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»Nehmen Sie es trotzdem.«

Lachender Chan zuckt mit den Schultern und steckt die Scheine ein. »Das ist sehr liebenswürdig von Ihnen. Solange die Ankerplätze geschlossen sind, können wir jeden Baht gebrauchen.«

Hock Seng will sich gerade abwenden, doch als er begreift, was die Worte von Lachender Chan bedeuten, hält er inne.

»Was haben Sie gerade über die Ankerplätze gesagt?«

»Sie sind geschlossen. Letzte Nacht haben die Weißhemden dort eine Razzia durchgeführt. Da geht nichts mehr.«

»Was ist passiert?«

Lachender Chan zuckt erneut mit den Schultern. »Ich habe gehört, dass sie alles verbrannt haben. Restlos alles.«

Hock Seng stellt keine weiteren Fragen. Er dreht sich um und rennt, so schnell ihn seine alten Knochen tragen. Und flucht ununterbrochen. Schimpft sich einen Narren, dass er in seiner Aufmerksamkeit nachgelassen hat. Den Kampf ums nackte Überleben hat er vernachlässigt, nur weil er sich danach sehnt, mehr zu tun, mehr zu sein!

Jedes Mal, wenn er Pläne für seine Zukunft schmiedet, scheint er zu scheitern. Jedes Mal, wenn er die Arme ausstreckt, hält die Welt dagegen und drückt ihn zu Boden.

An der Thanon Sukhumvit entdeckt er im Schweiß der Sonne einen Zeitungsverkäufer. Er wühlt sich durch die Zeitungen und von Hand gedruckten Flüsterblätter, wobei er die Glücksseiten ignoriert, auf denen für sichere Zahlen bei Glücksspielen und für die Namen der voraussichtlichen Muay-Thai-Champions geworben wird.

Er reißt die Zeitungen auf, eine nach der anderen, mit jeder Ausgabe verzweifelter.

Alle zeigen sie das lächelnde Gesicht von Jaidee Rojjana-sukchai, dem unbestechlichen Tiger von Bangkok.

7

»Schauen Sie mal! Ich bin berühmt!«

Jaidee hält das Bild auf dem Flüsterblatt neben seinem Gesicht in die Höhe und grinst Kanya an. Als sie nicht lächelt, legt er es auf den Ständer zurück zu all den anderen Bildern von sich.

»Ach, Sie haben Recht. Es sieht mir gar nicht ähnlich. Die müssen jemanden in unserem Personalarchiv bestochen haben. « Er seufzt wehmütig. »Aber wie jung ich damals war!«

Kanya reagiert noch immer nicht, sondern starrt weiter mürrisch auf das Wasser des Khlong. Sie haben den ganzen Tag damit zugebracht, in der Mündung zu kreuzen und Jagd auf Boote zu machen, die PurCal- und AgriGen-Getreide den Fluss hinaufschmuggeln, und Jaidee ist noch immer von freudiger Erregung erfüllt.

Sie haben einen Klipper geentert, der in unmittelbarer Nähe der Docks vor Anker lag. Vorgeblich handelte es sich dabei um ein indisches Handelsschiff, das Richtung Norden nach Bali unterwegs war. Allerdings war es bis zum Rand voll mit cibiskoseresistenten Ananasfrüchten. Es tat gut mit anzusehen, wie der Hafenmeister und der Kapitän Entschuldigungen stammelten, während Jaidees Weißhemden Lauge über die gesamte Ladung schütteten und sie damit steril und ungenießbar machten. Der ganze Profit der Schmuggler war dahin.

Er blättert in den anderen Zeitungen, die an der Auslage befestigt sind, und stößt auf eine andere Aufnahme von sich. Diese stammt aus seiner Zeit als Muay-Thai-Kämpfer — nach einem Kampf im Lumphini-Stadion blickt er lachend in die Kamera. Die Bangkok Morning Post.

»Das wird den Jungs gefallen.«

Er schlägt die Zeitung auf und überfliegt den Artikel. Handelsminister Akkarat ist außer sich vor Wut. Stimmen aus dem Handelsministerium bezeichnen Jaidee als einen »Vandalen«. Er ist überrascht, dass sie ihn nicht einen Verräter und Terroristen schimpfen. Dass sie sich so sehr zurückhalten, verrät ihm, wie machtlos sie in Wirklichkeit sind.

Jaidee kann nicht anders, er lächelt Kanya über die Zeitung hinweg an. »Denen haben wir tatsächlich wehgetan.«

Kanya schweigt weiterhin.

Inzwischen gelingt es ihm meistens, ihre schlechte Laune zu ignorieren. Als er sie kennenlernte, dachte er erst, sie sei ein wenig blöde, so teilnahmslos, wie sie immer dreinschaute, so gleichgültig, wie sie gegenüber jeder humorvollen Bemerkung war, als fehlte ihr ein Organ, eine Nase, mit der sie riechen, Augen, mit denen sie sehen konnte — womit auch immer man Sanuk wahrnimmt, wenn es einem begegnet.

»Wir sollten ins Ministerium zurückkehren«, sagt sie, dreht sich um und sucht den Bootsverkehr auf dem Khlong nach einer Mitfahrgelegenheit ab.

Jaidee bezahlt den Flüsterblattverkäufer gerade für seine Zeitung, da kommt ein Kanaltaxi in Sicht.

Kanya winkt es heran, und es geht neben ihnen längsseits. Das Schwungrad summt vor gespeicherter kinetischer Energie, und als das Boot von seinem Kielwasser eingeholt wird, schlagen die Wellen gegen die Uferböschung. Riesige Spannfedern nehmen die Hälfte seiner Nutzlast ein. Reiche Geschäftsleute aus Chaozhou drängen sich in dem überdachten Bug wie Enten auf dem Weg zum Schlachter.

Kanya und Jaidee springen an Bord und bleiben auf dem Trittbrett außerhalb des Sitzabteils stehen. Das Mädchen, das Fahrkarten verkauft, ignoriert die weißen Uniformen geradeso, wie es von ihnen ignoriert wird. Sie verkauft einem anderen Mann, der mit ihnen einsteigt, ein 30-Baht-Ticket. Jaidee greift nach einem Haltetau; das Boot legt ab und nimmt Geschwindigkeit auf. Während sie auf dem Khlong stadteinwärts fahren, liebkost der Wind sein Gesicht. Das Taxi ist schnell — es überholt die kleinen Paddelboote und Langschwanzboote, die auf dem Kanal unterwegs sind. Baufällige Häuserblocks und Ladenzeilen gleiten vorbei; Pha Sin, Blusen und Sarongs hängen farbenfroh in der Sonne. Frauen waschen ihr langes schwarzes Haar in dem braunen Wasser. Das Boot wird plötzlich langsamer.

Kanya blickt nach vorne. »Was ist los?«

Ein Baum ist umgeknickt und blockiert fast den ganzen Kanal. Boote stauen sich vor ihm und versuchen sich an ihm vorbeizudrängen.

»Ein Bobaum«, sagt Jaidee. Er blickt zum Ufer, um sich zu orientieren. »Wir müssen den Mönchen Bescheid geben.«

Niemand sonst wird den Baum anrühren. Und trotz der Holzknappheit wird sich auch niemand an ihm zu schaffen machen. Das bringt Unglück. Ihr Boot schlingert auf der Stelle, während der Schiffsverkehr versucht, durch die winzige Lücke zwischen Baum und Ufer zu schlüpfen.

Jaidee knurrt voller Ungeduld und ruft dann laut: »Lasst uns durch, meine Freunde! Beamte im Einsatz. Lasst uns durch!« Er wedelt mit seiner Marke.

Beim Anblick seiner Marke und der weißen Uniform bemühen sich die Boote, Platz zu machen. Der Taxifahrer wirft Jaidee einen dankbaren Blick zu. Das Spannfederboot schlüpft in das Gewühl und drängelt sich hindurch.

Als sie an den kahlen Ästen des Baumes vorbeigleiten, bezeigen die Passagiere des Kanaltaxis dem Stamm ihren tiefen Respekt, indem sie ihre Handflächen aneinanderpressen und sie an die Stirn heben.

Jaidee folgt ihrem Beispiel, streckt dann die Hand aus und streicht über das raue Holz. Es ist von winzigen Bohrlöchern übersät. Wenn er jetzt die Rinde ablösen würde, würde ein feines Netz aus Furchen den Tod des Baumes abbilden. Ein Bobaum. Ein heiliger Baum. Unter dem Buddha seine Erleuchtung hatte. Und trotzdem konnten sie nichts tun, um ihn zu retten. Keine einzige Feigenart hat überlebt, obwohl sie sich alle Mühe gegeben haben. Die Elfenbeinkäfer waren einfach zu viel für sie. Als die Wissenschaftler aufgaben, beteten sie zu Phra Seub Nakhasathien, ein letzter verzweifelter Versuch, aber selbst der Märtyrer konnte sie am Ende nicht retten.

»Wir konnten nicht alles retten«, murmelt Kanya, als würde sie seine Gedanken lesen.

»Wir konnten überhaupt nichts retten.« Jaidee fährt mit den Fingern die Furchen entlang, die die Elfenbeinkäfer hinterlassen haben. »Die Farang haben Fürchterliches angerichtet, und trotzdem versucht Akkarat, mit ihnen handelseinig zu werden.«