterne grünlich hell und zeichnet Schatten auf Mais Gesicht. Sie ist sehr hübsch, fällt ihm jetzt erst auf. Schmächtig und schön. Eine Unschuldige, gefangen zwischen lauter kriegführenden Tieren.

Er wendet sich vom Fenster ab und hockt sich vor den Tresor. Betrachtet die Drehscheibe und die schweren Schlösser. Wie viel Geld etwas kosten muss, das aus so viel Stahl besteht. Als er noch seine eigene Firma besaß — eine Zeit, in der Dreimastklipper über das Südchinesische Meer und den Indischen Ozean herrschten —, hatte er auch so einen Tresor in seinen Büroräumen stehen. Ein aus einer aufgegebenen Bankfiliale gerettetes Erbstück, das nach der Pleite des Finanzhauses mit Hilfe von zwei Megodonten direkt aus den Katakomben zur Drei-Reichtümer-Handelsgesellschaft transportiert wurde. Der Tresor, der jetzt vor ihm steht, scheint ihn zu verspotten. Er muss an den Nahtstellen ansetzen. Das wird lange dauern. »Komm mit«, sagt er.

Hock Seng führt Mai wieder nach unten in die Fabrikhalle. Sie zögert, in den Klärraum zu gehen. Er reicht ihr eine von den Schutzmasken, die von den Fließbandarbeitern getragen wurden. »Das sollte ausreichen.«

»Sind Sie sicher?«

Er zuckt die Achseln. »Dann bleib eben hier.«

Doch sie folgt ihm trotzdem dorthin, wo die zum Aushärten benötigte Säure gelagert wird. Vorsichtig setzen sie einen Fuß vor den anderen. Mit einem Lappen über der Hand schiebt er die Vorhänge zum Klärraum beiseite und achtet peinlich genau darauf, dass er nichts berührt. Unter der Maske hört sich sein Atem übermäßig laut an, als wäre eine kaputte Säge am Werk. In den Fertigungsräumen herrscht ein großes Chaos. Die Weißhemden waren hier und haben alles durchsucht. Der Gestank der vor sich hinfaulenden Algenbäder ist entsetzlich, sogar durch die Maske hindurch. Hock Seng atmet so flach wie möglich und schluckt den Würgereiz hinunter. Die Gittersiebe über ihm sind mit einer schwarzen Schicht verdorrter Algen überzogen. Einige Stränge baumeln herab — schwarze, ausgezehrte Tentakel. Hock Seng hätte sich am liebsten von ihnen weggeduckt.

»Was haben Sie vor?«

»Ich suche nach einer Zukunft.« Er schenkt ihr ein schwaches Lächeln; dann erst wird ihm klar, dass sie seinen Gesichtsausdruck wegen der Filtermaske gar nicht erkennen kann. Er nimmt ein Paar Handschuhe aus einem der Vorratsschränke und reicht sie ihr. Auch eine Schürze bekommt sie. »Hilf mir dabei.« Er deutet auf einen Sack, der mit einer pulverförmigen Substanz gefüllt ist. »Wir arbeiten jetzt auf eigene Rechnung. Ohne dass sich irgendwelche Ausländer einmischen, ja?« Als sie nach dem Sack greifen will, hindert er sie daran. »Pass auf, dass nichts davon auf deine Haut gelangt«, sagt er. »Und dein Schweiß darf nicht an das Pulver kommen.« Er führt sie wieder in die Büroräume.

»Was ist das denn überhaupt?«

»Das wirst du schon noch sehen, mein Kind.«

»Ja, aber …«

»Wir werden ein wenig zaubern. Und jetzt hol etwas Wasser aus dem Khlong hinter dem Haus.«

Als sie wiederkommt, nimmt er ein Messer zur Hand und schneidet behutsam die Außenhülle des Sackes auf. »Bring mir das Wasser.« Sie trägt den Eimer herbei. Das Pulver zischt und beginnt zu brodeln. Als er das Messer wieder herauszieht, ist es zur Hälfte weggeschmolzen und zischelt immer noch.