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Jaidee seufzt. »Ich kann mich noch an eine Zeit erinnern, als Weißhemden geliebt wurden.«

» Jeder muss essen.«

Jaidee seufzt erneut. Er zieht den Beutel zwischen seinen Beinen hervor und schiebt ihn Kanya über den Tisch. »Nehmen Sie das Geld. Teilen Sie es gleichmäßig unter ihnen auf. Dafür, dass sie gestern so tapfer waren und so hart gearbeitet haben.«

Sie schaut ihn überrascht an. »Sind Sie sicher?«

Jaidee zuckt mit den Schultern und lächelt. Seine Enttäuschung zeigt er nicht, denn er weiß, dass es so am besten ist, auch wenn es ihn maßlos traurig stimmt. »Warum nicht? Sie haben es gesagt — es sind brave Jungs. Und schließlich ist im Handelsministerium der Teufel los, und die Farang sind stinksauer. Sie haben gute Arbeit geleistet.«

Kanya bezeigt ihm mit einem Wai ihren tiefen Respekt, wobei sie den Kopf senkt und sich die Handflächen an die Stirn drückt.

»Ach, hören Sie auf mit dem Unfug.« Jaidee gießt den Rest der Flasche Sato in Kanyas Glas. »Mai pen rai. Macht nichts. Das sind Kleinigkeiten. Morgen werden wir neue Schlachten schlagen. Und wir brauchen brave, treue Kerle, die uns dabei unterstützen. Wie sollen wir AgriGen und PurCal jemals bezwingen, wenn unsere Leute nicht satt werden?«

8

»Ich habe 30 000 verloren.«

»Fünfzig«, murmelt Otto.

Lucy Nguyen starrt zur Decke. »Hundertfünfundachtzig? Hundertsechsundachtzig?«

»Vierhundert.« Quoile Napier stellt sein warmes Satoglas auf den niedrigen Tisch. »Wegen Carlyles gottverdammtem Luftschiff habe ich vierhunderttausend blaue Scheine verloren. «

Über den Tisch breitet sich bestürztes Schweigen. »Himmel. « Lucy setzt sich auf, völlig ermattet von dem Alkohol, und das am helllichten Nachmittag. »Was haben Sie denn darin geschmuggelt — cibiresistentes Saatgut?«

Die Unterhaltung findet auf der Veranda des Sir Francis Drake statt. Alle fünf, die es sich hier bequem gemacht haben — die »Farang-Phalanx«, wie Lucy sie getauft hat —, alle starren sie in die unbarmherzige Hitze hinaus und betrinken sich sinnlos.

Anderson hat sich zu ihnen gesellt und hört ihren Klagen nur mit halbem Ohr zu, während er sich in Gedanken fortwährend mit der Frage beschäftigt, woher die Ngaw stammt. Zwischen seinen Füßen steht ein weiterer Beutel mit Früchten, und er hat das unbestimmte Gefühl, dass des Rätsels Lösung nicht mehr weit ist. Wenn er nur findig genug wäre dahinterzukommen! Er trinkt warmen Khmer-Whisky und grübelt vor sich hin.

Die Ngaw ist offenbar gegen Rostwelke und Cibiskose immun, auch wenn sie den Erregern direkt ausgesetzt wird; genmanipulierte japanische Rüsselkäfer und die Kräuselkrankheit können ihr ebenso wenig etwas anhaben — anders könnte sie niemals gedeihen. Ein vollkommenes Produkt. Wer auch immer sie geschaffen hat, muss Zugang zu anderem genetischen Material haben als das, was AgriGen und die übrigen Kalorienkonzerne für ihre Genfledderei verwenden.

Irgendwo in dieser Stadt ist eine Samenbank versteckt. Tausende, vielleicht Hunderttausende sorgfältig erhaltener Samen, eine Fundgrube biologischer Diversität. Endlose DNA-Ketten, und jede birgt einen ganz bestimmten potenziellen Nutzen. Und aus dieser Goldmine extrahieren die Thai Lösungen für die verzwicktesten Probleme, um ihr Überleben zu sichern. Wenn Des Moines Zugang zu diesen Samenbanken hätte, dann stünde ihnen über Generationen hinweg genetischer Code zur Verfügung, mit dem sie die Mutationen der schwarzen Seuche zurückdrängen könnten. Für eine kleine Weile würde das ihr Überleben sichern.

Anderson rutscht unruhig in seinem Sessel hin und her, verbeißt sich seinen Ärger und wischt sich den Schweiß von der Stirn. Er ist so nahe dran. Die unterschiedlichsten Nachtschattengewächse sind wiedergeboren worden, und jetzt die Ngaw! Und Gibbons läuft in Südostasien frei herum. Wäre Anderson dem illegalen Aufziehmädchen nicht begegnet, wüsste er davon nicht einmal etwas. Offenbar ist das Königreich außergewöhnlich gut darin, seine operative Sicherheit aufrechtzuerhalten. Wenn er nur den Standort der Samenbank herausfinden könnte, wäre ein nächtlicher Überfall im Rahmen des Möglichen … Seit Finnland haben sie einiges dazugelernt.

Jenseits der Veranda bewegt sich nichts, was über Intelligenz verfügt. Schweißperlen rinnen Lucy aufreizend den Hals hinunter und durchnässen ihre Bluse, während sie über den Verlauf des Kohlekrieges mit Vietnam lamentiert. Sie kann nicht Jagd auf Jade machen, solange die Armee auf alles schießt, was sich bewegt. Quoiles Koteletten sind verfilzt. Kein Lüftchen regt sich.

Draußen auf der Straße drängen sich die Rikschafahrer in den kleinen Schattentümpeln zusammen. Deutlich zeichnen sich ihre Knochen und Gelenke unter der nackten Haut ab — Skelette, deren Fleisch auf ihrem Gerippe straff gespannt ist. Zu dieser Tageszeit verlassen sie den Schatten nur ungern, und wenn, dann verlangen sie das doppelte Fahrgeld.

Die baufällige Bar klammert sich an die Außenmauer eines zerstörten Expansionshochhauses. An einer der Treppen, die zur Veranda hinaufführen, lehnt ein Schild, auf das von Hand die Worte SIR FRANCIS DRAKE’S gekritzelt sind. Im Vergleich zu dem Verfall und den Trümmern ringsumher ist das Schild neueren Ursprungs, von einer Handvoll Farang gemalt, die Wert darauf legten, ihrer Umgebung einen Namen zu geben. Die Narren, die sich den Namen der Bar ausgedacht haben, sind schon vor einiger Zeit ins Landesinnere verschwunden, wurden entweder vom Dschungel verschlungen, während neue Formen der Rostwelke über sie hinwegbrandeten, oder zwischen den Fronten des Krieges um Kohle und Jade zerrieben. Das Schild steht jedoch noch immer da, entweder weil es dem Betreiber der Bar gefällt, der den Namen als Spitznamen angenommen hat, oder weil niemand die Energie aufbringen kann, es zu übermalen. Unterdessen blättert in der Hitze die Farbe ab.

Unbeschadet seiner Herkunft liegt das Drake’s zwischen den Schleusen des Damms und den Fabriken geradezu ideal. Seine baufällige Fassade geht auf das Victory Hotel hinaus, so dass die Farang-Phalanx sich dumm und dusslig saufen kann, während sie im Auge behält, ob irgendwelche neuen Ausländer von Interesse dort ans Ufer gespült werden.

Es gibt noch andere, miesere Spelunken für die Seeleute, denen es gelingt, Zollbehörden, Quarantäne und Entseuchung zu passieren. Aber hier, auf der einen Seite der Pflasterstraße die strahlend weißen Tischdecken des Victory und auf der anderen das Bambusslum des Sir Francis, landen schließlich alle Ausländer, die sich für längere Zeit in Bangkok niederlassen.

»Was haben Sie denn geschmuggelt?«, wiederholt Lucy ihre Frage — sie will von Quoile unbedingt wissen, was genau er verloren hat.

Quoile lehnt sich vor und senkt die Stimme, was alle Anwesenden zwingt, ihm aufmerksam zuzuhören. »Safran. Aus Indien.«

Ein Augenblick des Schweigens, und dann lacht Cobb. »Das lässt sich gut auf dem Luftweg transportieren. Darauf hätte ich auch kommen können.«

»Für Luftschiffe ist es geradezu ideal. Es wiegt nur wenig. Und es ist profitabler als Opium«, erklärt Quoile. »Dem Königreich ist es noch immer nicht gelungen, das Saatgut zu knacken, und alle Politiker und Generäle möchten es für ihre Küchen zu Hause haben. Der Gesichtsverlust ist groß, wenn sie es nicht beschaffen können. Ich hatte zahlreiche Vorbestellungen. Ich wäre reich geworden. Unfassbar reich.«