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»Na los«, drängt Raleigh. »Erzähl ihm, was du mir erzählt hast. Über das Weißhemd. Den Jungen, mit dem du mitgegangen bist.«

Normalerweise ist Raleigh geradezu besessen davon, die Privatsphäre seiner Gäste zu wahren. Er hat sogar darüber geredet, für sie eine separate Treppe zu bauen, damit niemand sehen kann, wie sie das Ploenchit-Hochhaus betreten oder verlassen, einen Zugang, der es ihnen ermöglichen würde, einen Block entfernt in einen Tunnel hinabzusteigen, der unter der Straße hindurch in den Club führt. Und trotzdem möchte er jetzt, dass sie so viel preisgibt.

»Der Junge?«, fragt sie und versucht Raleigh hinzuhalten, verwirrt darüber, dass er so leichtfertig einen Gast bloßstellen will, und dann auch noch ein Weißhemd. Noch einmal wirft sie einen flüchtigen Blick auf den Fremden, fragt sich, wer er ist und wie es kommt, dass er solche Macht über ihren Papa-san hat.

»Na los!« Raleigh macht eine ungeduldige Handbewegung, die Opiumpfeife zwischen den Zähnen. Er beugt sich über die Opiumlampe und atmet tief ein.

»Er gehörte zu den Weißhemden«, beginnt Emiko. »Er ist mit einer ganzen Gruppe von Offizieren gekommen …«

Ein Neuer. Den seine Freunde mitschleppten. Die allesamt lachten und ihn anstachelten. Die alle umsonst tranken, denn Raleigh hütete sich, ihnen etwas zu berechnen — ihr Wohlwollen ist weit mehr wert als der Schnaps. Der junge Mann betrank sich. Lachte und riss an der Bar Witze über sie. Und kehrte dann später heimlich zurück, fern von den neugierigen Augen seiner Kameraden.

Der blasse Mann verzieht das Gesicht. »Die lassen sich mit dir ein? Mit deinesgleichen?«

»Hai.« Emiko nickt und zeigt ihm nicht, was sie von seiner Verachtung hält. »Weißhemden und Grahamiten.«

Raleigh lacht leise. »Sex und Heuchelei. Das passt zusammen wie Kaffee und Sahne.«

Der Fremde wirft ihm einen schneidenden Blick zu, und Emiko fragt sich, ob der Alte den Ekel in den blassblauen Augen sehen kann oder ob er so breit ist, dass es ihn nicht kümmert. Der blasse Mann beugt sich vor und schließt Raleigh damit aus dem Gespräch aus. »Und was hat dieses Weißhemd dir erzählt?«

Liegt da eine Spur von Faszination in seinem Blick? Hat sie seine Neugierde geweckt? Oder interessiert er sich einfach nur für ihre Geschichte?

Emiko spürt, wie sich wider Willen ihr genetisch verankerter Trieb regt, ihm zu gefallen — ein Gefühl, das sie seit ihrer Abtretung nicht mehr empfunden hat. Etwas an diesem Mann erinnert sie an Gendo-sama. Auch wenn seine blauen Gaijin-Augen aussehen wie ein chemisches Säurebad und sein Gesicht so blass ist wie ein Kabuki, hat er Ausstrahlung. Er ist es offensichtlich gewohnt, Autorität auszuüben, was sie seltsam tröstlich findet.

Sind Sie ein Grahamite?, fragt sie sich. Würden Sie mich benutzen und dann kompostieren? Aber kümmert sie das wirklich? Er sieht nicht besonders gut aus. Er ist kein Japaner. Er ist ein Nichts. Und trotzdem haben seine entsetzlichen Augen dieselbe Macht über sie wie die, die Gendo-sama auszuüben pflegte.

»Was möchten Sie wissen?, flüstert sie.

»Dein Weißhemd hat etwas von Genfledderei erzählt«, sagt der Gaijin. »Erinnerst du dich?«

»Hai. Ja. Ich glaube, dass er sehr stolz war. Er hatte einen Beutel neu entwickelter Früchte dabei. Geschenke für die Mädchen.«

Das Interesse des Gaijin wächst. Sie verspürt ein Gefühl von Wärme in sich aufsteigen. »Und wie sahen die Früchte aus?«, fragt er.

»Sie waren rot, glaube ich. Mit … Fäden. Langen Fäden.«

»Grüne Borsten? Etwa so lang?« Er hält Daumen und Zeigefinger einen Zentimeter auseinander. »Und dick.«

Sie nickt. »Ja. Das stimmt. Er hat sie ›Ngaw‹ genannt. Und seine Tante hatte sie gemacht. Sie soll vom Beschützer der Kindskönigin geehrt werden, vom Somdet Chaopraya, für ihre Dienste für das Königreich. Er war sehr stolz auf seine Tante.«

»Und er ist mit dir gegangen«, hakt der Fremde nach.

»Ja. Aber erst später. Nachdem seine Freunde fort waren.«

Der blasse Mann schüttelt ungeduldig den Kopf. Für die Einzelheiten ihres Stelldicheins interessiert er sich nicht: die nervösen Augen des Jungen, wie er sich der Mama-san näherte, wie Emiko nach oben geschickt wurde, bis ein ausreichender Zeitraum verstrichen war und er ihr folgen konnte, ohne dass jemand einen Zusammenhang herstellte. »Was hat er noch von seiner Tante erzählt?«, fragt er.

»Nur dass sie für das Ministerium arbeitet.«

»Sonst nichts? Auch nicht, wo sie ihre Fledderei betreibt? Wo die Versuchsfelder sind? Nichts dergleichen?«

»Nein.«

»Das ist alles?« Der Gaijin wirft Raleigh einen verärgerten Blick zu. »Und deshalb habe ich den weiten Weg hier raus auf mich genommen?«

Raleigh schüttelt seine Betäubung ab. »Der Farang, souffliert er. »Erzähl ihm von dem Farang.«

Emiko kann ihre Bestürzung nicht verbergen. »Verzeihung? « Sie weiß noch gut, wie der Junge mit seiner Tante angegeben hat. Dass seine Tante für ihre Arbeit mit der Ngaw einen Preis bekommen und befördert werden sollte … aber von einem Farang … »Ich verstehe nicht.«

Raleigh lässt seine Pfeife sinken und mustert sie mit finsterem Blick. »Du hast mir gesagt, er hätte dir etwas von Farang -Genfledderern erzählt.«

»Nein.« Sie schüttelt den Kopf. »Von Ausländern hat er nichts gesagt. Es tut mir leid.«

Der Gaijin mit der Narbe verliert allmählich die Geduld. »Lassen Sie mich wissen, wenn Sie etwas haben, worauf ich nicht meine Zeit verschwende, Raleigh!« Er greift nach seinem Hut und macht Anstalten aufzustehen.

Raleigh starrt sie wütend an. »Du hast gesagt, da wäre von einem Farang-Genfledderer die Rede gewesen!«

»Nein …« Emiko schüttelt den Kopf. »Warten Sie!« Sie streckt eine Hand aus, um den Gaijin am Gehen zu hindern. »Warten Sie. Khun, bitte warten Sie. Ich weiß jetzt, von was Raleigh-san spricht.« Ihre Finger streifen ihn am Arm. Der Gaijin zuckt zurück und bleibt mit angeekelter Miene außer Reichweite stehen.

»Bitte«, fleht sie ihn an. »Ich habe es nicht gleich begriffen. Der Junge hat nichts von einem Farang erzählt. Aber er hat einen Namen genannt … der vielleicht einem Farang gehört. « Sie schaut hilfesuchend zu Raleigh hinüber. »Haben Sie das gemeint? Diesen seltsamen Namen? Gut möglich, dass damit ein Ausländer gemeint war. Kein Thai. Und auch kein Chinese oder Hoklo …«

Raleigh unterbricht sie. »Sag ihm, was du mir gesagt hast, Emiko. Mehr will ich nicht. Sag ihm alles. Jede Einzelheit. Als würdest du nach einem Rendezvous mit mir reden.«

Und sie gehorcht. Der Gaijin setzt sich wieder hin und hört ihr misstrauisch zu. Sie erzählt ihm alles — wie nervös der Junge war, dass er sie erst nicht anschauen wollte und dass er dann gar nicht mehr den Blick abwenden konnte. Wie er immer weiterredete, weil er keine Erektion bekam. Wie er zuschaute, als sie sich auszog. Wie er von seiner Tante erzählte. Um sich gegenüber einer Hure — und einem Neuen Menschen dazu — wichtigzumachen! Wie sonderbar und albern ihr das vorkam, und wie sie vor ihm verbarg, was sie dachte. Und dann sagt sie schließlich etwas, bei dem Raleigh lächelt und der blasse Mann mit der Narbe die Augen aufreißt.