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Emiko stemmt sich auf die Knie hoch, ihre Hände aufgeschürft und taub. Sie versucht aufzustehen, aber die Welt verschwimmt ihr vor den Augen und kippt zur Seite hin weg. Sie stürzt erneut zu Boden. Rappelt sich wieder auf wie betrunken; die Hitze in ihrem Innern droht sie zu überwältigen. Der Boden neigt sich und dreht sich im Kreis, doch es gelingt ihr sich aufzurichten. Sie lehnt sich gegen die sonnenheiße Wand, während der Mann, mit dem sie zusammengestoßen ist, sie anschreit. Sein Zorn brandet über sie hinweg, doch das kümmert sie nicht. Finsternis und Hitze dringen auf sie ein. Sie verbrennt.

Auf der Straße, im Gewirr der Mulikarren und Fahrräder, entdeckt sie das Gesicht des Gaijin. Sie blinzelt die Finsternis beiseite und stolpert einen Schritt vorwärts. Ist sie verrückt? Treibt der Bakeneko-Cheshire seine Späße mit ihr? Sie packt den Mann, der sie anschreit, an der Schulter, starrt in den Verkehr hinaus, um die Halluzination, die ihr siedendes Gehirn ihr vorgegaukelt hat, wiederzufinden. Der Arbeiter stößt einen Schrei aus und weicht vor ihr zurück, doch sie bemerkt es kaum.

Wieder erhascht sie einen kurzen Blick auf das blasse Gesicht. Es ist der Gaijin, der mit der Narbe aus Raleighs Club. Der ihr gesagt hat, sie solle nach Norden gehen. Seine Rikscha ist kurz zu sehen, bevor sie hinter einem Megodonten verschwindet. Und dann ist sie wieder da, auf der anderen Seite, und er blickt in ihre Richtung. Es ist derselbe Mann. Dessen ist sie sich sicher.

»Haltet sie fest! Lasst die Heechy-Keechy nicht entkommen!«

Ihr Angreifer, der schreit und mit dem Messer wedelt, während er durch das Bambusgerüst kraxelt. Sie staunt, wie langsam er ist, so viel langsamer, als sie erwartet hätte. Verwirrt blickt sie ihm entgegen. Vielleicht ist er von seiner Zeit im Krieg auch an den Füßen verkrüppelt. Aber nein, sein Gang ist tadellos — alles um sie herum ist langsam: die Leute, der Verkehr. Sonderbar. Surreal und langsam.

Der Arbeiter packt sie. Emiko lässt zu, dass er sie wegzerrt, wobei sie weiter den Verkehr nach dem Gaijin absucht. Hat sie sich das nur eingebildet?

Dort! Dort ist er wieder! Emiko streift die Hände des Arbeiters ab und stürzt auf die Straße. Mit letzter Kraft duckt sie sich unter dem Bauch eines Megodonten hindurch — fast wäre sie in seine riesigen Säulenbeine hineingelaufen —, und schon ist sie auf der anderen Seite, wo sie neben der Rikscha des Gaijin herläuft, die Hände zu ihm hochstreckt wie ein Bettler …

Er betrachtet sie mit kaltem Blick, als ginge ihn das alles nichts an. Sie stolpert und hält sich an der Rikscha fest, obwohl sie weiß, dass er sie zurückstoßen wird. Sie ist nur ein Aufziehmädchen. Wie töricht sie doch war zu glauben, dass er in ihr einen Menschen sehen könnte, eine Frau und nicht nur ein Stück Abfall.

Plötzlich packt er ihre Hand und zieht sie zu sich herauf. Der Gaijin ruft seinem Fahrer zu, er solle sich beeilen, mit aller Kraft in die Pedale treten — gan cui chi che, kuai kuai kuai! Er speit Wörter in drei verschiedenen Sprachen aus, und schließlich beschleunigen sie, wenn auch langsam.

Ihr Angreifer springt auf die Rikscha. Er schlitzt ihr die Schulter auf. Emiko sieht, wie ihr Blut auf die Sitze spritzt. Tropfen wie Edelsteine, die im Sonnenlicht funkeln. Er hebt erneut das Messer. Sie versucht, sich zu verteidigen, ihn abzuwehren, aber sie ist zu müde. Sie ist ganz schwach vor Erschöpfung und Hitze. Der Mann stößt einen Schrei aus und geht erneut auf sie los.

Emiko schaut zu, wie das Messer herabfährt, eine Bewegung, die so langsam ist wie Honig, der im Winter ausgegossen wird. Unfassbar langsam. Unfassbar weit weg. Ihre Haut platzt auf. Alles verschwimmt. Sie wird ohnmächtig. Das Messer fährt erneut herab.

Plötzlich wirft sich der Gaijin dazwischen. In seiner Hand schimmert eine Federpistole. Emiko schaut zu, vage erstaunt, dass der Fremde eine Waffe bei sich trägt. Doch der Kampf zwischen dem Gaijin und dem Yabasüchtigen ist so klein und so weit weg. Alles wird schwarz … Die Hitze schlägt über ihr zusammen.

10

Das Aufziehmädchen rührt keinen Finger, um sich zu verteidigen. Sie schreit auf, zuckt jedoch kaum zusammen, als das Messer sie verletzt. »Bai!«, ruft Anderson Lao Gu zu. »Kuai kuai kuai!«

Er stößt ihren Angreifer beiseite, als die Rikscha ruckartig schneller wird. Der Thai hackt unbeholfen auf Anderson ein und stürzt sich dann wieder auf das Aufziehmädchen. Sie weicht ihm nicht aus. Blut spritzt. Anderson reißt eine Federpistole unter seinem Hemd hervor und hält sie dem Mann unter die Nase. Der Mann reißt die Augen auf.

Er springt von der Rikscha und rennt in Deckung. Anderson folgt ihm mit dem Lauf und fragt sich, ob er dem Mann eine Scheibe in den Kopf jagen oder ihn entkommen lassen soll, doch der ist bereits hinter einem Megodonten verschwunden, was ihm die Entscheidung abnimmt.

»Gottverdammt.« Anderson behält den Verkehr noch einen Moment im Auge, um sich zu überzeugen, dass der Mann wirklich fort ist, und schiebt dann die Pistole zurück unter sein Hemd. Er wendet sich dem Mädchen zu, das neben ihm auf den Sitz gesunken ist. »Du bist jetzt in Sicherheit.«

Das Aufziehmädchen liegt reglos da, die Kleider aufgeschlitzt und verrutscht, die Augen geschlossen. Sie atmet keuchend ein und aus. Als er ihr die Hand auf die gerötete Stirn legt, zuckt sie zusammen, und ihre Augenlider flimmern. Ihre Haut ist kochend heiß. Teilnahmslose schwarze Augen starren zu ihm hoch. »Bitte«, murmelt sie.

Die Hitze, die ihre Haut abstrahlt, ist überwältigend. Sie stirbt. Anderson reißt ihre Jacke auf, um ihr Kühlung zu verschaffen. Sie verbrennt, überhitzt von ihrer Flucht und ihrer mangelhaften genetischen Ausstattung. Es ist absurd, dass irgendjemand einem Lebewesen so etwas antut.

»Lao Gu!«, ruft er über die Schulter. »Fahr zum Deich!« Lao Gu schaut ihn verständnislos an. »Shui! Wasser! Nam! Zum Ozean, verdammt!« Anderson deutet zum Damm hinüber. »Schnell! Kuai, kuai kuai!«

Lao Gu nickt jäh. Er richtet sich auf seinen Pedalen auf und beschleunigt wieder, kämpft sich mit dem Rad durch den aufgestauten Verkehr, stößt Warnungen und Flüche aus, wenn Fußgänger oder Zugtiere ihm den Weg versperren. Anderson fächelt dem Aufziehmädchen mit seinem Hut Luft zu.

Bei den Deichmauern angekommen, wirft Anderson sich das Aufziehmädchen über die Schulter und schleppt sie die unregelmäßigen Stufen hinauf. Naga halten entlang der Treppe Wache; ihre langen, sich windenden Körper weisen ihm den Weg. Mit ausdrucksloser Miene schauen sie zu, wie er immer weiter aufwärtsschwankt. Schweiß tropft ihm in die Augen. Das Aufziehmädchen glüht wie ein Ofen.

Schließlich erreicht er den Kamm des Deichs. Die rote Sonne brennt ihm ins Gesicht; auf dem Meer zeichnen sich die Umrisse des versunkenen Thonburi ab. Die Sonne ist fast so heiß wie der Körper, den er trägt. Er stolpert die andere Seite der Böschung hinunter und wuchtet das Mädchen ins Wasser. Salzwasser spritzt auf und durchnässt seine Kleider.

Sie geht unter wie ein Stein. Anderson schnappt nach Luft und stürzt ihr hinterher. Du Narr! Du törichter Narr! Er bekommt einen schlaffen Arm zu fassen und reißt sie aus der Tiefe empor. Hält sie, so dass ihr Gesicht über den Wellen schwebt, nimmt alle Kraft zusammen, damit sie nicht noch einmal untergeht. Ihre Haut ist glühend heiß. Halb erwartet er, dass das Wasser um sie herum zu sieden beginnt. Ihr schwarzes Haar breitet sich fächerförmig aus, wie ein Netz auf den wogenden Wellen. Sie hängt kraftlos in seinen Armen. Lao Gu kommt den Deich heruntergestapft, und Anderson winkt ihn zu sich herüber. »Hier. Halt sie fest.«