Die Männer feuern Kannika an. Skandieren lauthals. Zählen auf Thai. Neung! Song! Sam! Si!
Kannika tut ihnen den Gefallen, und ihr Rhythmus wird fordernder. Die Männer schwitzen und glotzen und wollen noch mehr sehen für ihr Geld. Immer mehr Hände drücken Emiko auf den Boden, halten sie an Hand- und Fußgelenken fest, so dass Kannika sich ganz der Schändung widmen kann. Emiko windet sich, ihr Körper zittert und zuckt auf die für Aufziehmenschen typische Weise, und Kannika kann nicht genug davon bekommen. Die Männer lachen und machen sich über ihre verrückten Bewegungen lustig.
Kannikas Finger gesellen sich zu der Jade zwischen Emikos Beinen und spielen mit ihrem Innersten. Emikos Scham steigert sich ins Unermessliche. Wieder versucht sie, das Gesicht abzuwenden. Männer stehen im Kreis um sie herum und recken die Köpfe. Emiko stöhnt. Kannika lacht, leise und wissend. Sie sagt etwas zu den Männern und erhöht das Tempo. Ihre Finger spielen in Emikos Hautfalten. Emiko stöhnt erneut, während ihr Körper sie verrät. Sie stößt einen Schrei aus. Wölbt das Kreuz. Ihr Körper funktioniert genau nach Maßgabe — ganz so, wie es die Wissenschaftler mit ihren Reagenzgläsern vorgesehen haben. Wie sehr ihr es auch zuwider sein mag, sie kann nichts dagegen tun. Nicht einmal diese kleine Ungehorsamkeit wird ihr gestattet. Sie erreicht den Höhepunkt.
Das Publikum brüllt begeistert und lacht über die bizarren Krämpfe, die der Orgasmus ihrer DNA abringt. Kannikas Handbewegungen sagen so viel wie: »Seht ihr? Schaut euch dieses Tier an!« Und dann kniet sie über Emikos Gesicht und faucht sie an, dass sie ein Nichts ist, dass sie immer ein Nichts sein wird, und endlich bekommen die dreckigen Japaner, was sie verdient haben.
Emiko möchte ihr sagen, dass kein anständiger Japaner so etwas tun würde. Möchte ihr erklären, dass sich Kannika nur mit einem japanischen Einwegspielzeug vergnügt — eine von den Japanern erfundene geniale Belanglosigkeit wie die Einweglenkergriffe aus Zellulose von Matsushita. Aber das hat sie schon früher versucht und damit alles nur noch schlimmer gemacht. Wenn sie schweigt, werden die Qualen bald vorbei sein.
Sie ist ein Neuer Mensch, und doch gibt es nichts Neues unter der Sonne.
Yellow-Card-Kulis treiben mit ihren Kurbeln die gewaltigen Ventilatoren an und wälzen so die Luft durch den Club. Schweiß tropft ihnen von den Gesichtern, läuft ihnen in schimmernden Rinnsalen den Rücken hinunter. Sie verbrennen Kalorien so schnell, wie sie sie zu sich nehmen, und trotzdem erfüllt die Erinnerung an die Nachmittagssonne den Club noch immer mit ihrer Hitze.
Emiko steht neben einem Ventilator, um sich abzukühlen, so gut es eben geht. Ihre Arbeit kann sie nur kurz unterbrechen — sie bringt den Gästen Drinks und hofft, Kannikas Blicken zu entgehen.
Immer wenn Kannika ihrer habhaft wird, schleift sie sie dorthin, wo die Männer sie begutachten können. Zwingt sie, mit der traditionellen Gangart japanischer Aufziehmädchen auf und ab zu schreiten und ihre stilisierten Bewegungen noch zu betonen. Emiko muss sich hin und her drehen, und die Männer reißen lauthals ihre Witze, wobei sie im Stillen darüber nachdenken, ihre Dienste in Anspruch zu nehmen, sobald ihre Freunde fortgegangen sind.
In der Mitte des Hauptraumes fordern Männer die jungen Mädchen in ihren Pha sins und kurzen Jäckchen zum Tanzen auf und drehen sich langsam auf dem Parkett, während die Band Musik aus der Zeit der Großen Kontraktion spielt — Songs, die Raleigh aus seinem Gedächtnis ausgegraben und für traditionelle thailändische Instrumente umgearbeitet hat, sonderbar melancholische Verschmelzungen aus der Vergangenheit, so exotisch wie seine Kinder mit ihrem kurkumagelben Haar und ihren großen, runden Augen.
»Emiko!«
Sie zuckt zusammen. Es ist Raleigh, der sie in sein Büro winkt. Als sie an der Bar vorbeiläuft, folgen die Blicke der Männer ihren abgehackten Bewegungen. Kannika schaut kurz auf — sie hält die Hände eines Mannes fest umfasst und schmiegt sich an ihn — und schenkt ihr ein Lächeln. Als Emiko das erste Mal in dieses Land kam, erzählte ihr jemand, die Thai würden auf dreizehn verschiedene Arten lächeln. Sie vermutet, dass Kannikas Lächeln ihr nichts Gutes verheißt.
»Komm schon«, sagt Raleigh ungeduldig. Er führt sie durch einen Vorhang und einen Korridor entlang, an Zimmern vorbei, in denen sich die Mädchen umziehen, und dann durch eine weitere Tür.
Die Erinnerungsstücke dreier Leben bedecken die Wände des Büros — von vergilbten Fotografien eines Bangkoks, dessen Skyline vollständig von Elektrizität erhellt wird, bis hin zu dem Bild eines Raleigh, der die traditionelle Kleidung eines wilden Bergstammes aus dem Norden trägt. Raleigh bedeutet Emiko, sich auf einem Kissen auf der erhöhten Plattform niederzulassen, auf der er seine Geschäfte tätigt. Dort räkelt sich bereits ein anderer Mann, ein blasses, hochgewachsenes Geschöpf mit blauen Augen, blonden Haaren und einer bösen Narbe am Hals.
Der Mann erschrickt, als sie den Raum betritt. »Jesus und Noah, Sie haben nichts davon gesagt, dass sie ein Aufziehmädchen ist«, erklärt er.
Raleigh grinst und macht es sich auf einem der Kissen gemütlich. »Ich wusste gar nicht, dass Sie Grahamite sind.«
Fast lächelt der Mann über die spöttische Bemerkung. »Etwas so Riskantes bei sich zu haben … Sie spielen mit der Rostwelke, Raleigh. Die Weißhemden könnten Sie jederzeit an der Gurgel haben.«
»Das Ministerium schert sich einen Dreck darum, solange ich nur pünktlich zahle. Die Kerle, die hier in der Gegend Streife gehen, sind nicht gerade die Tiger von Bangkok. Die lassen mich schön in Ruhe, solange sie nur ein paar Scheine verdienen. « Er lacht. »Es ist viel teurer, das Eis für sie zu kaufen, als das Umweltministerium fürs Wegschauen zu bezahlen.«
»Eis?«
»Falsche Porenstruktur. Sie überhitzt.« Er runzelt die Stirn. »Wenn ich das vorher gewusst hätte, hätte ich sie nicht gekauft. «
Das Zimmer riecht nach Opium, und Raleigh macht sich erneut daran, die Pfeife zu füllen. Er behauptet, er sei dank des Opiums jung geblieben und voller Lebensfreude, aber Emiko vermutet, dass er nach Tokio segelt und die gleichen Behandlungen in Anspruch nimmt wie Gendo-sama. Raleigh hält das Opium über die Lampe. Es knistert in der Hitze, und er dreht den Ball auf den Nadeln, bearbeitet den Teer, bis er zähflüssig ist, rollt ihn dann rasch wieder zu einer Kugel zusammen und stopft ihn in die Pfeife. Dann hält er die Pfeife noch einmal über die Lampe und atmet tief ein, als der Teer sich in Rauch verwandelt. Er schließt die Augen. Reicht die Pfeife blind an den blassen Mann weiter.
»Nein, danke.«
Raleigh öffnet die Augen. Lacht. »Sie sollten es mal probieren. Das Einzige, was die Seuche übrig gelassen hat. Ein Glück für mich. In meinem Alter wollte ich nicht einen Entzug durchmachen müssen.«
Der Fremde antwortet nicht. Stattdessen mustern seine blassblauen Augen Emiko. Sie hat das unangenehme Gefühl, in ihre Einzelteile zerlegt zu werden, Zelle für Zelle. Nicht etwa, dass er sie mit Blicken auszieht — diese Erfahrung gehört zu ihrem Alltag: das Gefühl, wie die Augen der Männer über ihre Haut gleiten, sich an ihren Körper klammern, sie gleichzeitig begehren und verachten. Dieser Mann wirkt eher unvoreingenommen, kühl analysierend. Wenn er sie denn begehrt, weiß er das gut zu verbergen.
»Ist sie diejenige?«, fragt er.
Raleigh nickt. »Emiko, erzähle dem Herrn von unserem Freund gestern Abend.«
Emiko wirft Raleigh einen verwunderten Blick zu. Sie ist sich ziemlich sicher, dass sie den blassen, blonden Gaijin noch nie zuvor im Club gesehen hat — jedenfalls hat er noch nie an einer der besonderen Vorstellungen teilgenommen. Sie hat ihm noch nie ein Whiskyeis serviert. Sie kramt in ihrem Gedächtnis. Nein, daran würde sie sich erinnern. Er hat einen Sonnenbrand, was sogar im Flackern der Kerzen und der Opiumlampe zu erkennen ist. Und seine Augen sind zu blass — unangenehm blass. An ihn würde sie sich erinnern.