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Ein zärtliches Lächeln um den Mund, eine stolze Wehmut in den Augen, widmete sie sich dem nächsten Laib Brot.

Atemlos langte Katya im Hafen an und verlor keine Zeit. Wahllos pickte sie sich einen der Seeleute heraus, die emsig Leinen vertäuten, Kisten und Säcke und Fässer wuchteten und unter Gebrüll Flaschenzüge austarierten.

Im März hatte Johann Silberberg wieder auf das Festland übergesetzt, um weiter die Gletscher Norwegens zu erkunden, mit dem Versprechen, ihr zu schreiben, wann immer es ihm möglich war. Außer dem Deutsch, in dem sie sich schon ganz gut verständlich machen konnte, hatte er ihr auch den Mut hinterlassen, ihre misstrauische Zurückhaltung zu überwinden, wenn ihr etwas wichtig war.

»Wo kommt ihr her?«

Der Matrose, nicht viel älter als sie selbst, auf dessen Nase sich verbrannte Haut abpellte, sah sie verdutzt an; eine verlegene Röte kroch seinen Hals hinauf.

»Baffin Bay?«, erwiderte er unsicher.

»Sieh an«, erschallte es über Katyas Kopf. »Die Eisjungfer ist wieder da!«

An der Reling blitzte ein starkes Grinsen, umgeben von einem feuerroten Bart; unter der genauso lodernden Mähne funkelten die Augen amüsiert.

Katya erkannte ihn wieder; er hatte ihr im Frühling von der Baffin Bay erzählt, vor der westlichen Küste Grönlands, und vom Nordwasser. Eine Polynya, eine offene Wasserfläche mitten im Eis, das ganze Jahr über ein reicher Fanggrund für Walrosse, Robben, Narwale und Belugas. Aber gefährlich zu erreichen durch das Meereis, das sich an ihren Rändern bildete und den Schiffen entgegentrieb.

»Wie war es auf eurer Fahrt?«, rief Katya ihm entgegen, die Augen zum Schutz gegen die Sonne mit der Hand beschattet. »Was habt ihr an Eis gesehen? An Schnee?«

Sofort drängten sich andere Seeleute an die Reling und starrten zu Katya herunter, ähnlich belustigt und unverhohlen neugierig. Ihre Stimmung war gelöst, ausgelassen nach erfolgreicher Jagd und fast trunken, wieder heil nach Hause gekommen zu sein.

Ein Matrose, kantig und braun gebrannt und strohblond, musterte Katya von Kopf bis Fuß und pfiff durch die Zähne.

»Bei dir möcht ich gern Eisbrecher sein!«

Lachend boxte ihn der Rothaarige zur Seite.

»Warte, Eisjungfer, ich komm zu dir herunter!«

Vielleicht war er es gewesen, der sie als Erster so genannt hatte, vielleicht irgendein anderer Seemann, den sie im Frühling nach seiner Route gefragt hatte, nach Eis und nach Schnee.

Katya konnte nur raten, inwieweit diese Neckerei auch mit der Farbe ihrer Augen zu tun hatte. Oder damit, dass sie nie mit halb schamhaftem, halb verführerischem Lächeln und flatternden Wimpern an der Mole stand wie andere Mädchen, nie auf ein Kompliment oder eine Schäkerei einging. Einerlei, der Name blieb an ihr kleben, sprach sich herum und wartete bereits auf sie, sobald sie auf der Mole ankam.

Katya kümmerte es nicht, ihr Wissensdurst war stärker.

Breitbeinig platzierte sich der Rothaarige auf einer Kiste und winkte Katya zu sich heran.

»Komm mal her, Eisjungfer, ich hab da was für dich. Noch näher.«

Katya tat einen Schritt auf ihn zu, bevor sie stehen blieb, ein wachsames Funkeln in den Augen.

»Du willst doch immer so viel über das Eis wissen … Ich hab da eine Geschichte für dich. In Amerika gibt es einen Mann, der holt im Winter Eis aus den gefrorenen Seen im Norden und verschifft es dann in den heißen Süden. Nach Dixieland und in die Karibik. Und was soll ich sagen, stinkreich ist er damit geworden. Mit deinem Eis.«

Für Berichte von Schnee und Eis war sie hergekommen, stattdessen wurde ihr eine Lügengeschichte aufgetischt. Enttäuschung machte sich in Katya breit und schlug dann in Verärgerung um.

»Ich glaube dir kein Wort.«

Der Seemann setzte eine gekränkte Miene auf und legte in einer beteuernden Geste die behaarte Pranke auf seine Brust.

»Seh ich so aus, als würde ich lügen? Hat mir ein Walfänger aus Nantucket erzählt.«

Katya blieb argwöhnisch und verschränkte die Arme.

»He, Jungs!«, brüllte der Rothaarige zum Deck hinauf. »Stimmt das etwa nicht, mit diesem Spinner und seinem Eis für die Karibik?«

Zustimmende Rufe und beifälliges Gemurmel drangen zu Katya herunter.

»Siehst du?« Grinsend wandte sich der Seemann wieder Katya zu und streckte die Hand nach ihr aus. »Dafür habe ich mir doch ein Küsschen verdient, oder nicht?«

Katya starrte ihn nur an, kühl und abweisend, fast herausfordernd, ihre Augen hart wie Glas. Bis sein Blick flackerte und das Grinsen auf seinem Gesicht erlosch; sie brauchte kein Messer mehr, um zudringliche Männer auf Abstand zu halten.

Sie drehte sich um und ging. Um am nächsten Tag zurückzukehren und die Walfänger und Nordmeerfahrer, die neu angekommen waren, auszufragen und auch die am Tag darauf.

Und zwischen den Schilderungen der Seeleute von Pfannkucheneis und Frazileis und Schmiereis, das sich bei kalter Witterung durch das Nordmeer spann, und einem ganzen Feld von Eisbergen, das diesen Sommer die Walfänger in Atem gehalten hatte, bekam Katya immer wieder ein Fetzchen der gleichen Geschichte zu fassen, von den Männern selbst ungläubig und lachend erzählt wie haarsträubendes Seemannsgarn.

Von Frederic Tudor aus Boston, der davon überzeugt war, mit gefrorenem Wasser aus den Seen Neuenglands könnte er die ganze Welt erobern.

Aus den ersten Seglern, die zum Ende des Sommers im Hafen eintröpfelten, wurde ein beständiger Strom, der die Mole von Tromsø mit Schiffsleibern und Männern füllte. Eine Flut an Fässern und Häuten und Walbarten ergoss sich über den Kai, die noch an Ort und Stelle die Besitzer wechselten, und inmitten dieses Getümmels lief auch die Havfruen in ihren Heimathafen ein.

Grischa genoss die Blicke der Männer, als er mit Katya an seinem Arm über die Mole ging. Bis zu seinem Schlüsselbein reichte sie jetzt, zweifellos das hübscheste Mädchen an der ganzen langen Küste Norwegens.

Sie hatten einander nur für ein paar Tage im Frühling gesehen, so spät war er aus Spitzbergen zurückgekehrt. Das Eis hatte es nicht früher erlaubt, beinahe hätte er sogar die diesjährige Waljagd verpasst.

Keine Fahrt unter Magne Halvorson hatte ihm ein solches Hochgefühl beschert wie diese, nach der Gefangenschaft im finsteren Winter Spitzbergens endlich wieder auf dem Meer und im Wind, im Licht des arktischen Sommers.

Mit Wolf hatte er dort angeknüpft, wo der Herbst sie unterbrochen hatte, mit einer groben Zärtlichkeit, die sich nicht um ein Morgen scherte. Und auf Grönland hatte ihn Napaartoq, spitzknochig und lebhaft wie ein kleiner Vogel, darüber hinweggetröstet, dass Sikkerneq sich einen Mann genommen hatte und zwischen den Frauen ihrer Familie darauf wartete, ihr erstes Kind zur Welt zu bringen.

Manchmal, wenn die Wellen sich die Havfruen gegenseitig zuwarfen und Brecher über das Deck klatschten, war Grischa an der Reling gestanden und hatte seinen Freiheitsdrang in den Sturm hinausgebrüllt.

Sein wildes Haar von Katya wieder kurz getrimmt, stand er oben in der Kammer und rasierte sich, nichts als eine frische Hose an seinem gebadeten Leib.

Katya saß auf dem Boden und beobachtete, wie sich seine kräftigen Schulterblätter, die Muskelstränge an seinem breiten Rücken bewegten, hell gegen das sonnengefärbte Dreieck des Nackens, die tiefbraunen Arme.

Mit Widerhaken hatte sich die Geschichte von dem Eis für den heißen Süden in ihr festgesetzt, weiter verzweigt, je länger sie darüber nachdachte, und schließlich mit dem verflochten, was Johann Silberberg sie gelehrt hatte.

Sie hatte sich die Worte sorgfältig zurechtgelegt, mit denen sie Grischa davon erzählte.

Grischa lachte laut, während er mit dem Rasierer Schaum und Bartfilz aus seinem Gesicht kratzte.

»Das ist das Verrückteste, was ich je gehört habe.«

»Aber es ist wahr«, beharrte Katya.

Sie löste den Blick von ihrem Bruder und strich über die Felle, die er aus Grönland mitgebracht hatte, um sie an Ragnar Eriksson zu verkaufen.

»Erinnerst du dich nicht«, setzte sie neu an, »wie ihr Männer früher das Eis aus dem großen See geschnitten und zum Grundherrn gebracht habt? Damit er über den Sommer alles in seinem Vorratskeller kühl halten konnte?«