»Hier hat es nichts zu bedeuten, dass Sie von AgriGen kommen. Sie sind nur einer unter vielen schmierigen Farang-Unternehmern, die das schnelle Geld machen wollen, genauso wie die Jadesucher und die Klippermatrosen. Sie sind hier nicht in Indien, wo Sie nur das Weizenlogo von AgriGen zeigen müssen, um alles in Beschlag zu nehmen, was sie wollen. Die Thai sind keine solchen Feiglinge. Wenn die herausfinden, warum Sie hier sind, schneiden sie Sie in kleine Stücke und schicken Sie als Frischfleisch nach Hause.«
»Sie werden mit dem nächsten Luftschiff das Land verlassen«, sagte Anderson. »Seien Sie froh, dass die Zentrale das noch bewilligt hat.«
In dem Moment hatte Yates jedoch die Federpistole gezogen.
Verärgert zieht Anderson an seiner Zigarette. Die Hitze dringt in sein Bewusstsein. Über ihm an der Decke ist der Kurbelventilator stehen geblieben. Der Aufzieher, der jeden Tag um vier Uhr nachmittags kommen soll, hat offenbar nicht genug Joule geladen. Anderson verzieht das Gesicht und erhebt sich, um die Jalousie herunterzulassen und die Hitze auszusperren. Das Gebäude ist neu und nach thermischen Prinzipien konstruiert, die es der kühlen Luft am Boden erlauben, durch alle Räume zu zirkulieren. Gegen die direkte Einstrahlung der äquatorialen Sonne hilft das jedoch nur bedingt.
Anderson kehrt zu seinen Büchern zurück, die jetzt im Schatten liegen. Blättert Seiten um. Überfliegt vergilbte Schinken mit gebrochenen Buchrücken. Altes Papier, das in der feuchten Luft zerfällt. Er schlägt ein weiteres Buch auf. Steckt sich die Zigarette zwischen die Lippen, kneift die Augen zusammen — und erstarrt.
Ngaw.
Ganze Haufen davon. Die kleinen roten Früchte mit den sonderbaren grünen Borsten scheinen ihn zu verspotten. Auf dem Foto ist ein Farang zu sehen, der mit einem thailändischen Bauern feilscht. Das Foto ist uralt. Im Hintergrund rasen grellbunte Taxis mit Benzinmotoren vorbei, aber am Rand des Bildes ist ein Haufen von Ngaw zu sehen.
Anderson hat so viel Zeit mit uralten Fotografien verbracht, dass sie ihn kaum noch berühren. Für gewöhnlich gelingt es ihm, die närrische Zuversicht der Vergangenheit einfach zu ignorieren — die Verschwendung, die Ignoranz, der absurde Reichtum. Aber dieses Bild ärgert ihn maßlos: Der Farang ist entsetzlich fett, doch diese erstaunliche Fülle von Kalorien tritt angesichts eines Marktes in den Hintergrund, auf dem dreißig verschiedene Obstsorten in bunter Vielfalt feilgeboten werden: Natürlich sind Mangostan, Ananas, Kokosnüsse zu sehen … aber auch Orangen, die es jetzt nicht mehr gibt. Und es gibt auch keine von … diesen … Drachenfrüchten mehr, keine Pomelos, keine dieser gelben Dinger … Zitronen. Nichts davon. So viele dieser Sorten sind einfach verschwunden.
Aber die Menschen auf dem Bild wissen das nicht. Diese toten Männer und Frauen haben keine Ahnung, dass sie vor den Schätzen vergangener Zeitalter stehen, dass sie im Eden der grahamitischen Bibel leben, wohin arme Seelen gehen, um ihren Platz an der Seite Gottes einzunehmen. Wo alle Aromen der Welt unter dem wachsamen Auge von Noah und dem heiligen Franziskus weilen und wo niemand verhungert.
Anderson überfliegt die Bildunterschrift. Der fette, selbstzufriedene Narr hat keine Ahnung, neben was für einer genetischen Goldmine er da steht. Das Buch identifiziert die Ngaw nicht einmal! Sie ist nur ein weiteres Beispiel für die Fruchtbarkeit der Natur und wird für völlig selbstverständlich genommen, weil es davon so verdammt viel gab.
Für einen kurzen Moment wünscht sich Anderson, er könnte den fetten Farang und den uralten Thaibauern aus der Fotografie heraus und in die Gegenwart zerren, um seiner Wut unmittelbar Ausdruck zu verleihen, bevor er sie vom Balkon wirft. So, wie sie ganz zweifellos Früchte weggeworfen haben, die auch nur im Mindesten angestoßen waren.
Er blättert weiter, findet jedoch kein weiteres Bild und auch keine Auflistung der erhältlichen Sorten. Erregt richtet er sich auf und geht wieder zum Balkon hinüber. Tritt in die Glut der Sonne hinaus und blickt auf die Stadt hinunter. Die Rufe der Wasserverkäufer und das Gebrüll der Megodonten hallen zu ihm herauf. Das Läuten der Fahrradklingeln strömt durch die Straßen. Bis Mittag wird sich die Stadt weitgehend beruhigt haben, während alles auf den Sonnenuntergang wartet.
Irgendwo in der Stadt spielt ein Genfledderer emsig mit den Bausteinen des Lebens. Rekonstruiert längst ausgestorbene DNA, um sie den Verhältnissen seit der Kontraktion anzupassen, damit sie trotz Rostwelke, japanischer Gentech-Rüsselkäfern und Cibiskose bestehen kann.
Gi Bu Sen. Über den Namen war sich das Aufziehmädchen sicher. Das muss Gibbons sein.
Anderson stützt sich auf das Balkongeländer und späht in die Hitze auf das Gewirr der Stadt hinaus. Gibbons ist irgendwo dort draußen. Arbeitet an seinem nächsten Triumph. Und wo immer er sich versteckt, wird sich in der Nähe eine Samenbank befinden.
6
Das Problem mit Geld, das man auf der Bank hat, ist, dass es sich von einem Augenblick zum nächsten gegen einen wenden wird: Was dir gehörte, gehört plötzlich anderen, wofür du gearbeitet und geschwitzt und Anteile deiner Lebenszeit verkauft hast, gehört plötzlich einem Fremden. Dieses Problem — das Bankenproblem — nagt an Hock Seng wie ein genmanipulierter Rüsselkäfer, den er weder herausziehen noch zu Eiter und Panzerfragmenten zerquetschen kann.
Unter dem Aspekt der Zeit betrachtet — Zeit, in der man einen Lohn verdient, der dann auf die Bank gebracht wird —, kann ein Mensch zu mehr als der Hälfte einer Bank gehören. Nun ja, wenigstens zu einem Drittel, selbst wenn man ein fauler Thai ist. Und ein Mensch, dem ein Drittel seines Lebens abhandengekommen ist, hat im eigentlichen Sinne kein Leben mehr.
Welches Drittel kann ein Mensch verlieren? Das Drittel von der Brust bis zu seiner kahl werdenden Schädeldecke? Von seiner Taille bis zu seinen gelblichen Zehnägeln? Zwei Beine und ein Arm? Zwei Arme und ein Kopf? Ein Mensch mag es vielleicht überleben, wenn ihm ein Viertel abgeschnitten wird, aber ein Drittel ist zu viel, das kann man nicht hinnehmen.
Das ist das Problem mit den Banken. Sobald man ihnen Geld ins Maul steckt, stellt man fest, dass der Tiger seine Zähne um deinen Kopf geschlossen hat. Ein Drittel oder eine Hälfte oder nur ein mit Leberflecken übersäter Schädel — ebenso gut könnte es alles sein.
Aber wenn man den Banken nicht vertrauen kann, wem dann? Einem zerbrechlichen Schloss an der Tür? Dem Drillich einer Matratze? Einer kaputten Dachschindel, vorsichtig hochgehoben und das Geld in Bananenblätter gewickelt? Einem Bambusbalken in einer Slumhütte, mit viel Geschick aufgesägt und ausgehöhlt, um die fetten Geldscheinrollen aufzunehmen?
Hock Seng macht sich an dem Bambus zu schaffen.
Der Mann, der ihm das Zimmer vermietete, hat es »ein Apartment« genannt, und in gewisser Hinsicht ist es das auch. Der Raum ist nicht nur durch Kokosnusspolymerplanen abgetrennt, sondern hat vier Wände. Dahinter liegt ein kleiner Innenhof mit dem Klohäuschen, das er sich — ebenso wie die Wände — mit sechs anderen Hütten teilt. Für einen Yellow-Card-Flüchtling ist das kein Apartment, sondern eine Villa. Und doch hört er überall um sich herum das Jammern und Stöhnen der dicht gedrängt lebenden Menschen.
Die WeatherAll-Holzwände sind, das muss er zugeben, ein Luxus, selbst wenn sie nicht ganz den Boden berühren, selbst wenn die Sandalen seiner Nachbarn darunter hindurchlugen und selbst wenn sie nach dem Öl stinken, mit dem sie behandelt sind, damit sie in der Feuchtigkeit der Tropen nicht verrotten. Aber sie sind notwendig, und wenn auch nur, damit er einen Ort hat, wo er sein Geld aufbewahren kann — außer auf dem Boden seines Regenfasses, in drei Lagen Hundefell gewickelt, von dem er betet, dass es nach sechs Monaten noch immer wasserdicht ist.