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Außenlampen flammten auf, blendeten sie für einen Moment. Sie atmete tief ein. Der Anzugfilter sterilisierte die freie Luft, wärmte sie aber nicht vor. Ein Hauch von Isis kühlte die Kehle.

Einer von den defekten Packrobotern trug ihr Werkzeug. Sie rollte den Gürtel auseinander, schnallte ihn um und rief den Status des Roboters ab. Ihr Hornhautdisplay listete gleich mehrere Störungen an den Gelenken auf. Ein Schmiermittel-Problem? Sie baute ein Kugelgelenk auseinander und fand die Teile senfgelb verschleimt.

»Irgendwas dringt in die Gelenke«, erklärte sie Hayes. »Etwas Organisches. Scheint Teflon zu fressen.«

Hayes sagte nicht gleich etwas. Sie reinigte das Gelenk mit einem stark absorbierenden Tuch und setzte es wieder zusammen. Nichts von Dauer, aber vielleicht konnte sie den einen oder anderen Roboter so flicken, dass sie es mit dem wichtigsten Gepäck bis nach Yambuku schaffte…

»Achtung, Zoe.«

Ihr Kopf flog in den Nacken.

Die Außenlampen badeten das Lager in grelles, weißes Licht, das sich jenseits der Wiese im Dunkel des Waldes verlor. Sie beschattete die Augen und musterte die Umgebung. Halbvertraute Schemen schälten sich aus Finsternis.

Gräber hatten das Lager umzingelt.

Sie standen am Rand der Wiese, immer fünf Meter auseinander — wenigstens zwanzig von ihnen, manche auf allen vieren, andere auf den Hinterbeinen. Ein paar waren mit feuergehärteten Speeren bewaffnet. Die schwarzen Augen glitzerten im grellen Schein der Lampen.

Zoes erste Reaktion war Furcht. Ihr Puls schnellte hoch und die Handflächen wurden feucht. Die Gräber waren nichts weiter als Tiere, größer allerdings und viel fremder als die Löwen, die sie damals in einem Konzernreservat gesehen hatte. Die Gräber waren schlau und unberechenbar. Der Anflug von Intelligenz, der sie sonst so menschlich erscheinen ließ, kam in dieser zugigen Finsternis nicht zum Tragen. Sie besaßen Intelligenz, keine Frage, aber ebenso fraglos ein Kaleidoskop an Instinkten, ganz und gar isischen, unergründlichen Instinkten.

Gott sei Dank kamen sie nicht näher. Das Licht musste sie angelockt haben. (Was aber, wenn auch die Lampen versagten? Und die Restlichtverstärkung? Wenn sie durch eine neue Serie von Funktionsstörungen völlig nachtblind wurde?)

Vielleicht waren diese Ängste aber auch nur Ausfluss ihrer thymostatischen Verwirrung. Drinnen und draußen versagen die Systeme, dachte Zoe. Aber genau das ist mein Metier, dazu bin ich geschaffen. Jetzt wissen sie, dass ich da bin, und ich weiß, dass sie es wissen. Morgen ist auch noch ein Tag.

Hayes Stimme platzte in ihr Ohr. »Keinen Mucks, Zoe. Wir schicken einen intakten Roboter in den Wald, vielleicht können wir sie so ablenken. Wir haben zwar Sensorien in der Nähe, müssen aber mit dem Wind kämpfen.«

»Nein, Tam, nicht.«

»Wie bitte?«

»Sie sind nicht feindselig.«

»Woher willst du das wissen?«

»Ich werde nicht angegriffen. Etwas Ähnliches musste früher oder später passieren.«

»Aber nicht diese Nacht. Und morgen kommst du zurück.«

»Tam, vielleicht bekomme ich nie wieder eine Chance. Das ist ihre erste richtige Begegnung mit einem Menschen. Höchstwahrscheinlich beobachten sie mich eine Weile und verlieren dann das Interesse. Halte die intakten Roboter in Bereitschaft, aber mach uns keine Feinde.«

»Ich habe nicht vor, sie abzuschlachten, Zoe. Nur…«

»Warte mal.«

Bewegung an der Peripherie. Zoe drehte den Kopf. Einer der Gräber war vorgetreten. Er kam auf den Hinterbeinen, die anderen Glieder erhoben, eine Haltung, die beides bedeuten konnte: Kampf- oder Fluchtbereitschaft.

Er trug einen kräftigen Ast in der Hand und trat näher an das Polyplexzelt heran. Zoe bemerkte die Fächer aus weißen Schnurrhaaren auf beiden Seiten der Schnauze. »Der Alte! Es ist der Alte.«

»Zoe…«

»Sei still!«

Ein zerbrechlicher Moment. Zoe richtete sich langsam aus der Hocke neben dem Roboter auf und tat selbst einen unendlich kleinen Schritt auf den Alten zu. Für was hielt er sie? Für ein Tier, einen Feind? Ein launisches Spiegelbild seiner selbst?

Sie streckte die Arme aus — leere Hände, keine Waffen, keine Klauen.

Hayes musste wenigstens ein Telesensorium in der Nähe haben, denn er hatte die Bewegung auch gesehen. »Drei Meter, Zoe. Kommt ihr euch näher, dann scheuche ich ihn weg. Für den Fall, dass sich noch jemand rührt, will ich dich beim Zelt haben, wo wir dich schützen können. Verstanden?«

Sie verstand viel zu viel. Sie verstand, dass sie an der Schwelle ihrer Bestimmung stand, dass sich Zeit und Lebensumstände verabredet hatten, sie hier und jetzt abzusetzen. Einen ekstatischen Moment lang war sie die Achse, um die sich die Sterne drehten.

Sie tat mehrere kühne Schritte nach vorn. Der Gräber bäumte sich auf wie ein erschrockener Hundertfüßer. Die schwarzen Augen rollten in ihren Höhlen. Zoe bewegte sich langsamer, blieb aber nicht stehen. Sie hielt die Hände vor sich, immer noch weit genug von dem Tier entfernt.

Aber nahe genug, um es zu riechen. Nahe genug, um ihn dampfen zu sehen, den warmen Bauch. Vier Milliarden Jahre einer unirdischen Evolution hatten dieses Aggregat aus Zellen geformt, dieses Tier. Sie betrachtete es. Und wurde zu ihrer Verblüffung betrachtet. Unvorstellbar weit vom Planeten ihrer Geburt entfernt war das Wunder geschehen: Der Lehm war zu Leben erwacht. Leben betrachtete Leben. Erstes Licht, dachte Zoe.

Der Gräber war verdammt flink. Ehe sie auch nur mit der Wimper zucken konnte, zog er den Ast zurück, den er in der Hand wog.

Nein, nicht so, dachte sie. So sollte es…

»Zoe?«

Hayes Stimme war fern und bedeutungslos.

Keine Zeit zurückzuweichen, Schutz hinter den Robotern zu suchen. Die Roboter kamen zwar, aber wie in Zeitlupe. Noch mehr Funktionsstörungen? Der Gräber hob den linken oberen Arm, eigentlich nur den Unterarm, an dem die Hand saß, die den Knüppel hielt. Mit unerbittlicher Klarheit verfolgte Zoe den Abschwung.

Der Schlag ließ alles verschwimmen. Sie fiel durch die zugige Nacht.

Sechzehn

Obschon Kenyon Degrandpre gehofft hatte, dieser Kelch werde an ihm vorübergehen, hatte seine Ausbildung vor allem der einen Aufgabe gegolten: fertig zu werden mit einer organischen Kontamination an Bord der Isis-Orbitalstation. Die Krise und ihre tausend Details beanspruchten seine ganze Aufmerksamkeit. Und das war allemal besser als über die langfristigen Folgen dieser Katastrophe zu grübeln.

Er rief alle fünf Seniormanager zusammen, darunter Leander für Medizin (der für den in Quarantäne befindlichen Corbus Nefford einsprang) und Sullivan für Lebensmittel, Flora und Fauna. Sie waren eine bunte Mischung aus Vorreitern des Konzerns — allesamt tüchtige Manager, keiner von Adel, es sei denn über sieben fragwürdige Ecken. Wie Degrandpre zum Beispiel, dessen Urgroßvater mütterlicherseits ein Corbille gewesen war. Aber die Geburt war nicht aktenkundig, also zählte sie nicht.

Als Erstes hatte er angeordnet, die Quarantänekapsel abzuschotten. Bis heute war die IOS eine sterile Zone gewesen, abgeschottet durch das natürliche Vakuum zwischen ihr und Isis. Jetzt war sie gemischtes Territorium, ein Apfel, in dem ein gefährlicher Wurm nistete.

Der Quarantänebezirk war zur kontaminierten Zone fünften Grades geworden, lückenlos umgeben von Ermessenszonen vierten Grades, als da waren die äußeren medizinischen Kontrolleinrichtungen, wo Corbus Nefford zur Zeit festsaß; daran schlossen sich die Vorkehrungszonen dritten, zweiten und ersten Grades an, als da waren die Kapsel für Maschinen- und Gerätebau und ein Wartungsbereich, wo Turing-Monteure auf den Transfer vorbereitet wurden.

Das Problem war, es gab sehr wenig Redundanz an Bord der IOS. Die Tatsache, dass Volumen und Masse durch die Technik des Higgs-Transfers drastisch beschnitten waren, verengte den Spielraum für technisches Versagen auf Strichbreite. Die IOS war selbst in ihren besten Zeiten nur ein, zwei kritische Pannen vom totalen Bankrott entfernt gewesen. Ohne Maschinenwerkstatt und solange nur Turing-Katapulte hinein durften…