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Ein erneutes Kichern sprudelte bei Henny auf, bis Christian ihr den Mund mit einem langen Kuss verschloss.

Das hier war das Beste daran, verheiratet zu sein. Christian so lange und so oft zu küssen, wie sie wollte. Seine Hände, die ungeduldig an Häkchen und Schleifen und gefältelten Stoffen zerrten, dass die Nähte knirschten, bis er über ihre bloße Haut streichen und mit seinem Mund darübergleiten konnte. Ihn zu fühlen, seine sehnigen Arme, die harte Brust, den festen Bauch.

Ihn zu umschlingen, ganz und gar.

Leise Zweifel umsirrten Christian wie lästige Mücken, sobald Henny nackt unter ihm lag.

Einige Herzschläge lang stellte er sich vor, wie es mit Katya gewesen wäre. Furcht flackerte in ihm auf, er könnte ausgerechnet in seiner Hochzeitsnacht nicht seinen Mann stehen.

Henny machte es ihm leicht. Ein vollreifer, saftiger Pfirsich war sie, in dem er seine Lippen vergrub und sich dann ganz hineinsinken ließ.

Das hier war keine schwärmerische Fantasie. Das war das pralle Leben, fühlbar, greifbar, glückselig machend.

Mit offenem Mund starrte Henny ins Dunkel, nur wenig vom Mond erhellt.

Das hatte ihre Mutter wohl kaum gemeint, als sie sagte, sie solle in ihrer Hochzeitsnacht im Nachthemd bereitliegen, ihr Mann würde schon wissen, was zu tun sei.

Diese gurrenden und maunzenden Laute, die Henny erst nicht einordnen konnte, bis sie begriff, dass sie aus ihr selbst kamen, weil es so herrlich war, wie Christian sie überall küsste und streichelte und wie seine Haut über ihre rieb. Das merkwürdige Gefühl, als es pikste und ziepte, dort unten, und dann wunderbare Wärme durch sie hindurchschwappte, bis zu ihrem Brustbein hinauf und in ihre Zehen hinein.

Ein Lächeln glitt über Hennys Gesicht, als sie begriff. Natürlich erzählten Mütter nichts davon, wie schön das war mit einem Mann. Weil ihre anständigen Töchter das sonst gleich ausprobieren und dann den lieben langen Tag nichts anderes mehr tun wollten.

Henny rollte sich auf die Seite und tupfte die gespitzten Lippen auf Christians Schulter, seine Brust; pickende Küsse, zwischen denen sie seinen Namen wisperte; bestimmt konnten sie das gleich noch einmal tun.

Christian rührte sich nicht. Schwer und heiß lag er neben ihr, sein Atem so tief und gleichmäßig, dass das Geräusch auch Henny einzuschläfern begann.

Mit einem breiten Lächeln schlang sie den Arm um seinen Rücken und drückte sich eng an ihn. Vielleicht konnte man das auch morgens schon machen, gleich nach dem Aufwachen, oder nach dem Mittagessen, wenn niemand in der Wohnung war. Jede Nacht, wenn es nach ihr ging.

»Mein Mann«, wisperte sie gegen Christians Haut, ihre Lider schwer.

Für immer und immer.

27

Arno Petersen betrachtete schweigend die Papiere, die Thilo auf dem Tisch in der guten Stube vor ihm ausgebreitet hatte. Seit geraumer Zeit bereits; Tee und Kuchen, die Henny ihnen hingestellt hatte, hatten sie beide unangetastet gelassen.

Das Geschäft nahm langsam Formen an. Auf dem Speicher lagerte der Grundstock ihrer Ausrüstung, Eissägen und Queräxte und Zangen, von Grischa zum Spottpreis aus einer Konkursmasse ersteigert. Gerade verhandelten sie um einen Lagerraum bei den Mühren, direkt hinter der Brooksbrücke. Der Torf, um ihn damit auszukleiden, würde aus dem ostfriesischen Wiesmoor kommen, Thilo hatte sogar einen Mengenrabatt ausgehandelt.

Einen genauen Zeitplan für ihre erste Fahrt hatten sie erstellt und Thilo dazu eine Kalkulation. So gründlich, wie es ihm mit den Unbekannten, die noch immer in der Gleichung standen, möglich gewesen war.

Schließlich hatte es sich nicht länger hinausschieben lassen, es war schon September, spätestens im Januar mussten sie in Norwegen sein, und Thilo war mit den Unterlagen zur Bank gegangen. Unterstützt von Christian, der die Geldgeber dort mit seiner Begeisterung für den Eishandel anstecken sollte.

Denn sie brauchten Geld. Viel Geld.

Der wirtschaftliche Aufschwung, der gerade im Hafen zu spüren war, stimmte auch die Herren auf der Bank mit ihren steifen Kragen, den scharfen Augen und dem noch schärferen Verstand optimistisch. Thilos Zahlen und Christians Leidenschaft, untermauert von seiner neuen Ausstrahlung als solider Ehemann, hatten schließlich überzeugt.

Zwölftausend Mark Banco konnten sie bekommen, rückzahlbar innerhalb von fünf Jahren.

Mit dem Haus als Sicherheit.

»Das ist eine Menge Geld«, sagte Arno Petersen schließlich zögerlich. »Obwohl das Haus sicher mehr wert ist. Immer noch.«

So viel Geld, wie ein Haus voller Mietwohnungen am feinen Wandrahm im Jahr einbrachte. Was ein ungelernter Hafenarbeiter in fast dreiunddreißig Jahren seines Arbeitslebens verdiente, ohne einen Sonntag, einen Feiertag dazwischen und ohne ein einziges Mal krank zu sein.

Thilo wurde jedes Mal übel, wenn er an diese gewaltige Summe dachte.

»Wir müssen das nicht machen …«, begann Thilo hastig.

Befreiend fand er die Vorstellung, dieses wahnwitzige Geschäft doch noch abzublasen. Sich einfach mit dem zu begnügen, was der Laden abwarf, und darauf zu hoffen, dass auch für sie die Zeiten wieder besser wurden.

»Christian zieht mit am Strang?«, unterbrach ihn sein Vater.

Thilo nickte. »Und Grischa und Katya.«

Arno Petersen warf ihm einen kurzen Blick zu.

»Katya versteht etwas von Eis«, erklärte Thilo. »Sie hat Beziehungen nach Norwegen, kennt dort einen Eisforscher namens Johann Silberberg, und sie spricht die Sprache. Und Grischa ist nicht nur ein guter Seemann. Wann immer er gerade in England zu tun hat, erkundet er den Markt dort und versucht, Kontakte zu knüpfen.«

Arno Petersen besah sich eines der Schriftstücke genauer.

»Ich habe noch etwas Geld auf der Seite«, sagte er nach einer Weile. »Ist nicht viel, aber …«

Thilos Mundwinkel hoben sich, das Angebot seines Vaters rührte ihn.

»Danke, Vadder. Aber ich bin froh zu wissen, dass du noch einen Notgroschen hast. Für den Fall, dass …«

Thilo sprach nicht weiter; der Blick, der zwischen seinem Vater und ihm gewechselt wurde, genügte.

Trotzdem machte er sich rasch eine Notiz, eventuell Beteiligungen in Betracht zu ziehen, sollte ihnen unterwegs das Geld ausgehen.

Arno Petersen ließ sich viel Zeit, während er nachdachte und mit gespreizten Händen die Papiere akkurat ausrichtete.

Nervös rieb Thilo sich die Knie.

»Ich weiß, Vadder, es ist eine komplett verrückte Idee.«

Sein Vater schüttelte den Kopf.

»Nein, Thilo, das ist sogar eine sehr gute Idee.«

Thilo stutzte für einen Augenblick, dann erhellte sich seine Miene. »Findest du?«

Arno Petersen nickte.

»So gut, dass ich mich frage, warum nicht schon längst einer darauf gekommen ist.«

Sein Blick wanderte in Richtung des Fensters.

»Stell dir das doch einmal vor«, murmelte er nach einer kleinen Pause. »Man könnte nicht nur Eis verkaufen, damit die Leute in warmen Ländern ihr Essen und Trinken kühlen. Man könnte genauso gut das Schiff nur halb mit Eis beladen und den Rest mit Gemüse füllen, um es über weite Strecken zu transportieren. Obst. Butter. Vielleicht sogar Fisch und Fleisch. Um die halbe Welt könntest du das kalt verschiffen, und es käme ganz frisch dort an. Oder umgekehrt, Südfrüchte und allerlei exotische Lebensmittel von dort hierher.«

Mit leuchtenden Augen sann er diesem Gedanken eine Weile nach.

Dann wandte er sich wieder den Papieren zu, stützte sich auf einem Ellbogen auf und streckte die Hand nach Thilos Feder aus.

Thilo sah ihm zu, wie er unterschrieb. In seine Erleichterung, die fast an Euphorie grenzte, sickerte das elende Gefühl, dass sie gerade dabei waren, ihrer aller Lebensgrundlage aufs Spiel zu setzen.

Arno Petersen schnaubte belustigt vor sich hin.

»Meine Söhne. Planen einen Handel mit Eis.«

Er blickte auf, und Thilo glaubte fast, so etwas wie Stolz in seinen Augen zu erkennen.

»Ihr bekommt das hin. Da habe ich gar keine Zweifel.«

Nach der letzten Unterschrift legte Arno Petersen die Feder zur Seite und sammelte umständlich die ausgebreiteten Papiere zusammen.