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»Ja. Niemand darf mich sehen.«

»Schön. Wenn sich die Lage wieder beruhigt hat, werden wir sehen, ob wir dich von hier wegbekommen. Aber vorerst bleibst du hier. Wir werden den Arm schienen. Ich sorge dafür, dass eine Kiste Eis geliefert wird. Würde dir das gefallen?«

Das erlösende Gefühl ist überwältigend. »Ja. Vielen Dank. Sie sind sehr freundlich.«

Anderson-sama lächelt. »Carlyle, wo ist der Whisky? Wir wollen anstoßen.« Er steht auf, wobei er immer wieder zusammenzuckt, und kommt kurz darauf mit Gläsern und einer Flasche zurück.

Hustend stellt er alles auf einen kleinen Beistelltisch.

»Dieser verfluchte Akkarat«, murmelt er; dann beginnt er erneut zu husten, ein tiefes und heiseres Bellen.

Mit einem Mal krümmt er sich. Ein weiterer Hustenkrampf schüttelt ihn, gefolgt von einer ganzen Reihe feucht-rasselnder Anfälle. Anderson-sama streckt die Hand aus, um sich am Tisch festzuhalten, doch er greift daneben und wirft ihn um.

Emiko sieht, wie die Whiskyflasche und alle Gläser auf den Rand zurutschen. Während sie langsam zu Boden fallen, schimmern sie in der aufgehenden Sonne. Das ist wirklich schön, denkt Emiko bei sich. So makellos und strahlend.

Beim Aufprall zersplittern sie auf den Boden. Anderson-samas Hustenanfall will nicht enden. Er sinkt zwischen den Scherben auf die Knie. Versucht aufzustehen, doch ein weiterer Anfall überwältigt ihn. Er dreht sich auf die Seite.

Als der Husten endlich nachlässt, fällt sein Blick auf Emiko; seine blauen Augen liegen tief in den Höhlen.

»Akkarat hat mir wirklich ganz schön zugesetzt«, sagt er.

Hock Seng und Mai weichen vor ihm zurück. Carlyle hat einen Arm über den Mund gelegt und blickt aus angsterfüllten Augen zu ihnen hinüber.

»Genau wie in der Fabrik«, sagt Mai leise.

Emiko kauert sich neben den Gaijin.

Plötzlich kommt er ihr so klein und zerbrechlich vor. Sie ergreift die Hand, die er nach ihr ausstreckt. Seine Lippen sind voller Blutspritzer.

47

Die offizielle Kapitulation findet auf dem Exerzierplatz vor dem Großen Palast statt. Dort empfängt Akkarat Kanya und nimmt ihr Khrab als Zeichen der Unterwerfung entgegen. Die AgriGen-Schiffe liegen bereits im Hafen und entladen die U-Tex-Reislieferungen sowie das SoyPRO. Die sterilen Samen der Getreidemonopolisten — ein Teil wird den Hunger stillen, der Rest geht für die nächste Anbausaison an die thailändischen Bauern. Vom Exerzierplatz aus kann Kanya die Segel mit dem Symbol der roten Weizenähre des Unternehmens erkennen, die sich über dem Damm bauschen.

Es gab Gerüchte, die junge Königin würde der Zeremonie höchstpersönlich beiwohnen und somit der neuen Regierung unter Akkarat den Rücken stärken. Deshalb sind die Menschentrauben noch größer als ursprünglich erwartet. Aber im letzten Moment erreichte sie die Nachricht, dass die Königin doch nicht anwesend sein würde, also stehen sie alle in der Hitze der schon viel zu lange währenden Trockenzeit und harren schwitzend aus, während Akkarat, vom Singsang der Mönche begleitet, ein Podium erklimmt. Nachdem er als neuer Somdet Chaopraya vereidigt wurde, schwört er, das derzeit unter Kriegsrecht stehende Land in dieser schwierigen Situation zu schützen. Anschließend dreht er sich zur Armee, den anwesenden Zivilisten und den verbliebenen Weißhemden unter Kanya um, die alle vor ihm aufgereiht stehen.

Kanya läuft der Schweiß die Schläfen hinab, doch sie bewegt keinen Muskel. Auch wenn sie das Umweltministerium in Akkarats Hände gegeben hat, will sie es im bestmöglichen Licht erscheinen lassen. Sie bleibt also in Habachtstellung; neben ihr hat Pai ebenfalls ganz vorne im Glied seinen Platz gefunden und verzieht keine Miene.

Sie entdeckt Narong, der gleich hinter Akkarat steht und von dort aus die Geschehnisse im Blick behält. Er senkt den Kopf zu einem stillen Gruß. Sie kann sich gerade noch beherrschen, ihn nicht lauthals anzuschreien — sie möchte ihm entgegenschleudern, dass diese Zerstörung allein seine Schuld ist. Mutwillig und sinnlos und vermeidbar. Kanya beißt die Zähne zusammen, schwitzt und bohrt Narong ihren ganzen Hass in die Stirn. Es ist unsinnig. In erster Linie hasst sie sich selbst. Indem sie offiziell die letzten verbliebenen Männer und Frauen ihrer Truppe an Akkarat übergibt, wird sie gleich für die militärische Auflösung der Weißhemden sorgen.

Jaidee steht neben ihr und sieht gedankenverloren zu.

»Haben Sie etwas zu sagen?«, knurrt Kanya.

Jaidee zuckt mit den Achseln. »Sie haben den Rest meiner Familie geholt. Während der Kämpfe.«

Kanya holt geräuschvoll Luft. »Das tut mir leid.« Sie wünschte, sie könnte die Hand nach ihm ausstrecken. Ihn berühren.

Jaidee lächelt traurig. »Wir befinden uns im Krieg. Das habe ich immer versucht, Ihnen klarzumachen.«

Kanya will gerade antworten, da winkt Akkarat sie zu sich. Nun ist also die Zeit ihrer Erniedrigung gekommen. Wie sehr sie diesen Mann verabscheut! Wie kann es sein, dass der Hass ihrer Jugend noch immer nahezu unverändert in ihr brennt? Als Kind hat sie sich geschworen, die Weißhemden zu vernichten, doch der heutige Sieg stinkt genauso wie der Rauch auf den Feldern, die das Ministerium verbrennen ließ. Kanya erklimmt die Stufen und vollführt ihr Khrab. Akkarat lässt sie lange Zeit am Boden verweilen, wo sie sich ihm zu Füßen in den Staub geworfen hat. Sie hört ihn über sich sprechen.

»Natürlich trauern wir um einen Mann wie General Pracha«, spricht er die Menge an. »Wenn er auch nicht loyal war, so war er doch ein leidenschaftlicher Mann, und nicht zuletzt dafür schulden wir ihm ein gewisses Maß an Respekt. Wir sollten ihn nicht nach seinen letzten Tagen beurteilen. Über viele Jahre hinweg hat er sich um das Königreich verdient gemacht. In Zeiten großer Unsicherheit hat er sich für den Erhalt unseres Volkes eingesetzt. Diese Verdienste werde ich niemals infrage stellen, auch wenn er am Ende vom rechten Pfad abgekommen ist.«

Nach einer kleinen Pause fährt er fort: »Wir, als Königreich, müssen genesen.« Er blickt auf die Menschen herab. »Im Geiste der Versöhnung bin ich glücklich, verkünden zu können, dass die Königin meiner Bitte nachgekommen ist und eine Amnestie für alle ausgesprochen hat, die auf der Seite von General Pracha gekämpft haben. Uneingeschränkt. All diejenigen unter Ihnen, die sich dafür entscheiden, weiterhin für das Umweltministerium zu arbeiten, sollten dies voller Stolz tun. Uns stehen viele Entbehrungen bevor, und wir wissen nicht, was die Zukunft für uns bereithält. «

Er bedeutet Kanya sich zu erheben und geht auf sie zu.

»Hauptmann Kanya, obwohl Sie gegen das Königshaus und den Palast gekämpft haben, erkläre ich Sie hiermit für begnadigt. Und noch etwas.« Er hält kurz inne. »Wir müssen uns versöhnen. Wir, als Königreich und als Nation, sollten nach Versöhnung streben. Uns gegenseitig die Hand reichen. «

Kanyas Magen zieht sich zusammen — dieses ganze Prozedere erfüllt sie mit Abscheu. Akkarat spricht weiter. »Da Sie das ranghöchste Mitglied des Umweltministeriums sind, ernenne ich Sie hiermit zum Oberhaupt dieser Abteilung. Ihre Pflichten bleiben dieselben. Beschützen Sie das Königreich und Ihre Majestät, die Königin.«

Kanya starrt Akkarat an. Hinter ihm nimmt sie ein leichtes Lächeln auf Narongs Lippen wahr. Er beugt den Kopf, um ihr seinen Respekt zu erweisen. Kanya fehlen die Worte. Starr vor Entsetzen, erwidert sie die Geste mit einem Wai. Akkarat lächelt.

»Sie können Ihre Männer jetzt wegtreten lassen, General. Morgen werden wir einmal mehr mit Aufbauarbeiten beginnen. «

Immer noch sprachlos, kann Kanya nur mit einem weiteren Wai antworten, bevor sie sich abwendet. Ihr erster Versuch, einen Befehl zu erteilen, gleicht einem Krächzen. Sie schluckt und wiederholt den Befehl mit heiserer Stimme. Ihr blicken Gesichter entgegen, auf denen sich die Überraschung und Ungläubigkeit spiegelt, die sie selbst empfindet. Einen Moment lang befürchtet sie, die Soldaten könnten ihren Befehl missachten und sie als Schwindlerin entlarvt werden. Aber dann drehen sich die Reihen der Weißhemden geschlossen um. Sie marschieren davon, und ihre Uniformen blitzen in der Sonne. Jaidee schließt sich ihnen an. Doch bevor er losmarschiert, legt er die Hände aneinander, als sei sie wirklich eine Generalin. Es schmerzt sie mehr als alles, was zuvor geschehen ist.