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»Und jetzt sind Sie ruiniert?«

»Vielleicht doch nicht. Ich verhandle gerade mit der Sri-Ganesha-Versicherung — gut möglich, dass sie einen Teil davon übernehmen.« Quoile zuckt mit den Schultern. »Na ja, rund achtzig Prozent. Aber die ganzen Schmiergelder, damit die Lieferung ins Land gelassen wird? Und das, was ich den Zollbeamten gezahlt habe?« Er zieht eine Grimasse. »Das kann ich abschreiben. Trotzdem, vielleicht komme ich noch einmal mit einem blauen Auge davon. In gewisser Hinsicht habe ich sogar Glück gehabt. Die Lieferung ist nur deshalb versichert, weil sie sich noch an Bord des Luftschiffs befand. Ich sollte auf den Piloten anstoßen, weil er den Anstand besaß, im Meer zu ertrinken. Hätten sie die Fracht ausgeladen, und wäre sie von den Weißhemden verbrannt worden, wäre sie als Schmuggelware klassifiziert worden. Dann stünde ich jetzt auf der Straße, zusammen mit den fa’ gan-Bettlern und den Yellow Cards.«

Otto runzelt missmutig die Stirn. »Das ist aber auch das Einzige, was sich zu Carlyles Gunsten sagen lässt. Wenn er sich nicht dauernd in die Politik einmischen würde, wäre nichts von alldem passiert.«

Quoile zuckt mit den Schultern. »Das wissen wir nicht.«

»Das ist doch völlig klar«, wirft Lucy ein. »Carlyle verschwendet die Hälfte seiner Energie darauf, sich über die Weißhemden zu beschweren, und die andere, sich bei Akkarat einzuschmeicheln. Und jetzt hat General Pracha ihm und dem Handelsministerium eine deutliche Botschaft geschickt. Wir dienen ihm nur als Brieftauben.«

»Brieftauben sind ausgestorben.«

»Und Sie glauben, uns wird es besser ergehen? General Pracha würde jeden Einzelnen von uns, ohne mit der Wimper zu zucken, ins Khlong-Prem-Gefängnis werfen lassen, wenn er der Meinung wäre, dass diese Botschaft bei Akkarat richtig ankommen würde.« Ihr Blick schweift zu Anderson hinüber. »Sie sind äußerst schweigsam, Lake. Haben Sie denn überhaupt nichts verloren?«

Anderson räuspert sich. »Material für die Fabrik. Ersatzteile für die Produktionsstraße. Im Wert von rund hundertfünfzigtausend blauen Scheinen. Mein Sekretär ist noch dabei, den Schaden zu bewerten.« Er wirft einen Blick in Quoiles Richtung. »Unsere Sachen waren bereits entladen. Und damit nicht versichert.«

Die Erinnerung an das Gespräch mit Hock Seng ist ihm noch frisch im Gedächtnis. Erst versuchte der Alte, alles abzustreiten, beklagte sich über die Unfähigkeit der Leute, die für die Ankerplätze zuständig waren, bevor er schließlich eingestand, dass alles verloren war und dass er die Schmiergelder gar nicht ausgezahlt hatte. Eine hässliche Beichte — der Alte hatte Angst, seine Anstellung zu verlieren, und Anderson setzte ihn immer weiter unter Druck, demütigte ihn und schrie den Chinesen an, bis er sich nur noch ängstlich in eine Ecke duckte. Trotzdem war sich Anderson nicht sicher, ob Hock Seng seine Lektion wirklich gelernt hatte oder ob er sich wieder nur verstellte. Anderson verzieht das Gesicht. Wenn der alte Schweinehund ihm nicht so viel Arbeit abnehmen würde, damit er sich um wichtigere Dinge kümmern konnte, hätte er ihn längst in die Expansionshochhäuser zurückgeschickt.

»Ich habe Ihnen doch gesagt, dass das kein guter Standort für eine Fabrik ist«, sagt Lucy.

»Die Japaner bekommen das doch auch hin.«

»Nur weil sie spezielle Vereinbarungen mit dem Palast getroffen haben.«

»Auch die Chaozhou-Chinesen kommen dort gut klar.«

Lucy verzieht das Gesicht. »Die sind schon seit Generationen hier zu Hause und unterscheiden sich kaum noch von den Thai. Wenn Sie schon Vergleiche ziehen möchten, dann stehen wir den Yellow Cards näher als den Chinesen aus Chaozhou. Ein kluger Farang weiß, dass es besser ist, hier nicht allzu viel zu investieren. Dafür sind die Verhältnisse zu unbeständig. Bevor man sich versieht, wird man Opfer einer Razzia und verliert alles. Oder es kommt zu einem Putsch.«

»Wir spielen eben alle mit den Karten, die uns ausgegeben werden.« Anderson zuckt mit den Schultern. »Und sowieso hat Yates den Standort ausgesucht.«

»Ihm habe ich auch gesagt, dass er ein Narr ist.«

Anderson erinnert sich noch gut daran, wie Yates’ Augen vor Begeisterung leuchteten angesichts der Möglichkeiten einer neuen globalen Wirtschaft. »Vielleicht war er gar nicht so ein Narr. Aber ein Idealist war er auf jeden Fall.« Er trinkt sein Glas leer. Der Barbesitzer ist nirgendwo zu sehen. Er winkt den Kellnern, die ihn sämtlich ignorieren. Mindestens einer von ihnen schläft im Stehen.

»Haben Sie keine Angst, Sie könnten genauso schnell abgezogen werden wie Yates?«, fragt Lucy.

Anderson zuckt mit den Schultern. »Das wäre nicht das Schlimmste, was passieren könnte. Hier ist es verdammt heiß.« Er fasst sich an die Nase, wo ein Sonnenbrand seine Spuren hinterlassen hat. »Ich fühle mich in der Einöde des Nordens wohler.«

Nguyen und Quoile, die beide dunkle Haut haben, lachen laut, aber Otto nickt nur verbissen — auch seine Nase schält sich, ein deutliches Zeichen, dass er ebenso wenig in der Lage ist, sich an die gleißende Äquatorsonne zu gewöhnen.

Lucy kramt eine Pfeife hervor und verscheucht ein paar Fliegen, bevor sie ihre Rauchutensilien ausbreitet, zu denen auch ein Kügelchen Opium gehört. Die Fliegen krabbeln davon, erheben sich aber nicht in die Luft. Selbst die Insekten sind völlig betäubt von der Hitze. Unten in einer Gasse, gleich neben den Trümmern eines Expansionshochhauses, spielen Kinder vor einer Frischwasserpumpe. Lucy beobachtet sie, während sie ihre Pfeife stopft. »Himmel, ich wünschte, ich wäre wieder ein Kind.«

Alle scheinen sie die Kraft verloren zu haben, sich weiter zu unterhalten. Anderson zieht den Beutel mit den Ngaw zwischen seinen Füßen hervor. Nimmt eine heraus und schält sie. Löst das Fruchtfleisch heraus und wirft die borstige Schale auf den Tisch. Steckt sich das Fruchtfleisch in den Mund.

Otto legt neugierig den Kopf schräg. »Was haben Sie denn da?«

Anderson holt noch mehr aus seinem Beutel und verteilt sie. »Ich weiß nicht so genau. Die Thai nennen sie Ngaw.«

Lucy hält in ihrer Bewegung inne. »Die habe ich auch schon gesehen. Sie sind überall zu kaufen. Haben sie keine Rostwelke?«

Anderson schüttelt den Kopf. »Bisher nicht. Die Frau, die sie verkauft hat, sagte, sie wären einwandfrei. Sie hatte die nötigen Zertifikate.«

Alle lachen, aber Anderson tut ihren Zynismus mit einem Schulterzucken ab. »Ich habe sie eine Woche liegen lassen. Nichts. Sie sind sauberer als U-Tex.«

Die anderen folgen seinem Beispiel und essen die Früchte, die er ihnen gegeben hat. Reißen die Augen auf. Lächeln. Anderson hält den Beutel weit auf und setzt ihn auf dem Tisch ab. »Bedienen Sie sich. Ich habe eh schon zu viel davon gegessen. «

Der Beutel wird geplündert. Der Haufen mit Schalen in der Mitte des Tisches wird immer größer. Quoile kaut versonnen. »Erinnert mich irgendwie an Litschis.«

»Ach ja?« Anderson versucht, seine Neugier nicht zu zeigen. »Davon habe ich noch nie etwas gehört.«

»Klar. Ich hab mal was getrunken, das in etwa so schmeckte. Als ich das letzte Mal in Indien war. Ein Vertriebsmensch von PurCal hat mich in eines seiner Restaurants eingeladen, als ich mich wegen der Safranimporte umhörte.«

»Sie glauben also, dass … dass das hier Litschis sind?«

»Schon möglich. Jedenfalls hat er das Getränk ›Litschi‹ genannt. Vielleicht heißt die Frucht völlig anders.«

»Wenn es ein PurCal-Produkt ist, wie kommt es dann, dass es hier auftaucht?«, gibt Lucy zu bedenken. »Die müssten doch draußen auf Koh Angrit lagern, unter Quarantäne, bis das Umweltministerium tausendundeine Möglichkeit findet, die Dinger zu besteuern.« Sie spuckt den Kern in ihre Hand und wirft ihn vom Balkon auf die Straße hinunter. »Die gibt es wirklich überall. Sie müssen von hier stammen.« Sie greift in den Beutel und nimmt sich noch eine. »Wissen Sie, wer uns da weiterhelfen könnte …?« Sie lehnt sich zurück und ruft in die dämmerige Bar hinein: »Hagg! Sind Sie noch da? Sind Sie wach?«