»Vierzig Knoten bei günstigem Wind!« Carlyle klopft begeistert auf den Tisch. »Mit Tragflächen und einer Nutzlast von fünfzehnhundert Tonnen. Ich werde eine ganze Flotte davon kaufen!«
Akkarat lacht. »Ich dachte, die Zukunft läge im Luftverkehr? «
»Mit diesen Klippern? Da möchte ich mich nicht festlegen. Während der Großen Expansion gab es auch verschiedene Transportmöglichkeiten. Luft und Wasser. Warum sollte es jetzt anders sein?«
»Im Moment sprechen alle von einer neuen Expansion.« Akkarat wird wieder ernst. Er wirft dem Somdet Chaopraya einen raschen Blick zu, und dieser nickt kaum merklich. Der Handelsminister fährt fort, wobei er sich direkt an Anderson wendet. »Dieser Fortschritt stößt im Königreich allerdings auch auf Widerstand. Unwissende Menschen, ohne Frage, aber diese können äußerst hartnäckig sein.«
»Falls Sie mich um Unterstützung bitten«, erwidert Anderson, »sind wir dazu weiterhin gerne bereit.«
Eine weitere Pause. Akkarat schaut erneut kurz zu dem Somdet Chaopraya hinüber. Dann räuspert er sich. »Über die Form Ihrer Unterstützung herrscht noch immer Uneinigkeit. Ihr Verhalten in vergleichbaren Fällen gibt nicht unbedingt Anlass, Ihnen zu vertrauen.«
»Genauso gut könnten wir mit einer Brut Skorpione ins Bett steigen«, wirft der Somdet Chaopraya ein.
Anderson lächelt andeutungsweise. »Mir scheint, dass Sie bereits von Skorpionen umzingelt sind. Mit Ihrer Erlaubnis ließen sich manche davon beseitigen. Was allen Beteiligten von Nutzen wäre.«
»Der Preis, den Sie fordern, ist zu hoch«, sagt Akkarat.
Anderson bemüht sich um einen neutralen Tonfall. »Wir bitten nur um einen Zugang zu Ihrer Samenbank.«
»Und um diesen Mann, diesen Gibbons.«
»Sie wissen also etwas über ihn?« Anderson beugt sich vor. »Sie wissen, wo er sich befindet?«
Alle schweigen. Akkarat wirft dem Somdet Chaopraya einen weiteren Blick zu. Dieser zuckt nur mit den Schultern, aber das ist Anderson Antwort genug. Gibbons ist hier. Irgendwo in diesem Land. Wahrscheinlich in der Stadt. Und arbeitet zweifellos an seinem nächsten großen Triumph nach der Ngaw.
»Wir haben es nicht auf das Königreich abgesehen«, fährt Anderson fort. »Thailand ist nicht mit Burma oder Indien zu vergleichen. Es hat seine eigene Geschichte und war stets unabhängig. Das respektieren wir ohne jede Einschränkung.«
Die Mienen der anwesenden Männer erstarren.
Anderson verwünscht sich im Stillen. Narr. Du hast ihre schlimmsten Befürchtungen zur Sprache gebracht. Er schlägt einen anderen Kurs ein. »Hier bieten sich bedeutende Möglichkeiten. Von einer Zusammenarbeit würden beide Seiten profitieren. Falls wir zu einer Übereinkunft gelangen, sind wir bereit, das Königreich nach Kräften zu unterstützen. Wir können bei Grenzkonflikten helfen und für ein Ausmaß an Kaloriensicherheit sorgen, wie es sie hierzulande seit der Expansion nicht mehr gab. Das ist für uns alle ein gutes Geschäft.«
Anderson verstummt. Der General nickt. Der Admiral runzelt die Stirn. Akkarat und der Somdet Chaopraya verziehen keine Miene. Sie sind ein Buch mit sieben Siegeln.
»Wollen Sie uns bitte entschuldigen?«, sagt Akkarat.
Es ist keine Frage. Die Wachleute bedeuten Anderson und Carlyle hinauszugehen. Kurz darauf stehen sie im Flur, von vier Wachmännern umgeben.
Carlyle starrt zu Boden. »Sie wirken nicht überzeugt. Fällt Ihnen irgendein Grund ein, warum sie Ihnen vielleicht nicht trauen?«
»Ich habe Waffen und ein Vermögen an Bestechungsgeldern in der Hinterhand. Wenn es ihnen gelingt, mit Prachas Generälen Kontakt aufzunehmen, kann ich diese schmieren und mit Ausrüstung versorgen. Und alles, ohne ein Risiko einzugehen!« Anderson schüttelt irritiert den Kopf. »Eigentlich müssten sie sofort zustimmen. Ein vergleichbares Angebot haben wir noch nie gemacht.«
»Das Angebot ist nicht das Problem. Sondern Sie. Sie und AgriGen — Ihre ganze Geschichte. Wenn sie Ihnen vertrauen, haben Sie gewonnen. Wenn nicht …« Carlyle zuckt mit den Achseln.
Die Türe geht auf, und sie werden wieder hineingebeten. Akkarat sagt: »Vielen Dank, dass Sie sich die Zeit genommen haben. Wir werden Ihr Angebot in Erwägung ziehen.«
Carlyle sackt angesichts dieser höflichen Zurückweisung in sich zusammen. Der Somdet Chaopraya wiederum lächelt, während die Antwort gegeben wird. Vielleicht gefällt es ihm, den Farang eine Maulschelle zu verpassen. In der Kabine werden noch ein paar höfliche Worte gewechselt, doch Anderson hört sie kaum. Er ist der Ngaw so nahe gekommen, dass er sie fast schmecken kann, und sie legen ihm noch immer Steine in den Weg! Es muss eine Möglichkeit geben, noch einmal ins Gespräch zu kommen. Er starrt den Somdet Chaopraya an. Er benötigt ein Druckmittel. Irgendetwas, um aus der Sackgasse herauszukommen …
Fast hätte Anderson laut gelacht. Es fällt ihm wie Schuppen von den Augen! Carlyle murmelt immer noch sichtlich enttäuscht etwas vor sich hin, aber Anderson verbeugt sich lächelnd und überlegt, wie er weiter vorgehen soll. Damit das Gespräch nicht hier und jetzt zu Ende ist. »Ich kann Ihre Bedenken nur zu gut verstehen. Wir haben uns Ihr Vertrauen noch nicht verdient. Vielleicht sollten wir über etwas anderes reden. Sagen wir, über ein Projekt um der Freundschaft willen. Etwas, bei dem nicht so viel auf dem Spiel steht.«
Der Admiral verzieht das Gesicht. »Von Ihnen wollen wir nichts haben.«
»Es gibt keinen Grund, etwas zu überstürzen. Wir haben unser Angebot ohne Hintergedanken gemacht. Und was das andere Projekt betrifft — sollten Sie Ihre Meinung ändern, ob nun in einer Woche, einem Jahr oder in zehn Jahren, können Sie auf unsere Unterstützung rechnen.«
»Das haben Sie schön ausgedrückt«, sagt Akkarat. Er lächelt und wirft dem Admiral sogar einen stechenden Blick zu. »Ich bin mir sicher, dass hier niemand dem anderen etwas übelnimmt. Bitte, trinken Sie doch wenigstens noch etwas. Sie haben wegen uns einen so weiten Weg auf sich genommen, und ich sehe keinen Grund, warum wir nicht als Freunde scheiden sollten.«
Also ist noch alles offen. Anderson spürt Erleichterung in sich aufsteigen. »Ganz unserer Meinung.«
Bald haben alle ein volles Glas vor sich stehen, und Carlyle verspricht, dass er nur zu gerne eine Ladung Safran von Indien nach Thailand transportiert, sobald das derzeitige Embargo aufgehoben ist, und Akkarat erzählt die Geschichte von einem der Weißhemden, der versucht, von drei verschiedenen Garküchen in unterschiedlicher Höhe Schmiergelder zu nehmen, und sich dabei unentwegt verrechnet. Anderson lässt den Somdet Chaopraya dabei nicht aus den Augen und wartet eine Gelegenheit ab.
Als der mächtige Mann zu einem der Fenster schreitet, um hinauszuschauen, steht Anderson auf und geht zu ihm hinüber.
»Es ist wirklich schade, dass Ihr Vorschlag keine Gnade fand«, sagt der Thai.
Anderson zuckt mit den Achseln. »Ich bin schon froh, dass ich lebend von Bord gehe. Noch vor ein paar Jahren wäre ich von Megodonten zerquetscht worden, wenn ich nur versucht hätte, mich mit Ihnen zu treffen.«
Der Somdet Chaopraya lacht. »Sie glauben also, dass wir Sie gehen lassen werden?«
»Ich hoffe doch«, erwidert Anderson. »Etwas muss man ja riskieren. Aber Sie und Akkarat sind rechtschaffene Männer, selbst wenn wir nicht in allen Einzelheiten übereinstimmen. Ich glaube nicht, dass ich allzu hoch gepokert habe.«
»Nicht? Die Hälfte der Anwesenden glaubt, dass es am klügsten wäre, Sie an die Flusskarpfen zu verfüttern.« Er hält inne und starrt Anderson aus tiefliegenden Augen an. »Die Entscheidung ist äußerst knapp ausgefallen.«
Anderson zwingt sich zu einem Lächeln. »Dem entnehme ich, dass Sie nicht derselben Meinung waren wie Ihr Admiral.«