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Ich bin ein Schläger, denkt er missmutig. Nichts weiter als ein Schläger, der unter Wasserbüffeln einhergeht, und obwohl er versucht, gütlich über sie zu wachen, ertappt er sich wieder und wieder dabei, wie er die Peitsche schwingt, um ihnen Angst einzujagen. Das ganze Ministerium handelt nach dieser Maxime — zumindest diejenigen, die sich noch der Gefahren bewusst sind, denen sie gegenüberstehen, die noch immer an eine klare Linie glauben, die zum Schutze aller nicht überschritten werden darf.

Ich bin ein Schläger.

Er seufzt und stellt das Rad vor der Verwaltung ab; hier müssten die Mauern dringend einmal wieder getüncht werden, doch auch dafür reicht das schwindende Budget nicht. Jaidee betrachtet das Gebäude und fragt sich, ob das Ministerium deshalb kurz vor einer Katastrophe steht, weil es sich übernommen hat oder weil es zu erfolgreich ist. Die Menschen haben die Angst vor der Außenwelt verloren. Das Budget des Umweltministeriums wird kleiner, während das des Handelsministeriums wächst.

Jaidee sucht sich einen Sitzplatz vor dem Büro des Generals. Offiziere in weißer Uniform schreiten an ihm vorbei, sorgsam darauf bedacht, ihn zu ignorieren. Dass er vor Prachas Büro wartet, sollte ihn mit Genugtuung erfüllen. Er wird nicht oft vor einen hochrangigen Offizier zitiert. Dieses eine Mal hat er etwas richtig gemacht. Ein junger Mann nähert sich ihm zögerlich. Verbeugt sich.

»Khun Jaidee?«

Als Jaidee nickt, grinst der junge Mann breit. Seine Haare sind kurzgeschnitten, und seine Augenbrauen sind nur schmale Schatten; er ist gerade erst aus dem Kloster gekommen.

»Khun, ich hatte gehofft, dass Sie es sind.« Er zögert und streckt Jaidee dann eine kleine Karte entgegen. Sie ist im altehrwürdigen Sukhothai-Stil bemalt und zeigt einen jungen Mann mit blutigem Gesicht, der im Ring einen Gegner vor sich hertreibt. Seine Gesichtszüge sind nur angedeutet, aber Jaidee muss unwillkürlich lächeln, als er sie sieht.

»Woher haben Sie das?«

»Ich hab bei dem Kampf zugeschaut, Khun. Damals, in dem Dorf. »Ich war erst so groß …« Er hält seine Hand auf Hüfthöhe. »Na ja, so ungefähr. Vielleicht auch kleiner.« Er lacht befangen. »Als ich Sie gesehen habe, wollte ich selbst Boxer werden. Als Dithakar Sie umgenietet hat und Ihr Blut überall rumspritzte, da dachte ich, Sie wären erledigt. Ich hab nicht geglaubt, dass Sie kräftig genug wären, um es mit ihm aufzunehmen. Er hatte Muskeln …« Er verstummt.

»Ich erinnere mich. Das war ein guter Kampf.«

Der Junge grinst. »Ja, Khun. Fabelhaft. Damals glaubte ich, ich wollte auch Boxer werden.«

»Und jetzt schau dich an.«

Der Junge streicht sich mit den Fingern durch das kurzgeschnittene Haar. »Ach. Na ja. Das mit dem Kämpfen ist schwieriger, als ich es mir vorgestellt hab … aber …« Er hält inne. »Könnten Sie das signieren? Die Karte? Bitte. Ich würde sie gerne meinem Vater geben. Er spricht noch immer in den höchsten Tönen von Ihren Kämpfen.«

Jaidee setzt lächelnd seine Unterschrift auf die Karte. »Dithakar war nicht eben der klügste Boxer, dem ich je gegenüberstand. Aber er war stark. Ich wünschte, meine Gegner würden mir immer so offen gegenübertreten.«

»Hauptmann Jaidee«, unterbricht eine Stimme. »Wenn Sie sich denn von Ihren Fans losreißen können …«

Der junge Mann verbeugt sich und flieht. Jaidee blickt ihm nach und denkt, dass es vielleicht doch nicht ganz so schlecht um die jüngere Generation bestellt ist. Vielleicht … Jaidee dreht sich zu General Pracha um. »Das ist doch noch ein junger Kerl.«

Pracha sieht ihn zornig an. Jaidee grinst. »Was kann ich denn dafür, dass ich ein guter Boxer war? Damals hat mich das Ministerium gesponsert. Ich denke, Sie haben mir eine Menge Geld und Rekruten zu verdanken, Khun General, Sir.«

»Hör auf mit dem Unfug, mich ›General‹ zu nennen. Dafür kennen wir uns schon zu lange. Komm rein.«

»Jawohl, Sir.«

Pracha verzieht das Gesicht und bedeutet Jaidee mit einer Handbewegung, er möge sich beeilen. »Los!«

Pracha schließt die Tür und setzt sich hinter seinen riesigen Mahagonischreibtisch. An der Decke rührt ein Kurbelventilator halbherzig in der Luft herum. Das Zimmer ist groß, die Läden vor den offenen Fenstern geschlossen, um Helligkeit, aber möglichst wenig direktes Sonnenlicht hereinzulassen. Durch die Schlitze ist das heruntergekommene Gelände des Ministeriums zu sehen. An einer Wand hängen verschiedene Gemälde und Fotografien, darunter ein Bild von Prachas Abschlussklasse an der Kadettenschule und eines von Chaiyanuchit, dem Begründer des modernen Ministeriums. Eines zeigt Ihre Majestät die Kindskönigin, die winzig und furchtbar verletzlich auf ihrem Thron sitzt, und in einer Ecke steht ein kleiner Schrein, der Buddha, Phra Pikanet und Seub Nakhasathien geweiht ist. Räucherstäbchen und Ringelblumen schmücken ihn.

Jaidee verbeugt sich vor dem Schrein und setzt sich dann in einen Rattansessel Pracha direkt gegenüber. »Woher hast du das Klassenfoto?«

»Was?« Pracha sieht ihn fragend an. »Ach so. Was waren wir jung damals, hm? Das habe ich unter den Sachen meiner Mutter gefunden. Sie hat es all die Jahre in einem Schrank aufbewahrt. Wer hätte gedacht, dass die alte Dame so sentimental war?«

»Es ist eine nette Aufnahme.«

»Auf den Ankerplätzen hast du den Bogen überspannt.«

Jaidee wendet seine Aufmerksamkeit wieder dem General zu. Auf dem Schreibtisch verstreut liegen Flüsterblätter und rascheln in dem lauen Lüftchen, das der Kurbelventilator erzeugt: Thai Rath. Kom Chad Luek. Phuchatkan Rai Wan. Auf vielen von den Titelseiten prangt Jaidee. »Die Zeitungen sind anderer Meinung.«

Pracha mustert ihn finster. Er schiebt die Blätter in einen Abfalleimer, dessen Inhalt kompostiert wird. »Die Zeitungen lieben Helden. Glaub bloß nicht den Leuten, die dich einen Tiger nennen, weil du gegen die Farang kämpfst. Die Farang sind der Schlüssel zu unserer Zukunft.«

Jaidee deutet mit einer Kopfbewegung auf das Porträt seines Mentors Chaiyanuchit, das unter dem Bildnis der Königin hängt. »Ich weiß nicht, ob er dem zustimmen würde.«

»Die Zeiten ändern sich, alter Freund. Die Leute haben es auf deinen Kopf abgesehen.«

»Und du willst ihnen den Gefallen tun?«

Pracha seufzt. »Jaidee, wir kennen uns schon sehr lange. Ich weiß, du bist ein Kämpfer. Und ich weiß, dass heißes Blut in deinen Adern fließt.« Als Jaidee ihm widersprechen will, hebt er die Hand. »Du hast auch ein gutes Herz, wie dein Name sagt, aber dennoch, jai rawn. Von jai yen ist in dir keine Spur zu finden. Du genießt es, dich zu streiten.« Er beißt sich auf die Unterlippe. »Ich weiß, dass du kämpfen wirst, wenn ich dich zurückpfeife. Und auch, wenn ich dich bestrafe.«

»Dann lass mich meine Arbeit machen. Für das Ministerium ist ein wandelnden Pulverfass, wie ich es bin, doch sehr nützlich.«

»Mit dem, was du getan hast, hast du viele vor den Kopf gestoßen. Und nicht nur die dämlichen Farang. Nicht jeder, der heutzutage etwas mit dem Luftschiff transportiert, ist ein Farang. Unsere Interessen erstrecken sich auf die unterschiedlichsten Gebiete. Die Interessen Thailands.«

Jaidee betrachtet den Schreibtisch des Generals. »Mir war nicht bewusst, dass das Umweltministerium Rücksichten nimmt, wenn es Frachtgüter inspiziert.«

»Ich versuche, vernünftig mit dir zu reden. Ich bin von Tigern eingekreist: Rostwelke, Rüsselkäfer, die Kohlekriege, Spione des Handelsministeriums, Yellow Cards, Treibhausquoten, Ausbrüche von fa’ gan … Da brauche ich nicht auch noch dich.«