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»Hast du Kontaktlinsen bekommen?«, platzte es aus mir heraus.

Er schien verdutzt über meine unerwartete Frage. »Nein«, sagte er, zuckte mit den Schultern und schaute weg.

»Oh«, nuschelte ich. »Ich hatte das Gefühl, dass deine Augen irgendwie anders sind.«

Genauer gesagt, ich war mir sicher. Ich erinnerte mich lebhaft an das matte Schwarz seiner Augen, als er mich letzte Woche so angefunkelt hatte – an ihren auffälligen Kontrast zu seiner blassen Haut und den rotbraunen Haaren. Heute hatten sie eine völlig andere Farbe, ein eigenartiges Ocker, dunkler als Karamell, aber mit derselben goldenen Tönung. Ich konnte mir die Veränderung nicht erklären, es sei denn, er sagte aus irgendeinem Grund nicht die Wahrheit, was die Kontaktlinsen anging. Oder Forks brachte mich jetzt buchstäblich um den Verstand.

Ich senkte den Blick. Seine Hände waren wieder zu Fäusten geballt.

Dann kam Mr Banner zu unserem Tisch, um zu sehen, warum wir nicht arbeiteten. Er beugte sich über unsere Schultern, um einen Blick auf das Protokoll zu werfen.

»Edward, meinst du nicht, Isabella hätte auch ein wenig am Mikroskop üben sollen?«, fragte Mr Banner.

»Bella«, verbesserte Edward automatisch. »Um ehrlich zu sein, drei der fünf hat sie identifiziert.«

Mr Banner beäugte mich skeptisch.

»Hast du die Übung schon mal gemacht?«, fragte er.

Ich lächelte verlegen. »Nicht mit Zwiebelwurzeln.«

»Mit Fisch-Blastula?«

»Hm-mhh.«

»Warst du in Phoenix in einem College-Vorbereitungskurs?«

»Ja.«

»Na ja«, sagte er nach kurzem Zögern. »Vielleicht ist es ganz gut, dass ihr zusammensitzt.« Im Weggehen nuschelte er noch etwas anderes. Ich machte mich wieder daran, auf meinem Heft herumzukritzeln.

»Schade mit dem Schnee, nicht wahr?«, fragte Edward. Ich hatte den Eindruck, er fühlte sich verpflichtet, mit mir zu reden. Wieder überkam mich dieses Gefühl der Paranoia: Es war, als hätte er meine Unterhaltung mit Jessica beim Essen mitgehört und würde mir jetzt das Gegenteil beweisen wollen.

»Ehrlich gesagt, nein«, antwortete ich, anstatt so zu tun, als wäre ich ein normaler Mensch wie alle anderen hier. Ich war immer noch damit beschäftigt, diesen blöden Argwohn abzuschütteln, und konnte mich kaum konzentrieren.

»Du magst die Kälte nicht.« Er fragte nicht, er stellte fest.

»Genauso wenig wie die Nässe.«

»Dann ist Forks wohl nicht gerade ein angenehmer Ort für dich«, folgerte er.

»Wenn du wüsstest«, murmelte ich finster.

Es war mir zwar ein Rätsel, warum, aber es sah aus, als faszinierte ihn das, was ich sagte. Sobald ich ihn anschaute, war es mit meiner Konzentration vorbei, also versuchte ich, es gerade oft genug zu tun, um nicht unhöflich zu wirken.

»Warum bist du dann hierhergezogen?«

Das hatte mich noch keiner gefragt, nicht so direkt wie er – so fordernd.

»Komplizierte Geschichte.«

»Ich bin mir sicher, dass ich folgen kann«, bohrte er weiter.

Ich machte eine lange Pause, dann beging ich den Fehler, seinen Blick zu erwidern.

Die tiefgoldenen Augen verwirrten mich, und ich antwortete, ohne nachzudenken.

»Meine Mutter hat wieder geheiratet«, sagte ich.

»Das klingt doch gar nicht so kompliziert«, erwiderte er überraschend sanft. »Wie lange ist das her?«

»Letzten September.« Meine Stimme klang traurig, selbst mir fiel das auf.

»Und du kannst ihn nicht ausstehen«, mutmaßte er einfühlsam.

»Nein, Phil ist schon okay. Zu jung vielleicht, aber eigentlich nett.«

»Warum bist du nicht bei ihnen geblieben?«

Ich konnte mir sein Interesse zwar nicht erklären, aber er schaute mich immer noch so durchdringend an, als wäre meine langweilige Lebensgeschichte aus irgendeinem Grund irre wichtig.

»Phil ist viel unterwegs. Er ist Baseballprofi.« Ich musste ein wenig lächeln.

»Kenne ich ihn?«, fragte er und erwiderte mein Lächeln.

»Würde mich wundern. Er ist kein guter Baseballprofi. Nur Minor League. Er spielt, wo er kann.«

»Und deine Mutter hat dich hierhergeschickt, damit sie mit ihm mitreisen kann.« Wieder fragte er nicht, sondern stellte fest.

Ich reckte mein Kinn ein wenig vor. »Sie hat mich nicht hierhergeschickt. Ich hab mich selbst geschickt.«

Seine Augenbrauen schoben sich zusammen. »Das verstehe ich nicht«, gab er zu – eine Tatsache, die ihn über alle Maßen zu frustrieren schien.

Ich seufzte. Wozu erklärte ich ihm das alles? Er schaute mich unvermindert neugierig an.

»Zuerst blieb sie bei mir in Phoenix, aber sie vermisste ihn. Sie war unglücklich … Also dachte ich mir, es wäre eine gute Idee, meine Beziehung zu Charlie ein wenig aufzufrischen.« Mittlerweile klang ich wirklich niedergeschlagen.

»Aber jetzt bist du unglücklich«, stellte er fest.

»Und?«

»Ist das gerecht?«, fragte er leichthin, doch die Intensität seines Blickes war ungebrochen.

Ich lachte kurz auf. »Seit wann ist das Leben denn gerecht?«

»Jetzt, wo du’s sagst – stimmt, seit wann?«, antwortete er trocken.

»Das ist die ganze Geschichte«, beharrte ich und kapierte nicht, warum er mich immer noch so anstarrte.

»Du verstellst dich ausgezeichnet«, sagte er langsam. »Aber ich wette, dass es dir viel mehr ausmacht, als du irgendjemandem zeigst.«

Ich verzog mein Gesicht, widerstand dem Impuls, ihm wie eine Fünfjährige die Zunge rauszustrecken, und schaute weg.

»Hab ich Unrecht?«

Ich versuchte ihn zu ignorieren.

»Dachte ich’s mir doch«, murmelte er selbstgefällig.

»Was interessiert dich das denn?«, fragte ich verärgert. Ich schaute ihn nicht an, sondern beobachtete Mr Banner bei seiner Runde durch die Klasse.

»Das ist eine sehr gute Frage«, sagte er so leise, dass ich mich fragte, ob er mit sich selbst geredet hatte. Doch nach ein paar Sekunden des Schweigens wurde mir klar, dass ich keine andere Antwort bekommen würde.

Ich seufzte und starrte erbost zur Tafel.

»Nerve ich dich?«, fragte er. Es klang amüsiert.

Wieder schaute ich ihn an, ohne nachzudenken … und wieder antwortete ich ganz wahrheitsgemäß. »Nicht du, ich selbst nerve mich. Ich bin so leicht zu durchschauen – man kann mir alles vom Gesicht ablesen. Meine Mutter nennt mich immer ihr offenes Buch.« Ich runzelte die Stirn.

»Im Gegenteil, ich finde es außerordentlich schwer, dich zu durchschauen.« Trotz allem, was ich gesagt und er vermutet hatte, schien er es ernst zu meinen.

»Dann bist du wohl besonders gut darin«, erwiderte ich.

»Normalerweise schon.« Er grinste breit und offenbarte eine Reihe perfekter, blendend weißer Zähne.

In dem Augenblick rief Mr Banner die Klasse zur Ruhe, und ich drehte mich erleichtert in seine Richtung, um zuzuhören. Ich konnte nicht glauben, dass ich diesem seltsamen, schönen Jungen, von dem ich nicht wusste, ob er mich verachtete oder nicht, gerade meine ganze öde Lebensgeschichte erzählt hatte. Unser Gespräch hatte ihn anscheinend gefesselt, doch jetzt sah ich aus den Augenwinkeln, dass er sich erneut von mir weglehnte und mit unverkennbarer Anspannung die Tischkante umklammerte.

Mr Banner demonstrierte mit Hilfe von Folien auf dem Overheadprojektor, was ich ohne Schwierigkeiten unter dem Mikroskop gesehen hatte. Ich versuchte Konzentration vorzutäuschen, doch meine Gedanken ließen sich nicht im Zaum halten.

Als es endlich klingelte, schoss Edward ebenso blitzartig und anmutig aus dem Raum wie am vergangenen Montag. Und wieder starrte ich ihm voller Verwunderung hinterher.

Da kam auch schon Mike angesprungen und griff nach meinen Büchern. Ich stellte ihn mir mit wedelndem Schwanz vor.

»War das schrecklich«, stöhnte er. »Die sahen alle genau gleich aus. Ein Glück für dich, dass du mit Cullen zusammensitzt.«

»Ich hatte keine Probleme«, sagte ich, pikiert von seiner selbstverständlichen Annahme, es sei mir ebenso schwergefallen wie ihm. Doch sofort bereute ich es, ihn so abgefertigt zu haben. »Ich hab die Übung aber schon mal gemacht«, fügte ich hinzu, um ihn nicht zu verletzen.