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»Wenn ich Glück habe, werde ich in Des Moines wiedergeboren und kann ihre Gentech-Labore abfackeln.«

»Schön wär’s.«

Der Tonfall, in dem Kanya das sagt, lässt Jaidee aufblicken. »Was bekümmert Sie? Warum so traurig? Wir werden beide an einem wunderschönen Ort wiedergeboren, davon bin ich überzeugt. Denken Sie sich nur, was wir gestern geleistet haben! Als wir die Fracht verbrannt haben, glaubte ich schon, der Zoll-Heeya macht sich in die Hosen.«

Kanya verzieht das Gesicht. »Wahrscheinlich sind sie noch nie Weißhemden begegnet, die sie nicht schmieren konnten. «

Und mit diesem einen Satz verdirbt sie Jaidee die gute Laune. Kein Wunder, dass niemand im Ministerium sie leiden kann. »Nein. Das ist wahr. Heutzutage ist jeder bestechlich. Nicht wie früher. Die Leute haben vergessen, wie viel schlimmer es einmal war. Sie haben keine so große Angst mehr.«

»Und jetzt legen Sie sich mit dem Handelsministerium an und springen der Kobra in den Rachen«, entgegnet Kanya. » Seit dem Putsch am 12. Dezember scheinen General Pracha und Minister Akkarat fortwährend im Clinch miteinander zu liegen. Offenbar suchen sie nach einem Grund, einen Streit vom Zaun zu brechen. Die beiden haben ihre Fehde nie beigelegt, und jetzt haben Sie Akkarat noch weiter gereizt. Dadurch stören sie das Gleichgewicht.«

»Tja, ich war schon immer zu sehr jai rawn, als gut für mich gewesen wäre. Chaya beklagt sich auch darüber. Aber dafür habe ich ja Sie. Um Akkarat würde ich mir allerdings keine Sorgen machen. Er wird noch eine Weile Feuer spucken und sich dann wieder beruhigen. Es mag ihm nicht gefallen, aber General Pracha hat zu viele Verbündete in der Armee — ein weiterer Putschversuch wäre zum Scheitern verurteilt. Nach dem Tod von Premierminister Surawong steht Akkarat völlig isoliert da. Ohne Megodonten und Panzer, um seine Drohungen wahrzumachen, mag er vielleicht reich sein, aber er ist und bleibt ein Papiertiger. Das ist eine gute Lektion für ihn.«

»Er ist gefährlich.«

Jaidee mustert sie ernst. »Das sind Kobras auch. Und Megodonten. Und Cibiskose. Wir sind von Gefahren umgeben. Akkarat …« Jaidee zuckt mit den Schultern. »Sei’s drum, es ist bereits geschehen. Daran können wir nichts mehr ändern. Warum sich also Sorgen machen? Mai pen rai. Macht nichts.«

»Sie sollten trotzdem vorsichtig sein.«

»Denken Sie an den Mann auf den Ankerplätzen? Den Somchai gesehen hat? Hat er Ihnen Angst eingejagt?«

Kanya zuckt mit den Achseln. »Nein.«

»Das überrascht mich. Mir nämlich schon.« Jaidee beobachtet Kanya und fragt sich, was er sagen, wie viel er von dem verraten soll, was er über die Welt, in der sie leben, weiß. »Ich hatte ein ziemlich mieses Gefühl, was ihn betrifft.«

»Wirklich?« Kanya wirkt bekümmert. »Sie haben Angst? Vor einem einzelnen Mann?«

Jaidee schüttelt den Kopf. »Nicht so sehr, dass ich davonlaufe und mich hinter Chayas Pha Sin verstecke. Trotzdem — ich habe ihn schon einmal gesehen.«

»Davon haben Sie mir nichts gesagt.«

»Ich war mir erst nicht sicher. Inzwischen allerdings schon. Ich glaube, er arbeitet für das Handelsministerium.« Er hält inne und denkt nach. »Ich glaube, sie machen wieder Jagd auf mich. Vielleicht überlegen sie, ob sie es noch einmal mit einem Mordanschlag versuchen sollen. Was glauben Sie?«

»Das würden sie nicht wagen! Ihre Majestät die Königin hat sich zu Ihren Gunsten ausgesprochen.«

Jaidee fasst sich an den Hals, wo sich die alte Federpistolennarbe noch immer auf seiner dunklen Haut abzeichnet. »Nicht einmal, nachdem ich sie auf den Ankerplätzen angegriffen habe?«

Kanya wirft den Kopf in den Nacken. »Ich werde Ihnen eine Leibwache zuteilen.«

Jaidee muss über ihre Heftigkeit lachen — Kanyas Reaktion beruhigt ihn und wärmt ihm das Herz. »Sie sind ein braves Mädchen, aber ich wäre ein Narr, wenn ich mit einer Leibwache herumlaufen würde. Dann wüsste jeder, dass man mir Angst einjagen kann. Tiger kennen keine Furcht. Hier, essen Sie das.« Er schaufelt noch mehr Schlangenkopf-Plaa auf Kanyas Teller.

»Ich bin satt.«

»Seien Sie nicht so höflich. Essen Sie!«

»Sie sollten sich eine Leibwache nehmen. Bitte!«

»Ich vertraue darauf, dass Sie mir den Rücken decken. Das sollte genügen.«

Kanya zuckt zusammen, und Jaidee verkneift sich ein Lächeln. Ach, Kanya, denkt er bei sich. Wir alle müssen Entscheidungen fällen, immer wieder. Ich habe mich entschieden. Aber du hast dein eigenes Kamma. Mit sanfter Stimme sagt er: »Bitte essen Sie noch etwas — Sie sind furchtbar mager. Wie wollen Sie einen Freund finden, wenn Sie nur aus Haut und Knochen bestehen?«

Kanya schiebt ihren Teller von sich fort. »Ich habe in letzter Zeit einfach keinen Appetit.«

Jaidee schüttelt den Kopf. Er legt seine Gabel und seinen Löffel auf den Tisch. »Was ist los? Sie sind noch niedergeschlagener als sonst. Ich komme mir vor, als hätten wir gerade einen Ihrer Brüder in die Urne getan. Was bereitet Ihnen Kummer?«

»Nichts weiter. Wirklich. Ich hab einfach keinen Hunger.«

»Jetzt rücken Sie schon damit raus, Leutnant. Ich möchte, dass Sie mir die Wahrheit sagen. Das ist ein Befehl. Sie sind eine gute Offizierin. Ich kann Ihr trauriges Gesicht nicht länger ertragen. Ich möchte nicht, dass meine Leute traurig dreinschauen, nicht einmal die aus Isaan.«

Kanya verzieht das Gesicht. Jaidee mustert seine Untergebene eindringlich, während diese darüber nachgrübelt, was sie sagen soll. Er fragt sich, ob er jemals so beherrscht gewesen ist wie diese junge Frau. Er bezweifelt es. Er war schon immer zu ungestüm, zu reizbar. Nicht wie Kanya, die mürrische Kanya, die immer jai yen ist, ohne Ausnahme. Niemals sanuk, aber jai yen, das ganz bestimmt.

Er wartet und hofft, dass sie ihm endlich ihre Geschichte erzählt, ihre Geschichte in ihrer ganzen schmerzvollen Menschlichkeit. Aber als Kanya endlich die richtigen Worte findet, versetzt sie ihn in Erstaunen. Sie spricht ganz leise, als wäre es ihr unangenehm, überhaupt etwas zu sagen.

»Einige der Männer beschweren sich, dass Sie nicht genügend Geschenke als Zeichen des Entgegenkommens annehmen. «

»Was?« Jaidee lehnt sich zurück und starrt sie an. »An so etwas beteiligen wir uns nicht. Wir sind anders als die anderen. Und stolz darauf!«

Kanya nickt zustimmend. »Und die Zeitungen und Flüsterblätter lieben Sie dafür. Und das Volk auch.«

»Aber?«

Ihre Miene wird wieder betrübt. »Aber Sie werden nicht mehr befördert, und die Männer, die Ihnen treu ergeben sind, profitieren nicht von Ihrer Protektion, und sie verlieren den Mut.«

»Aber sehen Sie doch, was wir bewirken!« Jaidee klopft auf den Beutel mit dem Geld zwischen seinen Beinen, das sie auf dem Klipper konfisziert haben. »Sie wissen alle, dass ich Ihnen helfen werde, wenn Sie etwas brauchen.«

Kanya starrt auf den Tisch und murmelt: »Einige sagen, dass Sie das Geld behalten möchten.«

»Was?« Jaidee starrt sie sprachlos an. »Glauben Sie das auch?«

Kanya zuckt unglücklich mit den Achseln. »Natürlich nicht.«

Jaidee schüttelt entschuldigend den Kopf. »Nein, natürlich nicht. Sie sind ein braves Mädchen. Sie haben eine Menge geleistet.« Er lächelt seinen Leutnant an, und fast droht ihn das Mitleid mit dieser jungen Frau zu überwältigen. Als sie zu ihm kam, stand sie kurz vor dem Verhungern, sie betete ihn an, ihn, den ehemaligen Champion, und wollte ihm unbedingt nacheifern.

»Ich gebe mir allergrößte Mühe, die Gerüchte im Keim zu ersticken, aber …« Wieder zuckt sie unglücklich mit den Achseln. »Die Kadetten sagen, unter Hauptmann Jaidee zu dienen, sei, als würde man nur Akah-Würmer zu essen bekommen. Sie arbeiten und arbeiten und werden immer dünner und dünner. Das sind brave Jungs, die wir da haben, aber wie sollten sie sich nicht schämen, wenn sie alte Uniformen tragen müssen, während ihre Kameraden in ganz neuen daherkommen. Wenn sie sich zu zweit ein Fahrrad teilen müssen und ihre Kameraden Spannfederroller fahren.«