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Ein japanischer Klipper gleitet vorbei; sein Rumpf aus Palmölpolymer und die weißen Segel erinnern an eine Möwe. Noch sind die Tragflügel verborgen, aber wenn sie sich erst aus dem Wasser erheben, wird das Schiff mit seiner Federkanone die Hochsegel steigen lassen und wie ein Fisch aus dem Wasser springen.

Hock Seng erinnert sich noch gut daran, wie er auf dem Deck seines ersten eigenen Klippers stand und die Segel im Wind flatterten. Das Schiff raste über den Ozean wie ein Stein, den ein Kind über das Wasser hüpfen ließ, und er musste lachen, wie sie so über die Wellen preschten und die Gischt auf ihn einstürmte. Er hatte sich seiner Erstfrau zugewandt und ihr erklärt, dass alles möglich war, dass die Zukunft ihnen gehörte.

Er lässt sich am Ufer nieder und trinkt das restliche Wasser aus der grünen Kokosnuss, während ihn ein Junge — ein Bettler — nicht aus den Augen lässt. Hock Seng winkt ihn heran. Ein kluges Kerlchen, wenn er sich nicht täuscht. Die Klugen belohnt er hin und wieder, wenn sie geduldig genug sind, um abzuwarten, was er mit der Kokosschale machen wird. Er gibt sie dem Jungen. Der Junge nimmt sie mit einem Wai, steigt auf den Deich hinauf und zerschmettert sie an der Mauer. Dann hockt er sich hin, kratzt mit einer Austernschale das zarte, schleimige Fleisch heraus und verschlingt es gierig.

Irgendwann taucht Dog Fucker auf. Sein eigentlicher Name ist Sukrit Kamsing, aber Hock Seng hat nur selten gehört, wie er den Yellow Cards über die Lippen kommt. Zu viel ist geschehen, zu viel Zorn hat sich aufgestaut. Stattdessen heißt es immer »Dog Fucker«, und die Worte triefen vor Hass und Angst. Er ist ein gedrungener Mann, voller Kalorien und Muskeln — für seine Arbeit ebenso ideal wie die Megodonten dafür, Kalorien in Joule umzuwandeln. Auf seinen Armen und Händen zeichnen sich blasse Narben ab. Anstelle einer Nase hat er zwei vertikale Schlitze, die ihn aussehen lassen wie ein Schwein.

Unter den Yellow Cards wird heiß darüber diskutiert, ob Dog Fucker zu lange unter fa’ gan gelitten und zugelassen hat, dass die Blumenkohlgeschwülste ihre Tentakel tief in sein Fleisch bohrten, bis den Ärzten nichts anderes übrigblieb, ihm das ganze Ding abzuschneiden, um ihm das Leben zu retten, oder ob ihm bloß der Kadaverkönig die Nase abgehauen hat, um ihm eine Lektion zu erteilen.

Dog Fucker kauert sich neben Hock Seng. Seine Augen sind ausdruckslos schwarz. »Ihr Doktor Chan ist zu mir gekommen. Mit einem Brief.«

Hock Seng nickt. »Ich möchte mich mit Ihrem Patron treffen. «

Dog Fucker lacht leise. »Ich habe ihr sämtliche Finger gebrochen und sie zu Tode gefickt, weil sie mein Nickerchen gestört hat.«

Hock Seng verzieht keine Miene. Vielleicht lügt Dog Fucker. Vielleicht sagt er die Wahrheit. Es ist unmöglich, das zu wissen. Aber natürlich will er Hock Seng aus der Reserve locken. Er will sehen, ob er zusammenzuckt. Ob er mit sich handeln lassen wird. Vielleicht ist Doktor Chan tot. Ein weiterer Name, der auf ihm lastet, wenn er endlich wiedergeboren wird. »Ihr Patron wird meinen Vorschlag mit Wohlwollen aufnehmen.«

Dog Fucker kratzt sich gedankenverloren an einem seiner Nasenschlitze. »Warum sind Sie nicht zu mir in mein Büro gekommen?«

»Ich halte mich gerne unter freiem Himmel auf.«

»Lassen Sie uns beobachten? Von anderen Yellow Cards? Glauben Sie, Sie sind deshalb sicher?«

Hock Seng zuckt mit den Achseln. Er blickt zu den Schiffen und ihren Segeln hinüber. Zu den Verlockungen der weiten Welt. »Ich möchte Ihrem Patron ein Geschäft anbieten. Einen Berg Profit.«

»Erklären Sie es mir.«

Hock Seng schüttelt den Kopf. »Nein. Ich muss persönlich mit ihm sprechen. Und nur mit ihm.«

»Er redet nicht mit Yellow Cards. Vielleicht sollte ich Sie einfach an die Rotflossen-Plaa dort draußen verfüttern. So, wie es die Grünen Brigaden mit Ihresgleichen im Süden gemacht haben.«

»Sie wissen, wer ich bin.«

»Ich weiß, was in dem Brief über Sie steht.« Dog Fucker reibt sich die Ränder seiner Nasenschlitze und mustert Hock Seng eingehend. »Hier sind Sie nur ein Yellow Card unter vielen.«

Hock Seng schweigt. Er reicht Dog Fucker den Hanfbeutel mit dem Geld. Dog Fucker greift nicht danach, sondern betrachtet ihn argwöhnisch. »Was ist das?«

»Ein Geschenk. Sehen Sie selbst.«

Dog Fucker ist neugierig. Aber er ist auch vorsichtig. Gut zu wissen. Er gehört nicht zu den Leuten, die die Hand in eine Tasche stecken, die voller Skorpione sein könnte. Stattdessen öffnet er den Beutel und dreht ihn um. Bündel von Bargeld purzeln heraus und landen zwischen den Muscheln und Abfällen, die die Ebbe zurückgelassen hat. Dog Fucker reißt die Augen auf. Hock Seng unterdrückt ein Lächeln.

»Richten Sie dem Kadaverkönig aus, dass Tan Hock Seng, der Prinzipal der Handelsgesellschaft Drei Reichtümer, ein Geschäft vorschlagen möchte. Überbringen Sie meine Botschaft, und auch Sie werden davon profitieren.«

Dog Fucker lächelt. »Ich glaube, ich werde diese Scheine einfach einstecken, und meine Männer werden Sie so lange schlagen, bis Sie uns verraten, wo Sie in Ihrer Verzweiflung das ganze Yellow-Card-Geld aufbewahren.«

Hock Seng schweigt. Zuckt mit keiner Wimper.

»Ich weiß, dass die Leute von Lachender Chan uns beobachten«, fährt Dog Fucker fort. »Diese Respektlosigkeit werde ich ihm nicht durchgehen lassen.«

Hock Seng stellt überrascht fest, dass er keine Angst verspürt. Er fürchtet sich vor allem und jeden, aber wegen brutaler Pi Lien wie Dog Fucker bekommt er keine Alpträume. Letztlich ist Dog Fucker ein Geschäftsmann. Er ist kein Weißhemd, der sich vor Nationalstolz aufbläst oder sich nach ein wenig mehr Respekt sehnt. Dog Fucker arbeitet für Geld. Alles, was er tut, ist von Geld bestimmt. Er und Hock Seng mögen unterschiedliche Rädchen im Getriebe der Ökonomie sein, aber — von Äußerlichkeiten abgesehen — sind sie Brüder. Hock Seng lächelt flüchtig, während sein Selbstvertrauen wächst.

»Das ist nur ein Geschenk, für Ihre Mühen. Was ich vorschlage, wird weit mehr einbringen. Uns allen.« Er zieht die beiden letzten Gegenstände hervor. Zuerst einen Brief. »Geben Sie das Ihrem Herrn. Versiegelt.« Und dann eine kleine Schachtel, auf der das weithin bekannte Logo aus Spindel und Gewindestange prangt; darin ruht ein Palmölpolymergehäuse, das mattgelb schimmert.

Dog Fucker nimmt es in die Hand und dreht es um. »Eine Spannfeder?« Er zieht eine Grimasse. »Was soll denn das?«

Hock Seng lächelt. »Das wird Ihr Patron wissen, wenn er den Brief gelesen hat.« Ohne auf eine Erwiderung zu warten, steht er auf und wendet sich ab. Er fühlt sich so stark und selbstsicher wie schon lange nicht mehr, nicht seit die Grünen Brigaden ihn heimsuchten, seine Lagerhäuser in Flammen aufgingen und seine Klipper in den Meerestiefen versanken. Hier und jetzt fühlt sich Hock Seng wie ein Mann. Er geht aufrecht und ohne zu humpeln.

Er hat keine Ahnung, ob Dog Fucker ihn verfolgen lässt, also geht er langsam, wohlwissend, dass Dog Fuckers Leute ebenso wie die von Lachender Chan ihn im Auge behalten, ein schwebender Ring aus Beobachtern. Er kämpft sich durch die Gassen und immer tiefer in die Slums hinein, bis er, endlich, auf Lachender Chan trifft, der — natürlich lächelnd — auf ihn wartet.

»Sie haben Sie gehen lassen«, sagt Lachender Chan.

Hock Seng zieht noch mehr Geld aus der Tasche. »Sie haben gute Arbeit geleistet. Aber er weiß, dass es Ihre Männer waren.« Er reicht Chan eine weitere Rolle Baht. »Geben Sie ihm das, damit er Sie in Ruhe lässt.«

Lachender Chan betrachtet das Bündel Geldscheine und lächelt. »Das ist doppelt so viel, wie ich dafür brauche. Selbst Dog Fucker greift hin und wieder auf uns zurück, wenn er es nicht riskieren will, SoyPRO von Koh Angrit herüberzuschmuggeln. «